Wie gefährlich solche Einsätze im Stall sein können und dass man immer wieder in kritische Situationen gerät, davon berichten auch Südtirols Tierärzte.<BR /><BR />Dr. Georg Forcher, Tierarzt im Burggrafenamt und im Unteren Vinschgau, musste einmal in eine Box mit mehreren Stieren. Eine Grippe-Epidemie sollte er dort behandeln. Was dann passierte, hat er noch in lebhafter Erinnerung: „Ein Stier hat mich mit seinem Kopf aufgehoben“, berichtet Forcher. „Zum Glück hatte er keine Hörner mehr. Ich konnte mich dann oben an einer Stange festhalten und die Box verlassen. Mein Glück war auch, dass er mich nicht an die Wand gedrückt hat“, erzählt Forcher. <BR /><BR />Dass man als Tierarzt in Ställen immer wieder in kritische Situationen gerät, berichtet auch Dr. Heinrich Ebner, Tierarzt in Deutschnofen/Petersberg. <BR /><BR />„Das Problem sind die vielen Freilaufställe. Dadurch ist das Risiko größer geworden. Dort muss man besonders vorsichtig sein. Die Rinder möchten sich in diesen Ställen als Gruppe – als Herde – verteidigen. Manchmal sind die Tiere dort auch aggressiver. Es gibt zudem nicht mehr den Kontakt zwischen Mensch und Kalb von klein auf. Im Anbindestall ist der Kontakt zu den Menschen hingegen noch enger. In Freilaufställen ist es immer gut, wenn bei Untersuchungen auch der Besitzer mit dabei ist“, meint Ebner. „Man müsste als Tierarzt vorne und hinten Augen haben. Man konzentriert sich auf das Tier, welches man behandelt, und dann kommen die anderen Tiere daher, aus Neugier womöglich, da kann dann alles passieren.“ Bei Tieren spiele auch der Zyklus eine Rolle, ebenso die Brunst (Paarungsbereitschaft). Dass man als Tierarzt im Stall kleinere Verletzungen davontrage, passiere immer wieder. „Ich habe bei brenzligen Situationen immer Glück gehabt, dass nicht mehr passiert ist“, erzählt Ebner. Als Nutztierpraktiker bekomme man fast jeden Tag einen Schlag ab. Man müsse die Herde wenn möglich immer beobachten. Wenn ein Tierarzt über viele Jahre einen Viehbestand aufsuche, „dann kennen die Tiere bereits meine Stimme“, erzählt der Deutschnofner Tierarzt. „Aber wenn ich mit einer gelben Jacke auftauche, die sie nicht kennen, bin ich für sie ein völliger Fremdkörper.“<BR /><BR />Tierarzt ist ein Beruf, der sehr viele Gefahren mit sich bringt, bestätigt auch der Präsident der Tierärztekammer, Dr. Franz Hintner. Horn- oder Trittverletzungen gebe es immer wieder. Bei behornten Tieren sei das Risiko größer. So wie Ebner betont auch Hintner: Früher waren die Tiere viel mehr sozialisiert. Der Bauer hatte mehr persönlichen Kontakt mit dem Tier, und ebenso die bäuerliche Familie. „Das gibt es heute immer weniger“, bedauert Hintner. Früher seien auf den Höfen weniger Tiere und mehr Menschen gewesen. Inzwischen seien die Betriebe größer geworden – es leben aber weniger Menschen dort. „Die Tiere sind scheuer und nicht mehr so leicht zu händeln“, konstatiert der Tierärztekammer-Präsident. „Bei größeren Betrieben ist der Kontakt zu den Menschen sowieso gering. Die Tiere werden in Boxen und Gruppen gehalten und wenn man hineingeht, können sie auch aggressiv sein, oder ihre Angst führt zu Reaktionen, die nicht immer einschätzbar sind.“<BR /><BR />Bei größeren Betrieben sei die Zusammenarbeit mit Bauern oft nicht so, wie sie sein sollte, weil diese kaum Zeit hätten. „Früher hat der Bauer oder einer vom Bauernhof das Tier gehalten und der Tierarzt die Blutprobe bzw. die Behandlung durchgeführt“, erzählt Hintner. „Heute ist das oft schwierig. Es heißt: Da drinnen ist das Vieh – schau selbst!“ Besonders gefährdet seien bei Einsätzen in den Ställen die Füße eines Tierarztes – weil Tiere drauftreten könnten. Deshalb sollten unbedingt Stiefel mit Metallkappen getragen werden, rät Hintner. <BR /><BR />Glücklicherweise sei in den vergangenen Jahrzehnten niemand bei solchen Einsätzen in Südtirol schwer verletzt oder gar getötet worden. Tödlich verletzt worden ist 2018 aber ein erfahrener Tierarzt in der Nachbarprovinz – in Belluno: Dr. Paolo Casarin (52), Tierärztekammerpräsident wie Hintner. Casarin war von einem Stier angegriffen und mit den Hörnern tödlich am Brustkorb verletzt worden. Er wollte ein erst wenige Tage altes Kalb untersuchen, welches sich im gleichen Gehege befunden hatte wie der Stier. Auch 2 weitere erfahrene Tierärzte – ein 60-Jähriger aus der Emilia Romagna und ein 54-Jähriger aus Pordenone – sind bei solchen Einsätzen ums Leben gekommen.<BR /><BR />Dr. Hintner bemängelt, dass die Arbeitssicherheit von den Tierärzten manchmal vernachlässigt werde. „Nicht immer sind sie optimal ausgerüstet.“ Und: Tierärzte, die gerade erst von der Uni kommen, seien zwar theoretisch oft gut vorbereitet, aber nicht praktisch – ihnen fehle die Praxis in den Ställen. Bei aller Gefahr im Stall betont Hintner aber auch, dass die womöglich noch größere Gefahr für Tierärzte in Südtirol oft bei den Fahrten auf den Bergstraßen lauere – bei schlechten Straßenverhältnissen (Schnee und Eis). „Alle Tierärzte sind schnelle Autofahrer. Bei Kollegen – beispielsweise in Nordtirol – ist es bereits zu schweren Unfällen gekommen“, warnt der Tierärztekammer-Präsident. <BR /><BR />In Südtirols Tierärztekammer sind 240 Tierärzte eingeschrieben, 125 Männer und 115 Frauen. Davon sind 70 Nutztierpraktiker. Der Frauen-Anteil steigt: 2017 waren von 224 Tierärzten nur 93 weiblich. <BR /><BR /><BR /><BR />