Wenn der Arbeitnehmer die Arbeit offiziell nicht kündigt, aber willentlich seinen Einsatz am Arbeitsplatz auf das Minimum reduziert: Der Begriff „Quiet Quitting“, also eine stillschweigende Kündigung, ist erstmals im Jahr 2022 aufgekommen, die Situation gibt es aber schon viel länger.<h3> Arbeitnehmer kündigt nicht immer</h3> „In den vergangenen Jahren hat das Phänomen in Südtirol zugenommen. Viele Mitarbeiter der öffentlichen Verwaltung sind davon betroffen“, berichtet der Obmann der Gewerkschaft der öffentlichen Bediensteten AGO, Andreas Unterkircher (siehe Kurz-Interview unten). <BR /><BR />Auch der Arbeitspsychologe Manuel Schmelzer kennt es. „Die Mitarbeiter identifizieren sich innerlich nicht mehr mit dem Unternehmen. Still und heimlich schauen sie sich bereits nach einer neuen Arbeit um“, sagt der Experte. Trotzdem folgt auf das „Quiet Quitting“ nicht zwingend die Kündigung. „Manche Menschen verfestigen sich auch in diesem Zustand“, so Schmelzer. <BR /><BR />Aus arbeitnehmerischer Sicht sei das reiner Selbstschutz. „Wenn es wenig Wertschätzung gibt und die Arbeitsbedingungen nicht mehr passen, wird die Arbeitsleistung so weit reduziert, dass man sich nicht mehr verausgabt und zurückzieht“, erklärt der Arbeitspsychologe.<BR /><BR /><embed id="dtext86-71380189_quote" /><BR /><BR /> Das hat durchaus Auswirkungen auf das Umfeld. Leistet ein Mitarbeiter nur mehr das Minimalste, können Kollegen belastet werden. Die Produktivität, die Zufriedenheit, die Sicherheit leiden, das Arbeitsklima wird ungesund. „Quiet Quitting“ betrifft laut Schmelzer nicht nur die öffentliche Verwaltung, sondern auch die Privatwirtschaft. „Dort kann eine solche Haltung langfristig arbeitsrechtliche Konsequenzen haben“, sagt er. Als öffentlich Bediensteter habe man eine relative Arbeitssicherheit. <BR /><BR />Dienst nach Vorschrift und dann tschüss – dieses Verhalten ist vor allem bei der jüngeren Generation verbreitet. „Wenn Anerkennung, eine ausgewogene Work-Life-Balance oder Wertschätzung fehlen, reduzieren viele ihr Engagement auf das Nötigste, um sich selbst zu schützen“, sagt Schmelzer. <BR /><BR />Sich aufreiben, psychisch belasten, da spielen viele Junge nicht mehr mit. „In der Gastronomie oder im Handwerk besteht die Möglichkeit, relativ schnell den Arbeitsplatz zu wechseln. Das machen dann auch viele“, sagt Schmelzer. <h3> Was Gründe dafür sein können</h3>Aber auch ein fehlendes Sicherheitsgefühl, personelle Knappheit, Überforderung, Ungerechtigkeiten oder fehlende Kommunikation sind Gründe, warum Menschen ihre Arbeitsleistung auf ein Minimum reduzieren. „Die Mitarbeiter wollen, dass sich jemand um sie kümmert und sich für sie interessiert“, weiß Schmelzer, der selbst Führungskräfte coacht. <BR /><BR /> Baut man eine emotionale Bindung zu seinen Angestellten auf, kennt man sie mit all ihren Stärken und Schwächen und beugt Phänomenen wie „Quiet Quitting“ vor. Erkennt man trotzdem Anzeichen, sollte man als Arbeitgeber mit dem betroffenen Mitarbeiter das persönliche Gespräch suchen, rät Schmelzer. Da reicht dann schon ein Bauchgefühl, das sagt, dass etwas nicht stimmt. „Nachfragen und ins Gespräch gehen ist das Einzige, was hilft.“ Nicht nur in schwierigen Arbeitssituationen, sondern überhaupt. „Nur so baut man Vertrauen auf und merkt, wenn etwas nicht passt.“<BR /><BR />Es war keine angenehme Situation. Lisas Chef hat sie auf ihr Verhalten angesprochen. Hat sich Zeit für sie genommen und ihr zugehört. Hat versprochen, ihre Sorgen ernst zu nehmen. Ob das ihre Arbeitshaltung ändert, wird sich erst zeigen. Aber ein erster Schritt wurde gesetzt. <BR /><h3> Was der Vorsitzende der Gewerkschaft der öffentlichen Bediensteten (AGO) sagt</h3><div class="img-embed"><embed id="1210803_image" /></div> <b><BR />Die Gewerkschaft AGO hat in einer Aussendung auf das Phänomen „Quiet Quitting“ aufmerksam gemacht. Warum?</b><BR />Andreas Unterkircher: Dieses Phänomen ist seit einigen Jahren weit verbreitet. Man macht einfach Dienst nach Vorschrift. Die öffentlich Bediensteten erkennen keine Unterstützung, weder bei der Politik noch bei den Führungskräften. Dazu kommt, dass die Führungskräfte fast doppelt so viel verdienen wie sie. Sie müssen mit einem mageren Inflationsausgleich von zwölf Prozent auskommen, wobei die amtlich festgestellte Inflation bei 21 Prozent liegt. Es fehlt an Anerkennung und Wertschätzung.<BR /><BR /><b>Betrifft „Quiet Quitting“ Ihrer Meinung nach auch die Privatwirtschaft?</b><BR />Unterkircher: In der Privatwirtschaft gibt es das Phänomen auch, aber nicht in diesem Ausmaß. Wenn die Verantwortlichen die Mitarbeiter halten möchten, bieten sie ihnen mehr Gehalt an. Diese Möglichkeit gibt es in der öffentlichen Verwaltung nicht. <BR /><BR /><b>Wann sollten beim Arbeitgeber die Alarmglocken klingeln?</b><BR />Unterkircher: Wenn die Mitarbeiter ganz genau ein- und ausstempeln und Kunden negative Rückmeldungen geben. Dann müssen die Alarmglocken bei Gemeindeausschuss, dem Verwaltungsrat eines Seniorenwohnheims und anderen Arbeitgebern klingeln.