Im Fokus der Ermittler stehen derzeit aber nicht die Ärzte der Klinik, sondern der Hausarzt des Mafiabosses. Der Mediziner, dessen Wohnung und Praxis durchsucht wurden, lebt in derselben Gemeinde, in dem das Versteck des Bosses gefunden wurde. <BR /><BR />Keine Waffen, sondern Luxusuhren, Parfüms und Markenkleidung: Im Versteck, in dem der vorgestern inhaftierte „Boss der Bosse“ Matteo Messina Denaro – der sich in der Öffentlichkeit als Andrea Bonafede ausgab – einen Großteil seiner 30-jährigen Flucht verbracht hat, fehlte es nicht an Bequemlichkeiten. Denn der gefürchtete Pate der Cosa Nostra, dem über 50 Morde zur Last gelegt werden, hatte einen Hang zu Luxus, Mode, Kunst und schönen Frauen. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="854780_image" /></div> <BR /><BR />Nach der <a href="https://www.stol.it/artikel/chronik/festnahme-von-mafia-boss-messina-denaro-das-ende-einer-aera" target="_blank" class="external-link-new-window" title="">Festnahme</a> wurde sein unscheinbares Versteck in der kleinen Ortschaft Campobello di Mazara in der sizilianischen Provinz Trapani stundenlang durchsucht; der stellvertretende Staatsanwalt von Palermo, Paolo Guido, der seit Jahren gegen den Ex-Cosa Nostra-Flüchtling ermittelt, war persönlich anwesend. <BR /><BR />Zur Überraschung der Ermittler wurden in der Wohnung keine Waffen entdeckt, wohl aber elegante und teure Kleider, Schuhe und Uhren. Messina Denaro verfügte auf seiner Flucht über beträchtliche finanzielle Mittel, wie die Ermittler gestern betonten. Bei der Festnahme trug er eine elegante pelzgefütterte Lederjacke und hatte eine exklusive Uhr der Schweizer Marke „Franck Muller“ im Wert von über 35.000 Euro am Handgelenk. Das alles passt zum Bild von Matteo Messina Denaro. Denn in Italiens Zeitungen erschienen jahrelang immer die gleichen Fotos des „Der Dünne“ genannten Mafioso, die ihn als jungen Mann vor seinem Untertauchen zeigten. Sehr bekannt ist ein Porträt mit Sonnenbrille und ein weiteres auf einer Hochzeit im blauen Doppelreiher, mit Ray-Ban-Brille und Rolex, lässig eine Zigarette in der Hand. Die beiden Bilder verfestigten seinen Ruf als Playboy.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="854783_image" /></div> <h3> Hausarzt wusste über Identitätsdiebstahl wohl Bescheid</h3>Der Mafioso und meistgesuchte Verbrecher Italiens war am Montag in einer Privatklinik in Palermo festgenommen worden, wo er seit Monaten wegen eines Dickdarm-Tumors behandelt wurde.<BR /><BR />Im Fokus der Ermittler stehen derzeit aber nicht die Ärzte der Klinik, sondern der Hausarzt des Mafiabosses. Der Mediziner, dessen Wohnung und Praxis durchsucht wurden, lebt in derselben Gemeinde, in dem das <a href="https://www.stol.it/artikel/chronik/versteck-von-matteo-messina-denaro-entdeckt-wo-sind-die-akten" target="_blank" class="external-link-new-window" title="">Versteck des Bosses</a> gefunden wurde. Da in der kleinen Ortschaft, in der jeder jeden kennt, 2 Andrea Bonafede lebten, werfen die Ermittler dem Hausarzt vor, dass er über den Identitätsdiebstahl Bescheid gewusst haben musste. <BR /><BR />Ermittelt wird aber auch gegen den „echten“ Andrea Bonafede, Besitzer der Wohnung, in der Messina Denaro seit mindestens 6 Monaten lebte. Bonafede, 59 Jahre alt und Neffe eines verstorbenen Mafiabosses, soll laut einem Bericht des „Corriere della Sera“ gestern gegenüber den Ermittlern zugegeben haben, die Wohnung mit dem Geld von Messina Denaro – dem er seinen Namen und wohl auch die Identitätskarte überließ – gekauft zu haben.<h3>„Gesundheitszustand von Messina Denaro ernst“</h3>Indes erklärten die Ärzte, dass der Gesundheitszustand von Messina Denaro ernst sei. Seine Lage habe sich in den letzten Monaten verschlechtert, berichtete Vittorio Gebbia, Leiter der Onkologie-Abteilung in der Klinik „La Maddalena“ in Palermo, in der Messina Denaro als Andrea Bonafede behandelt wurde. 2021 wurde er von einem Chirurgenteam wegen Lebermetastasen operiert. Seitdem unterzog er sich einer Chemotherapie. Die schlechte Prognose sei vom Patienten „mit großer Würde akzeptiert worden“, berichtete Gebbia. Der Patient sei sich seines Gesundheitszustands voll bewusst. <BR />Behandeln ließ sich der milliardenschwere Cosa Nostra-Boss wie ein Normalsterblicher. <h3>„Sind in Chatgruppe von Onkologie-Patienten Freunde geworden“</h3>Zeugen berichteten, sie hätten sich – ohne es zu wissen – monatelang an Seite des Bosses einer Chemotherapie unterzogen. „Wir sind sogar auf einer gemeinsamen Chatgruppe von Onkologie-Patienten Freunde geworden“, berichtete verblüfft eine Frau, die sich mehr als überrascht zeigte, mit Italiens meist gesuchtem Kriminellen in der Klinik behandelt worden zu sein. „Doch Krankheit ist ein Ereignis im Leben einer flüchtigen Person, das sie zwingt, in die Öffentlichkeit zu gehen“, hatte Staatsanwalt Guido schon am Montag betont. Nachdem die Ermittler erfahren hatten, dass der Boss krebskrank ist, konzentrierten sie die Nachforschungen auf die Datenbank des nationalen Gesundheitssystems. Dies ermöglichte es den Ermittlern, Messina Denaro trotz seines falschen Namens zu lokalisieren. <BR /><BR />Mit der Behandlung soll er auch als Häftling weitermachen. So soll in der Hochsicherheitsstrafanstalt in L'Aquila in den Abruzzen, in der er sich derzeit befindet, ein Zimmer für die Chemotherapie eingerichtet werden. Der Kriminelle war nach der Festnahme mit einem Militärflugzeug von Palermo nach Pescara geflogen worden. Von dort aus wurde er zum Hochsicherheitsgefängnis gebracht. In einer 10 Quadratmeter großen Zelle wird er rund um die Uhr bewacht. <BR /><BR />Mit der Festnahme Messina Denaros ist in Italien eine 4 Jahrzehnte lange Epoche zu Ende gegangen, in der die Cosa Nostra versucht hatte, Einfluss auf die Politik zu nehmen und mit Anschlägen auf Richter, Staatsanwälte und Journalisten die Öffentlichkeit zu terrorisieren. Doch Messina Denaro war schon seit Jahren im Niedergang, vor allem gegenüber Mafiaorganisationen wie der ́'Ndrangheta in Kalabrien. In den vergangenen Jahren hatten die Ermittler über 100 mutmaßliche Komplizen, darunter eine Schwester von Messina Denaro und weitere Familienmitglieder, festgenommen; einige wurden von Gerichten verurteilt. Vor allem aber wurde der Familie ein Vermögen von 150 Millionen Euro beschlagnahmt. Damit wurde das dichte Netz, das bisher die Flucht des Mafioso mit ermöglicht hatte, nach und nach ausgetrocknet. Der Sizilianer war der letzte Pate einer Riege mit Bernardo Provenzano, Toto Riina und den Brüdern Graviano, die in den 1980-er-Jahren mit brutaler Gewalt die Kontrolle über die Cosa Nostra übernommen hatte. Riina und Provenzano sind bereits tot, die Brüder Graviano seit Jahren inhaftiert. „Einer nach dem anderen sind die großen Mafia-Bosse verschwunden. Jetzt hat die Krankheit den letzten großen Paten definitiv geknickt“, kommentierte der Anti-Mafia-Journalist Attilio Bolzoni. <BR />