Südtirol Online: Herr Carraro, wie hoch ist das Risiko eines Erdbebens in Südtirol?Claudio Carraro, Landesgeologe und stellvertretender Amtsdirektor für Geologie und Baustoffprüfung: Entlang des Apennins ist das Risiko eines Erdbebens ziemlich hoch, in Südtirol ist es hingegen niedriger als im Zentrum Italiens. Eine Studie, die sich über 3 Jahre erstreckte, ergab: In den vergangenen 1000 Jahren sind keine großen Erdbeben verzeichnet worden. Wenn bei uns die Erde bebt, so spüren wir meist Beben, die sich in Friaul oder im Veneto ereignen. Mit unseren 7 Messstationen haben wir auch in Südtirol das Beben vom Mittwoch registriert. Und: Mit den Geräten konnten wir seismische Aktivitäten nahe der Ortlergruppe messen – allerdings nur sehr kleine.STOL: Die Erde bebt auch in Südtirol mehrmals im Jahr.Carraro: Kleinere Erdbeben registrieren wir tatsächlich oft, man kann sagen wöchentlich. Die meisten davon werden von der Bevölkerung allerdings nicht wahrgenommen. Die Beben erreichen eine Stärke von 1 bis 2 auf der Richterskala. Erdbeben bis zu einer Stärke von 5 sind auch in Südtirol möglich. Das letzte größere Erdbeben gab es 2001 mit einer Stärke von 5 auf der Richter-Skala (Zum Beben kam es am 17. Juli, das Epizentrum lag nahe Meran, 4 Menschen starben; Anm.d.Red.). Doch solche Beben sind Ausnahmen. Infografik aus dem Jahr 2001: Das Beben war bis nach Deutschland zu spüren. STOL: Das Erdbeben in Mittelitalien erreichte eine Stärke von 6 auf der Richterskala. Beben dieser Stärke gelten als „mäßig“. Trotzdem zerstörte das Beben ganze Dörfer, über 240 Menschen fanden den Tod.Carraro: Das hängt mit der Baukonstruktion der Häuser zusammen. Wenn ein solches Erdbeben Japan erschüttert hätte, gäbe es mit großer Wahrscheinlichkeit nicht so viele Tote zu beklagen (Japan gilt als führend in Sachen Erdbebenschutz; Anm.d.Red.).Für neuere Gebäude gelten neue technische Normen, sie müssen eine zuverlässige Erdbebenstatik aufweisen. Das heißt: Gebäude, die vor kurzem errichtet wurden, sind erdbebensicherer. Das große Problem birgt aber oft das historische Dorfzentrum, das mancherorts auf das Mittelalter zurückgeht. Gerade die Schönheit dieser kleinen italienischen Dörfer beißt sich mit dem Sicherheitsaspekt der Bauten.Eine große Rolle spielt zudem der Boden, auf dem gebaut wird. Die letzten 30 Meter sind da besonders wichtig. Sand und Ton sind nicht kompakt, wenn ein Gebäude hingegen auf Fels gebaut wird, sind die Auswirkungen eines Erdbebens mit Sicherheit geringer.STOL: Wie erdbebensicher wird in Südtirol gebaut?Carraro: Die meisten Gebäude in Südtirol sind aus Beton gefertigt, nicht aus Stein. Das macht sie erdbebensicherer. Plus: Die meisten Dörfer und Städte wurden, wenn nicht auf Fels und Stein, dann zumindest auf kompaktem Boden gebaut.Interview: Petra Gasslitter