Die Regel 2G+ als isolierte Maßnahme kann die renommierte Wissenschaftlerin nicht empfehlen: Was bringt also tatsächlich einen Erfolg im Kampf gegen die Pandemie? <BR /><BR /><BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="707906_image" /></div> <BR /><BR /><b>In Österreich galt die 2G-Regelung bereits einige Wochen. Welche Erkenntnisse hat man daraus gewonnen?</b><BR />Barbara Prainsack: Die 2G-Regel ist in Österreich eigentlich gut administriert und kontrolliert worden. Auch die Kontrollen in der Gastronomie haben gut geklappt. Aus unseren Untersuchungen ist zudem klar ersichtlich, dass die 3G-Regel am Arbeitsplatz und die 2G-Regel in der Gastronomie sehr viel Unterstützung aus der Bevölkerung erhalten haben. Also es gab für diese Maßnahmen relativ viel Rückhalt aus der Bevölkerung. Das Problem bei der Umsetzung war, dass innerhalb dieser Regelung keine Unterscheidungen gemacht wurden. Ich denke hier etwa daran, dass in Jugendklubs, das Konzept 2G alleine auch recht sicher ist. Die jungen Menschen wurden erst vor kurzer Zeit geimpft und sie haben einen guten Impfschutz. Bei Veranstaltungen, wo ältere Menschen über lange Zeit in einem geschlossenen Raum zusammensaßen – Konzerte, Opern usw. – wäre das Tragen einer Maske immer noch zu empfehlen gewesen. Besonders dort wo, über 80-jährige Personen über mehrere Stunden sind, ist 2G ohne zusätzliche Schutzmaßnahmen nicht ausreichend. Deshalb haben Experten hier schon länger dafür plädiert, in solchen Fällen die Maskenpflicht aufrecht zu erhalten. Aber es gibt noch andere Aspekte, die hier zu beachten sind.<BR /><BR /><b>Welche beispielweise?</b><BR />Prainsack: Man kann jetzt auch argumentieren, dass der Sicherheitszugewinn zwischen 3G und 2G nicht wahnsinnig hoch ist. Aber die 2G-Regel dient einerseits dazu, Menschen noch besser vor dem Risiko einer Infektion zu schützen. Sie dient auch dazu, die Verbreitung einzudämmen, da ein ungeimpfter Infizierter in der Regel viel mehr Menschen ansteckt als eine geimpfte Person. Zudem war ein wichtiger Aspekt der 2G-Regel sicherlich, die Impfrate weiter zu steigern. Das hat in Österreich, laut den Daten, die wir erhoben haben, auch funktioniert. Die endgültigen Zahlen haben wir noch nicht ausgewertet, aber die Teildaten weisen darauf hin, dass wir nach der Einführung von 2G in einigen Regionen wieder viel mehr Erststiche beobachten konnten.<BR /><BR /><embed id="dtext86-51635136_quote" /><BR /><BR /><b>Nun kommt österreichweit erneut ein Lockdown, da die Corona-Zahlen immer weiter steigen. Hat man mit Maßnahmen zu lange gezögert?</b><BR />Prainsack: Da liegt der Fokus eigentlich schon auf den letzten Wochen und Monaten. Experten haben hier seit dem Frühjahr davor gewarnt, die saisonalen Effekte der Pandemie nicht wieder zu unterschätzen. Deshalb hätte schon im Laufe des Sommers wieder ein Grundstock an Maßnahmen gelten sollen. Hier spreche ich sowohl von Bemühungen um eine höhere Impfquote, Ausweitung der Maskenpflicht oder aber Beschränkungen bei Veranstaltungen. Das Steigen der Zahlen hat uns also sicher nicht überrascht. Es gab aber ein Zögern, dass sicher damit zu tun hatte, dass einige der politischen Entscheidungsträger leider auf Populismus und parteipolitisches Kalkül mehr halten, als auf die Warnungen von Experten und die Evidenz der Wissenschaft.<BR /><BR /><b>Von Seiten der Politik wurde eigentlich angekündigt, dass es für Geimpfte keinen Lockdown mehr geben werde. Nun zeigt sich, wieder einmal wurde etwas Versprochen, das nicht gehalten werden konnte. Gibt es so überhaupt noch eine Vertrauensbasis zwischen Politik und Gesellschaft?</b><BR />Prainsack: Ich würde es nicht zu sehr verallgemeinern. Natürlich wurde von vielen Seiten Fehler gemacht – es ist aber auch für die Entscheidungsträger keine einfache Situation. Deshalb würde ich eher sagen, dass von einigen Politikern vermeidbare Fehler gemacht wurden, die nun das Vertrauen der Bevölkerung unterminieren. In unseren Studien sehen wir, dass das Vertrauen der Bevölkerung in die Entscheidungsträger sowohl auf nationaler als auch regionaler Ebene spätestens seit dem Frühjahr kontinuierlich gesunken ist. Die Vertrauensbasis bei dem Teil der Bevölkerung, der sich nicht impfen lassen will, ist ohnehin sehr schlecht. Aber auch der Rest der Gesellschaft verliert an Vertrauen. Sicher auch bedingt durch einen Zickzack-Kurs innerhalb der Politik und einen Fleckenteppich an Maßnahmen, der zu noch mehr Verunsicherung beiträgt. Aber auch davor hat die Wissenschaft schon länger gewarnt.<BR /><BR /><BR /><embed id="dtext86-51635138_quote" /><BR /><BR /><b>Auch in Südtirol steigen die Zahlen und in Italien wird über weitere Maßnahmen diskutiert. Wäre eine Umstellung auf das 2G-Konzept, oder 2G+PCR-Test für Südtirol empfehlenswert?</b><BR />Prainsack: Als isolierte Maßnahme würde ich das für Südtirol nicht empfehlen. Die wichtigste Losung ist auch hier aktuell, Kontakte wo möglich zu reduzieren. Nicht nur unter den Ungeimpften – unter denen aber besonders – sondern auch unter den Geimpften. Außerdem sollten so schnell wie möglich Booster-Impfungen ermöglicht werden. Insbesondere bei Leuten, die 2 Mal mit AstraZeneca geimpft wurden, merkt man nach etwa 4 Monaten schon eine viel geringere Schutzwirkung. Ältere Leute haben zudem häufig einen schlechteren Impfschutz. Vor so einem Hintergrund ist es völlig ungeeignet, auf ein 2G- oder 2G+-Konzept zu setzen, ohne gleichzeitig auch bestimmte Maßnahmen zu ergänzen. Bei 2G+ muss außerdem darauf geachtet werden, dass das Testangebot auch in allen ländlichen Gegenden gerecht und umfassend ist. Also ich würde vor allem dafür plädieren, Booster-Impfungen zu ermöglichen. Ansonsten wäre vieles auch durch „leichtere Maßnahmen“ zu erreichen. Dazu zählen eben die Maskenpflicht, Kontaktreduktion und das Einhalten der Hygienemaßnahmen. So könnte auch schon das teilweise Umstellen auf Homeoffice einen wichtigen Beitrag leisten. Ich bin sicher kein Freund von Lockdowns – und ich würde mir für Südtirol auch keinen wünschen. Wichtig ist aber, dass den Leuten bewusst ist, dass sich auch trotz Impfung immer noch gewisse Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz für sich und ihre Mitmenschen einhalten müssen. <BR /><BR /><BR />