Im Interview mit dem Starjournalisten Bruno Vespa im Rahmen der am Mittwochabend ausgestrahlten Rai 1-Sendung „5 Minuti“ beklagte Sempio den starken Mediendruck, dem er ausgesetzt sei. <BR /><BR />Der 37-jährige Freund von Chiara Poggis Bruder Marco erklärte, er fühle sich wegen des starken Medieninteresses in seiner Bewegungsfreiheit stark eingeschränkt. Sempio gab zu, er fühle sich „ein bisschen verfolgt“ und beklagte „ein gewisses Anfeindungsverhalten“ gegen ihn. Er lebe derzeit wieder in seinem früheren Kinderzimmer bei seinen Eltern, er führe ein Leben wie unter Hausarrest.<BR /><BR />Sempio wies erneut Vorwürfe zurück, wonach familiäre Aufzeichnungen über Anwalts- und Beratungskosten sowie angeblich vorab bekannte Ermittlungsfragen Hinweise auf eine frühere unrechtmäßige Einflussnahme seiner Familie auf die Ermittlungen geben könnten. Auf die direkte Frage Vespas, wer seiner Meinung nach Chiara Poggi getötet habe, antwortet Sempio: „Bis heute ist der Täter Alberto Stasi“. Er bezog sich damit auf frühere Prozesse und Urteile, die Stasi, der Freund von Chiara Poggi, zu 16 Jahren Haft verurteilt haben. <BR /><BR />Der zur Mordzeit 24-jährige Stasi, der die Tat von Beginn weg vehement bestritt, war sowohl in der ersten als auch in der zweiten Instanz wegen Mangel an Beweisen freigesprochen worden. Er hatte zwar kein festes Alibi, aber auch kein überzeugendes Motiv für den Mord. Erst nachdem der Kassationshof in Rom die Freisprüche aufhob und eine neue Beweisaufnahme anordnete, kam es in neuen Prozessen und erst im Jahr 2015 zu einer letztinstanzlichen Verurteilung wegen vorsätzlicher Tötung. Das Strafmaß wurde auf 16 Jahre Gefängnis festgesetzt.<BR /><BR />Jetzt aber sind wieder erhebliche Zweifel aufgetaucht. Möglicherweise sass Stasi die letzten zehn Jahre unschuldig im Gefängnis. Das ist zumindest die Theorie der drei Staatsanwälte in Pavia, die die früheren Ankläger inzwischen abgelöst haben. Sie rollen den Fall seit März neu auf, weil Gewebeproben unter den Fingernägeln von Chiara Poggi dank modernen DNA-Analysemethoden nun eindeutig Sempio, dem besten Freund des Bruders des Mordopfers zugeordnet werden konnten. <BR /><BR />Stasi wurde im April in Halbgefangenschaft entlassen. Sollte er sich wirklich als unschuldig erweisen, müsste ihn der italienische Staat mit einer Millionensumme entschädigen. Die Ermittlungen, die zum Schuldspruch gegen Alberto Stasi führten, waren offenbar zum Teil schlampig geführt worden; zwei beteiligte Carabinieri sind in der Zwischenzeit verurteilt worden.