<b>Interview: Johannes Vötter<BR /><BR />Bevor wir über die „Personalisierte Medizin“ bei Demenz-Erkrankten sprechen, versuchen wir doch, den Begriff quasi „laiengerecht“ zu erklären: Worum geht es genau?</b><BR />Dr. Markus Paulmichl: Tatsache ist, dass der Begriff „Personalisierte Medizin“ oft unterschiedlich verstanden wird – selbst unter Ärzten, die oft sagen: „Wir behandeln unsere Patienten ja individuell.“ Doch das ist nicht das, was unter „Personalisierter Medizin“ bzw. „Pharmakogenetik“ zu verstehen ist. Vielmehr geht es darum, Diagnose, Therapie und Prävention mit dem genetischen Kostüm der Patienten abzustimmen. Im Bereich Therapie ist die Hauptdomäne die Medikamententherapie. Dazu gilt es zudem zu wissen, dass Medikamente in der Leber – dem Entgiftungsorgan unseres Körpers – abgebaut und dann ausgeschieden werden. Das führt dazu, dass bei über einen langen Zeitraum eingenommenen Medikamenten deren Wirkungsgrad und Konzentration im Körper variieren bzw. sich aufschaukeln können. Die Ursache dafür liegt in den Leber-Enzymen, die im Genom des Patienten codiert sind. Kennt man aber eventuelle Mutationen dort, lässt sich die Dosierung präziser gestalten. <BR /><BR /><b>Das erinnert an das Paracelsus-Zitat: „Die Dosis macht das Gift.“</b><BR />Dr. Paulmichl: Genau, je mehr die Konzentration eines Medikaments über dem therapeutischen Spiegel liegt, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass es zu Nebenwirkungen kommt. Mithilfe der Pharmakogenetik und ihrer Erkenntnisse lässt sich dies verhindern und die Dosierung eines Medikaments anpassen oder gar eine geeignetere Alternative verschreiben.<BR /><BR /><b>Und bei Demenz-Erkrankungen: Wo liegen hier genau die Chancen der „Personalisierten Medizin“?</b><BR />Dr. Paulmichl: Das Problem bei „Morbus Alzheimer“ ist, dass es zwar Symptome gibt, aber keine absolut verlässlichen Biomarker, die man für die Diagnose ermitteln könnte. Es gibt sogar bestimmte Medikamente, die bei älteren Patienten mit chronischen Krankheiten Alzheimer-ähnliche Symptome auslösen. Daher ist es so wichtig, den Metabolismus der Patienten zu analysieren, und hier kann die „Personalisierte Medizin“ helfen. Denn: Laut italienischer Medikamentenagentur AIFA sind es etwa 30 Prozent der Patienten über 65, die täglich zehn oder mehr Medikamente gleichzeitig einnehmen. Nun kann aber ein Medikament den Abbau eines anderen Medikaments beeinflussen – und das auf verschiedenste Art. <BR /><BR /><b>Liegt es also an den Hausärzten, quasi im Alleingang die Medikamentierung zu „personalisieren“?</b><BR />Dr. Paulmichl: Allerdings. Ich höre oft den Satz von Kollegen: „Oh, das ist die Zukunft. So wird die Verschreibung für unsere Patienten viel besser.“ Aber Tatsache ist: Wir hier in Südtirol bzw. in ganz Europa hinken hinterher. Als ich in den 1990ern in der US-amerikanischen Mayo-Clinic arbeitete, wurde dort keine Verschreibung ohne pharmakogenetische Analyse am Patienten gemacht. Aber man muss die Kollegen hier auch in Schutz nehmen; im Alleingang ist es kaum möglich, alle pharmakogenetischen Informationen von Patienten zu verarbeiten. Wenn jemand z.B. täglich acht Medikamente – für die es jeweils sechs Alternativen gibt – einnehmen muss, sind wir rein rechnerisch bei 1,5 Millionen Kombinationen. Daher arbeitet die Pharmakogenetik mit speziellen, AI-basierten Algorithmen, die personalisierte Medikamentierungskombinationen in nur wenigen Sekunden generieren.<BR /><BR /><b>Die Realität in den Ambulatorien ist aber eine ganz andere, obwohl man hierzulande vor zwei Jahren die „Personalisierte Medizin“ zu forcieren versuchte. Was wurde daraus?</b><BR />Dr. Paulmichl: Warum das Projekt gestoppt wurde, war für mich nicht wirklich nachvollziehbar. Das eigentliche Ziel wäre ja gewesen, unseren Hausärzten hier zeitnah zu helfen, ohne das traditionelle Arzt-Patienten-Gespräch zu stören. Das hätte die Medikamentenverschreibung wesentlich optimiert.<BR /><b><BR />Beim diesjährigen ASAA-Infotag ging es darum, für „Personalisierte Medizin“ zu sensibilisieren – vor allem Betroffene. Eine bewusste Wahl?</b><BR />Dr. Paulmichl: Ja, die Sensibilisierung von Patientengruppen und ihren Angehörigen ist wesentlich. Die Pharmakogenetik ist in der Fachinformation zu den Medikamenten bereits verankert. Ich selbst war an einer Studie der Europäischen Arzneimittel-Agentur EMA beteiligt, die zeigt, dass zu 37 Prozent der verschriebenen Medikamente <i>(Anm.: in Italien, Österreich und Deutschland sind es ca. 3900 von 13.000)</i> entsprechende Fachinformationen vorliegen. Zu finden u.a. im Kapitel „Warnungen und spezielle Hinweise“. Das bedeutet für die Ärzte, dass damit eine Haftungsproblematik einhergeht. Und als gerichtlich vereidigter Sachverständiger in Österreich kenne ich Fälle, bei denen Nebenwirkungen reklamiert wurden. Patienten und ihre Angehörigen haben das Recht zu verlangen, dass man bei ihnen nicht „herumprobiert“, sondern zielgerecht therapiert.<BR /><BR /><Symbol_Hinweis></Symbol_Hinweis>Hilfe, Rat und Infos für Betroffene gibt es hier: <a href="https://alzheimer.bz.it" target="_blank" class="external-link-new-window" title="">https://alzheimer.bz.it</a>