Ein lockerer Sommer und im Herbst die nächste Welle? Das sagt Markus Falk - Chronik

Wir müssen uns bewusst sein, dass es noch nicht vorbei ist, meint der Wissenschaftler aus Bruneck. Endlich hat Südtirol bei der Wochen-Inzidenz die 50er-Schwelle unterschritten. Wieso hat das so lange gedauert? Markus Falk: Wir liegen genau im berechneten Trend. Es zeigt sich klar, dass die Fallzahlen seit rund 2 Wochen ordentlich eingebrochen sind – seit die Impfrate bei den über 40-Jährigen deutlich hochgegangen ist. Jetzt geht die Inzidenz stark in Richtung 40. Bleibt es so, sollte ISS (Italiens oberstes Gesundheitsbehörde, Anm. d. Red.) in 2 Wochen als weiße Zone einstufen. Selbiges gilt auch fürs Robert Koch Institut, für das Südtirol dann nicht mehr Risikogebiet sein wird. Dafür müssen wir konstant unter der 50er-Inzidenz bleiben? Falk: Ja. Es reicht ein Ausreißer, ein Tag mit einem Inzidenzwert über 50, um all die Anstrengungen zunichte zu machen. Laut derzeitigem Stand ist das zwar eher unwahrscheinlich, weil wir einen ordentlichen Puffer haben. Ohne Corona-Pass als Filter, ist ein Ausreißer aber auch nicht ganz auszuschließen. Es reicht ein Fall wie wir ihn kürzlich im Zuge von Feiern hatten. Der Corona-Pass als Filter? Falk: Während der Pass für den Einzelnen einen praktischen Nutzen hat, gibt er aus epidemiologischer Sicht durch hohe Frequenz und große Anzahl an Tests ein tolles Abbild vom Infektionsgeschehen. Trotz Steigerung der Tests ist die Inzidenz gesunken. War der Rückgang überall gleich hoch? Falk: Nein es gibt große Unterschiede zwischen den Bezirken. Während etwa in Bozen, Lana oder Meran das Infektionsgeschehen Hand in Hand mit der Zahl der Impfungen gegangen ist, war das etwa im Ahrntal oder Innichen nicht der Fall. Wir haben zwar keine Daten, die eine klare Erklärung liefern würden, aber das kann eigentlich nur von einer niedrigen Durchimpfungsrate kommen. Sardinien war weiße Zone, wurde in nur 3 Wochen tiefrot und ist jetzt als eine der ersten Regionen wieder weiß. Hat Südtirol was falsch gemacht? Falk: Nein. Sardinien hat in der ersten Phase als weiße Zone einfach nur so getan, als ob man die Zahlen dafür hätte. Vorarlberg erging es ähnlich. Bei uns sind im selben Zeitraum trotz massiv mehr Tests die Infektionszahlen nicht in die Höhe geschnellt, wir waren gelb. Südtirol wird immer mehr Infektionen haben, als andere. 4 Prozent der Infektionen sind Importfälle, also Infizierte, die weder aus Südtirol stammen, noch hier ansässig sind. Wie blicken Sie auf den Südtiroler Sommer? Falk: Wir müssen uns bewusst sein, dass es noch nicht vorbei ist! Überall dort, wo wir viele Menschen haben, die nicht geimpft oder genesen sind, werden wir auch im Sommer Infektionen haben. Weil es sich dabei meist um jüngere Infizierte handelt haben wir das Problem dann zwar nicht mehr in den Spitälern, aber in den Betrieben. Die müssen sich gewiss auf Krankenstände einstellen. Ein nichtgeimpfter 40-Jähriger läuft nämlich nicht unbedingt Gefahr, im Krankenhaus oder gar auf der Intensivstation zu landen, aber bei der Arbeit fällt er für 2 Wochen aus. In Deutschland warnen Experten bereits vor einer vierten Welle im Herbst. Wie sehen Sie die Situation für Südtirol? Falk: Jetzt von einer vierten Welle zu sprechen finde ich ein wenig hoch gekocht. Auszuschließen ist sie aber nicht. Wir müssen uns bewusst sein, dass wir auch im Herbst trotz Impfung nach wie vor 1500 bis 1900 potenzielle Kandidaten für die Intensivstation haben, weil sie weder geimpft noch genesen sind, sich daher mit Corona infizieren und schwer erkranken können. Das heißt wir müssen vorbauen? Falk: Unbedingt. Alle sind aufgefordert, alles zu unternehmen, dass es nicht mehr so weit kommt. Derzeit haben wir viele Geimpfte, die etwa beim Tragen der Maske nachlässig werden. Aber Vorsicht! Auch Geimpfte können infiziert werden, in der Folge Nichtgeimpfte infizieren, wenn die AHA-Regeln nicht eingehalten werden. Derzeit herrscht bei vielen eine Euphorie, eben weil das Infektionsgeschehen deutlich nachlässt. Aber noch einmal: Überall, wo wir viele Menschen haben, die nicht durch Impfung oder Genesung immunisiert sind, werden wir wieder Infektionen haben. Wiegen sich die Südtiroler in falsche Sicherheit? Falk: Wir dürfen es jedenfalls nicht glaggln lassen. Das wäre völlig falsch. Und ich wäre stark dafür, dass in Risikozonen wie Altenheime oder Krankenhäuser sich auch geimpfte Besucher weiter getestet werden. Wer jetzt behauptet, dass Corona jetzt nur mehr wie ein &bdquo;Grippele“ sei, bei dem man eben mal 2 Wochen in Krankenstand geht, der irrt.