Was im Jahr 1994 als recht waghalsiges Unterfangen startete, ist inzwischen ein Vorzeigeprojekt und einer der größten Arbeitgeber im Burggrafenamt. <BR /><BR /><BR />Die klischeehaften Vorstellungen von einer sozialen Vereinigung darf man ziemlich schnell über Bord werfen, wenn man mit „Albatros“ und vor allem dessen langjähriger Geschäftsführerin Monika Thomaser in Kontakt tritt. Eher wähnt man sich bei Betreten der übersichtlichen Räumlichkeiten in der Meraner Luis-Zuegg-Straße nahe des Pferderennplatzes in einem gewöhnlichen Unternehmen, passend dazu vermittelt Monika schnell den Eindruck einer Managerin, die keine Zeit zu verlieren hat: sachlich, verbindlich, zielgerichtet. <BR /><BR />Recht schnell stellt sich heraus, dass es nur auf diese Art klappen kann, ein waghalsiges Unterfangen, wie es diese 1994 gegründete Sozialgenossenschaft zweifellos ist, auf Kurs zu halten. <BR /><BR /><BR />„Hier braucht es klare Strukturen, Zielsetzungen und Rollenzuteilungen, ansonsten ist man auf verlorenem Posten“, sagt sie freiheraus bei der Erläuterung des Organisationsmodells. Sie selbst verantwortet seit mittlerweile 16 Jahren die wirtschaftlichen und organisatorischen Bereiche, während als pädagogischer Leiter Giampiero Firinu fungiert.<BR /><BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="763991_image" /></div> <BR /><BR /> Diese Trennung der Kompetenzen sei elementar für das Funktionieren von „Albatros“, der Sozialgenossenschaft, die etwa 45 benachteiligte Menschen beschäftigt und seit ihrer Gründung 1994 mehr als 350 Suchtkranke, Menschen mit psychischen oder körperlichen Beeinträchtigungen, Haftentlassene oder Personen mit groben Brüchen in ihrer Biografie in den Arbeitsmarkt integriert haben. <h3> Integration erfordert Geduld und Fingerspitzengefühl</h3>Die Arbeitseingliederung erfolgt anhand einer lebensnahen Begleitung durch ausgebildete Fachkräfte, von denen „Albatros“ rund 30 beschäftigt, sie nehmen sich der betreuten Menschen mit dem nötigen Fingerspitzengefühl an. „Neben fachlichen Fertigkeiten werden soziale Kompetenzen, Teamfähigkeit, Arbeitsrhythmen und weitere grundlegende Dinge des täglichen Lebens trainiert“, zählt Monika die wichtigsten Anforderungen auf. Vorwiegend hat sich die Sozialgenossenschaft auf Dienstleistungen in den Bereichen Gartenbau, Reinigungsarbeiten und Holzarbeiten bzw. Tischlerei spezialisiert. <BR /><BR />Wer selbst mal unfreiwillig arbeitslos war, kann ermessen, wie wichtig eine sinnerfüllte Tätigkeit für das eigene Selbstwertgefühl und eine eigenverantwortliche Lebensgestaltung ist. Vermittelt werden sie von den sogenannten „einweisenden Diensten“, also etwa dem Dienst für Abhängigkeitserkrankungen, dem Zentrum für psychische Gesundheit, den Sozialsprengeln der Bezirksgemeinschaften und der Gerichtsbarkeit.<h3> Problematische Lebenswege</h3>„Eigentlich sollten die benachteiligten Menschen innerhalb von 3 Jahren derart gestärkt sein, dass sie fit für den freien Arbeitsmarkt und ein völlig autonomes Leben sind“, erläutert Monika die Zielsetzung, räumt zugleich ein, dass die Wirklichkeit anders aussieht: „Viele sind und bleiben leider einfach zu schwach dafür.“ Das mag einerseits mit den Anforderungen in der heutigen Arbeitswelt zu tun haben, ist andererseits aber auch oftmals den überaus problematischen Biografien der Betroffenen zuzuschreiben. <BR /><BR />„Viele von ihnen sind in einem Teufelskreislauf gefangen, hatten beispielsweise Suchtprobleme, was sich in der Folge negativ auf ihre engsten Beziehungen und ihre finanzielle Situation ausgewirkt hat“, erklärt Monika ein häufiges Muster. Irgendwann wachsen einem die Probleme über den Kopf, man isoliert sich oder rutscht immer tiefer ab. Der Weg zurück ist schwierig genug, gepflastert von Selbstzweifeln, Ängsten und Rückfällen und deshalb nicht hoch genug einzuschätzen. Zum 25-Jahr-Jubiläum ließ „Albatros“ eine Broschüre drucken mit einigen Lebenswegen von Betroffenen, die diesen beschwerlichen Weg zurück geschafft haben. <BR /><BR /><BR /><embed id="dtext86-54056577_quote" /><BR /><BR /><BR />Da ist beispielsweise der etwas zu leichtgläubige Armin, der als Kind von seiner verwahrlosten Mutter ausgesetzt worden war und von dessen Vater es keine Spur gab. Er wird von einer Bauernfamilie aus Tisens aufgenommen, packt überall mit an, muss aber schnell lernen, auf sich zu schauen. Er arbeitet als Zimmermann und auf dem Bau, wird allerdings aufgrund seiner Gutgläubigkeit oftmals ausgenutzt. <BR /><BR />Immer öfter findet er Gefallen am Feiern, der Bierpudel entwickelt eine fast magische Anziehungskraft. Irgendwann vermittelt ihm der Sozialdienst Lana eine Stelle bei „Albatros“, wo er über 15 Jahre lang Büros reinigt und Kleidung an Bedürftige austeilt. Gerade ihnen versucht er ein Gefühl der Wertschätzung zu vermitteln. Seit 2 Jahren ist Armin in Pension, seitdem wohnt er im Seniorenheim von Lana, leistet den Mitbewohnern Gesellschaft und ist glücklich, dass er auf diese Weise Gutes tun kann. <h3> Schicksalsschlag mit Folgen</h3> Oder da ist Irene. Auch mit ihr hat es das Leben alles andere als gut gemeint. Mit 16 bringt sie ihren ersten Sohn zur Welt, er darf nicht mit seinen Vater in Kontakt treten, weil dieser von Irenes Mutter schlichtweg aus dem Haus verbannt wird. <BR /><BR />Mit 16 Jahren verunglückt Irenes Bub tödlich mit seinem Motorrad. Zuvor hatte sie 2 weitere Kinder mit einem anderen Partner bekommen, allerdings geht diese Beziehung wegen Streitereien über die Aufteilung der Versicherungssumme nach dem Tod ihres ersten Kindes in die Brüche. Irene schlägt sich als Kellnerin und Verkäuferin durch, lässt deshalb die beiden Kinder oft bei ihrer Mutter. <BR /><BR />Als ob dem nicht genug wäre, zieht sie sich eines Tages bei einem Sturz auch noch eine Fraktur des Sprunggelenkes zu, obendrein wird die Operation mehr schlecht als recht durchgeführt. Sie wird schließlich als 50-prozentige Zivilinvalidin eingestuft, blitzt danach bei der Arbeitssuche überall ab. „Niemand wollte mich, es hieß immer nur, ich sei zu alt und zu eingeschränkt“, schildert sie ihre Erfahrungen. <BR /><BR /> Bei „Albatros“ klappt es, 10 Jahre lang ist Irene dort als Putzkraft beschäftigt, außerdem hilft sie in einer Mensa im Kindergarten. Auf diese Weise hat sie neuen Selbstwert und Stabilität bekommen. Auch sie hat mittlerweile das pensionsfähige Alter erreicht. <h3> Echte Kämpfernaturen</h3>Oder da sind auch der Naturmensch Ritschy, der sich von der heutigen Gesellschaft unverstanden fühlt, die aus Albanien stammende Eliona, die mit ihrer 5-köpfigen Familie in einem Monolokal lebt oder aber Antonella, die infolge ihrer Heroinabhängigkeit im Gefängnis landete und der bei „Albatros“ eine verantwortungsvolle Position im Reinigungsbereich übertragen wird. Nur 5 von vielen Werdegängen voller Brüche, Tiefpunkte und Kehrtwendungen, 5 Menschen und ausgesprochene Kämpfernaturen, die exemplarisch die integrative Kraft der Sozialgenossenschaft „Albatros“ aufzeigen. <BR /><BR />Monika Thomaser blickt heute zufrieden auf die Entwicklung zurück, unterstreicht die Motivation der Bereichsleiter und den Rückhalt des Vorstandes mit Franz Kripp an der Spitze, gibt aber auch zu bedenken, wie schwierig es Sozialgenossenschaften dieses Typs grundsätzlich gemacht wird. „Bei öffentlichen Ausschreibungen zum Zug zu kommen, wird immer komplizierter, weil der Preis der alles bestimmende Faktor ist. Wir wollten einen anderen Weg gehen und erwirtschaften heute 75 Prozent unserer Mittel durch Dienstleistungen und Produktverkauf an private Kunden“, erläutert sie die Philosophie von „Albatros“. Unter den Kunden finden sich folgerichtig eine Reihe von Unternehmen, Verbänden und Institutionen aus dem Burggrafenamt und Umgebung. Und so zählt „Albatros“ heute zu den 60 größten Arbeitgebern im Burggrafenamt.<h3> Bewährung am freien Markt</h3>Somit darf Monika Thomaser heute auf eine langjährige erfolgreiche Aufbauarbeit in einem gewiss nicht einfachen Bereich zurückblicken. Nach dem Jusstudium in Innsbruck und einem Master im Bereich Non-Profit-Management in Trient war „Albatros“ die erst zweite Berufserfahrung der heute 47-Jährigen, die in Bruneck aufgewachsen ist. <BR /><BR />„In den Anfängen habe ich sehr viel Zeit in dieses Projekt investieren müssen, mittlerweile schätze ich mich glücklich, normale Arbeitszeiten zu haben“, meint die 2-fache Mutter, die mit ihrer Familie in Meran lebt. Sie mag die Lebensqualität in Meran, fährt meistens mit dem Rad zur Arbeit und macht einen gelassenen, aber auch entschlossenen Eindruck. Jetzt sei die Zeit reif, am Inhaltlichen zu arbeiten, so etwa an Arbeitsintegrationsprojekten, meint sie. Es gebe noch allerhand zu tun und zu verbessern. <BR /><BR />Dies hinterhergeschickt, darf man getrost erwähnen, dass es sich jetzt schon um ein Leuchtturmprojekt handelt.<BR />