<b>Von Christoph Höllrigl</b><BR /><BR />Es wirkt 50-mal stärker als Heroin, 100-mal stärker als Morphin. Das Opioid Fentanyl wird als Schmerzmittel in der Palliativmedizin, Anästhesie oder bei Tumorerkrankungen eingesetzt, wenn andere Medikamente oft nicht mehr helfen. <BR /><BR />Die Verabreichungsform reicht von Pillen über Spritzen bis hin zu Pflastern; missbräuchlich wird Fentanyl auch geschnupft und geraucht. Es wirkt stark schmerzlindernd und sedierend, aber auch euphorisierend. Dauerhafter Konsum kann dazu führen, dass Muskeln versteifen. Wegen des daraus resultierenden Bewegungsmusters spricht man auch von der „Zombie-Droge“.<h3> Krise unvorstellbaren Ausmaßes in den USA</h3>In den USA haben Opioide wie Fentanyl ab den 2010er-Jahren zu einer Krise von unvorstellbarem Ausmaß geführt. Ob als leichtfertig <?Uni SchriftWeite="95ru"> verschriebenes Schmerzmittel oder<?_Uni> als Ersatz zu Drogen wie Heroin: Fentanyl führt zu einer schnellen Abhängigkeit und birgt ein hohes Risiko der Überdosierung. Bereits zwei Milligramm können tödlich sein.<BR /><BR />Die Folge in den USA: Zehntausende Tote pro Jahr. Bereits 2017 hat die US-Regierung deshalb den nationalen Gesundheitsnotstand ausgerufen. In Europa wird indes seit Jahren vor einem Überschwappen der Fentanyl-Welle aus den USA gewarnt.<BR /><BR /><h3> Dr. Meraner: In Italien ganz andere Voraussetzungen</h3>Dr. Bettina Meraner, Primaria des Dienstes für Abhängigkeitserkrankungen in Bozen, weiß um die Brisanz des Themas; nicht zuletzt wurde in Italien im März 2024 von höchster Stelle – dem Ministerrat – ein nationaler Fentanyl-Warnplan ins Leben gerufen. „Fentanyl kostet nicht viel, ist hochwirksam und macht extrem schnell süchtig“, so Dr. Meraner.<BR /><BR /> Die Wirkung sei zwar schnell und stark da, flaue aber ebenso schnell wieder ab, weshalb die Konsumenten es ständig konsumierten: „Das macht das Medikament so gefährlich.“ Die Voraussetzungen in Italien seien aber völlig andere als in den USA, betont Dr. Meraner. Die Krise dort sei zum einen auf den massiv eingebrochenen Heroinschwarzmarkt zurückzuführen, zum anderen auf das viel schwächere US-amerikanische Gesundheitssystem bzw. die dortige Medikamentenverschreibungspraxis.<h3> In Südtirol Problem minimal, nur vereinzelter Missbrauch</h3>Im Hinblick auf Südtirol erklärt sie: „Das Problem, das wir mit Fentanyl haben, ist im Moment minimal. Denn es wird vor allem als Strecksubstanz im Heroin gefunden, weil es weniger kostet.“ Ausschließlich bzw. spezifisch wegen einer Fentanyl-Abhängigkeit sei noch niemand im Dienst für Abhängigkeitserkrankungen vorstellig geworden: „Wir wissen aber, dass bei unseren Patienten vereinzelt Fentanyl zusätzlich missbraucht wird.“ Die US-Krise im Hinterkopf behaltend, gelte es laut Dr. Meraner jedoch auch, große Umsicht walten zu lassen, wenn es um die ärztliche Verschreibung von Fentanyl oder anderen opiathaltigen Schmerzmitteln geht. Gerade in Italien sei es nämlich ein kulturelles Phänomen, „dass sowohl bei Schmerz als auch bei ängstlicher Unruhe massiv zu Medikamenten gegriffen wird“. Durch ein italienweites Frühwarnsystem sei man aber laufend informiert, wenn Substanzen wie Fentanyl gehäuft in einer bestimmten Zone nachgewiesen werden. „Die Situation wird also auf nationaler Ebene und bei uns weiter beobachtet und überwacht. Im Moment kann man nicht sagen, dass es eine beunruhigende Situation wäre“, entwarnt Dr. Meraner.<h3> Dr. Mancini: Leitfaden für Notaufnahmen in Ausarbeitung</h3>Dr. Marco Mancini, geschäftsführender Direktor der Notaufnahme im Brixner Krankenhaus, ist im Südtiroler Sanitätsbetrieb die zuständige Ansprechperson für das <?Uni SchriftWeite="95ru"> Gesundheitsministerium in Sachen<?_Uni> nationaler Fentanyl-Warnplan. Er bestätigt zum Thema Fentanyl-Intoxikationen in der Ersten Hilfe: „Wir hatten bisher in Südtirol noch keinen solchen Fall.“ Dennoch sagt er: „Das wird aber noch kommen.“ Deshalb wird aktuell ein entsprechender Leitfaden ausgearbeitet, der anschließend an alle Notaufnahmen im Land geht. Wichtig sei in diesem Zusammenhang die Empfehlung, so schildert es Dr. Mancini, dass in den Notaufnahmen das Gegenmittel Naloxon vorrätig sei, das bei einer Fentanyl-Intoxikation verabreicht werden könne.<BR /><BR /><h3> In Italien vorbildliches, flächen- deckendes Suchthilfesystem</h3>Positiv stimmt die Primaria des Dienstes für Abhängigkeitserkrankungen in Bozen abschließend ein struktureller Vorteil in Italien, der sich als wirksames Mittel gegen ei<?TrVer> ne Fentanyl-Welle herausstellen könnte: „Bei uns gibt es ein flächendeckendes Suchthilfesystem, das es so in Amerika, aber auch in Deutschland nicht gibt.“ Gemeint sind damit per Gesetz definierte Anlaufstellen, wie es eben der Dienst für Abhängigkeitserkrankungen in Bozen ist. Dieser könne durchaus Leben retten, „weil der Zugang kostenlos, anonym und unbürokratisch ist und man ohne Vorurteile schnell von Experten behandelt wird.“