Im Interview beleuchtet die Historikerin aus St. Pauls unterschiedliche Friedhofssatzungen, aktuelle Entwicklungen und den Wert der Friedhofskultur für unsere Gesellschaft. <BR /><BR /><b>Frau Kössler, welchen Wert hat die Friedhofskultur in Südtirol heute?</b><BR />Wally Kössler: In meinen Augen nimmt die Friedhofskultur in Südtirol nach wie vor einen großen Stellenwert ein. Das ist vor allem aus der Wertschätzung und der Pflege der Gräber ersichtlich. Darum kümmern sich in der Regel die Hinterbliebenen, sehr wohl achtet das örtliche Friedhofskomitee auf das Gesamtbild und gibt die verwaltungstechnischen Regeln vor. Diese können von Ort zu Ort recht unterschiedlich ausfallen.<BR /><BR /><BR /><b>Was für Regeln fallen hier besonders ins Auge?</b><BR />Kössler: Ich denke etwa an die Familiengräber, die von einer Generation zur nächsten weitervererbt werden. Diese werden von der jeweiligen Familie gepflegt und bezahlt. Letztlich bestimmt die Familie auch darüber, wer darin bestattet werden darf. In der Gemeinde Eppan wird es großteils so gehandhabt. In anderen Dörfern dagegen bekommt jeder Verstorbene ein eigenes Grab, sodass Ehepaare mitunter weit voneinander entfernt bestattet werden. In vielen Friedhofssatzungen ist auch sehr klar festgehalten, dass die letzte Ruhestätte nur Ortsansässigen vorbehalten ist. Ein weiteres Beispiel für unterschiedliche Regeln ist die Gestaltung der Gräber und des Friedhofs als Ensemble. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1232571_image" /></div> <BR /><b>Das bedeutet, dass manche Friedhöfe ein einheitlicheres Bild abgeben als andere?</b><BR />Kössler: Richtig. In einigen Dörfern sind nur Metallkreuze erlaubt, so etwa in Feldthurns, Kastelruth oder Villanders. Natürlich ergibt das ein schönes Gesamtbild. Auf der anderen Seite erlauben Friedhöfe mit einer weniger rigorosen Friedhofsordnung eine persönlichere Auswahl. Das Ensemble wirkt dann lebendiger und bunter. Gute Beispiele sind die Friedhöfe in der Gemeinde Eppan oder jene in den meisten Südtiroler Städten. <BR /><BR /><BR /><b>Was sagt die Grabpflege über den Stellenwert der Verstorbenen aus?</b><BR />Kössler: Friedhöfe sind Orte des Innehaltens und des Gedenkens, nicht umsonst werden sie als letzte Ruhestätten bezeichnet. Die Hinterbliebenen kommen, um zu trauern, ein Kerzl anzuzünden und vielleicht auch, um ein Zwiegespräch mit dem Dahingeschiedenen zu halten. Als Bestattungsplätze unserer Toten sind sie wichtige Zeugnisse der menschlichen Zivilisation. In dieser Hinsicht erfüllen sie vor allem eine religiös-kultische Funktion, nicht umsonst kennen wir diesen heiligen, geweihten Ort noch als Gottesacker. Zusätzlich dazu dienen sie der öffentlichen Hygiene. <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1232574_image" /></div> <BR /><b>Durch die Inschriften an den Grabsteinen wird stets auch ein wenig Familiengeschichte ersichtlich, oder?</b><BR />Kössler: Jeder Friedhof ist immer auch Familiengeschichte, Dorfgeschichte und letzten Endes Kulturgeschichte. Das zeigt sich allein schon an den vielen Künstlern, welche bei der Gestaltung der Gräber im Einzelnen bzw. der letzten Ruhestätte im Allgemeinen mitgewirkt haben. Ich denke hier etwa an die verstorbenen Bildhauer Martin Rainer, Karl Grasser, Ignaz Gabloner oder Otmar Winkler. Wenn wir die historische Dimension beleuchten, dann wurde der Friedhof in den ländlichen Gemeinden stets um die Kirche herum angelegt und durch Mauern abgegrenzt. Einer der ersten Friedhöfe außerhalb des Kirchenareals ist jener von St. Pauls, der bereits 1571 angelegt wurde. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1232577_image" /></div> <BR /><b>Und heute, welche aktuellen Entwicklungen sind feststellbar?</b><BR />Kössler: Mir fällt auf, dass heutzutage von Friedhofserweiterungen kaum noch die Rede ist. Vor 30 Jahren dagegen war das noch ein wichtiges Thema, reihenweise haben sich damit auch Architekten beschäftigt. Der Grund ist vorwiegend in der zunehmend beliebten Urnenbestattung zu suchen. Diese Bestattungsform hat an stark an Bedeutung gewonnen, hierbei sind die Gemeinden gefragt, Platz für die Urnengräber zu schaffen. Die dafür vorgesehenen Wandnischen werden als Kolumbarien bezeichnet. Außerdem werden kleine Zonen ausgewiesen, auf denen die Asche der Verstorbenen verstreut werden kann. Interessant finde ich zudem, wie stark sich Gräber von italienischen Verstorbenen von jenen der deutschsprachigen abheben. Italiener haben eine grundlegend andere Vorstellung von der Grabpflege, ihre Gräber sind oftmals beladen mit Dekor und persönlichen Andenken. <BR /><BR /><BR /><b>Sprechen wir von Grabpflege, dann sollten auch die vielen Friedhofsgärtner erwähnt werden …</b><BR />Kössler: Natürlich. Ohne die vielen Friedhofsgärtner würde so manches Grab vernachlässigt werden. Sie werden zumeist von den Familien mit der Grabpflege beauftragt. Eine andere wichtige Figur ist der Friedhofswärter, der eine Art Bindeglied zwischen Priester und dem Bestattungsunternehmer darstellt. Bei Todesfällen wird er kontaktiert und kümmert sich um die Zuweisung und den Aushub der Gräber. <BR /><BR /><BR /><b>Welche Friedhöfe in Südtirol sprechen Sie als Historikerin im besonderen Maße an?</b><BR />Kössler: In dieser Hinsicht fällt mir der Friedhof in Sexten mit den Totentanz-Fresken und dem besonderen Aufgang ein oder der Friedhof in Laas mit den Grabsteinen aus Marmor ein. Sicherlich auch jene mit den schmiedeeisernen Kreuzen wie in Villanders und Kastelruth oder der Friedhof in Karthaus in Schnals mit den Grabkreuzen der Künstler Martin Rainer und Friedrich Gurschler.