<b>Herr Cappello, woher kommt Ihre Liebe zur Musik?</b><BR /><KeinAbsatz></KeinAbsatz>Andreas Cappello: Die musikalische Ader habe ich sicher von meiner Mutter. Mit sieben Jahren besuchte ich die Musikschule Meran. Es war das erste Jahr, dass dort Klavierunterricht angeboten wurde. Dann war es Mary Kebath, meine Klavierlehrerin, die mich in das stilistische Empfinden der verschiedenen Epochen eingeführt hat. Ein Schlüsselerlebnis war mein erster Konzertbesuch im Pavillon des Fleurs, bei dem der Pianist Detlef Kraus auftrat. Als Zugabe spielte er „Jesus bleibet meine Freude“ von Bach. Ein richtiges Tränendrüsen-Stück. Noch am selben Abend habe ich mir vom Pianisten die Platte gekauft und diese dann die ganze Nacht gehört. Damals besuchte ich die erste Klasse Oberschule.<BR /><BR /><KeinAbsatz></KeinAbsatz><b>Waren Sie in Zeiten der Pop- und Rockmusik nicht ein Außenseiter?<BR /></b><KeinAbsatz></KeinAbsatz>Cappello: Ich habe genauso Pop- und Rockmusik gehört wie auch Jazz – Genesis, Black Sabbath, Uriah Heep, Deep Purple, Jimi Hendrix, Janis Joplin, Oscar Peterson, das Trio Jacques Loussier, auf und nieder. Mein Bruder hörte nur das. So bin ich mit dieser Musik in Kontakt gekommen. <BR /><BR /><KeinAbsatz></KeinAbsatz><b>Sie haben eine große Sammlung an Schallplatten an Klassik und Jazz. Wie das?</b><BR /><KeinAbsatz></KeinAbsatz>Cappello: Mit zwei Schulfreunden sind wir jede Woche donnerstags nach Bozen ins damalige Centro Disco und jeder von uns hat sich wöchentlich mit dem Taschengeld eine Schallplatte gekauft, die wir dann unter uns Dreien ausgetauscht haben. So konnte ich das Repertoire und die verschiedenen Interpretationen kennenlernen. Das hat mich geschult und davon zehre ich heute bei meiner Arbeit als künstlerischer Leiter des Festivals.<BR /><BR /><KeinAbsatz></KeinAbsatz><b>Was wäre für Sie eine Welt ohne Musik?<BR /></b><KeinAbsatz></KeinAbsatz>Cappello: Sie hätte nichts mit dem menschlichen Leben zu tun. Was den Menschen von anderen Lebewesen unterscheidet, ist, dass er nicht nur existenziell überleben will, sondern er will dem Leben einen tieferen Sinn geben. Der Mensch braucht Struktur, Ordnung und er hat ein Gefühl für Ästhetik. Genau das bietet die Musik. Sie gibt Sicherheit, weil sie eine Struktur hat. Gerade Jugendliche, die sich von der Geborgenheit der Familie loslösen, brauchen Sicherheit und die finden sie in der Musik. Im Grunde ist man immer auf der Suche nach Ordnung und Sicherheit. Natürlich, das allein ist es nicht. Sinn, Glück und Würde kann das Leben nur durch soziales und kulturelles Engagement erreichen. Das unterscheidet den Menschen von anderen Lebewesen. Kultur ist vielleicht nicht systemrelevant, wie es in Corona-Zeiten geheißen hat, aber sie ist gesellschaftsrelevant. <BR /><BR /><b><KeinAbsatz></KeinAbsatz>Singt ein künstlerischer Leiter unter der Dusche?</b><BR /><KeinAbsatz></KeinAbsatz>Cappello: Ich war nie ein guter Sänger, ich habe eine prekäre Stimme – aber unter der Dusche ... <BR /><BR /><KeinAbsatz></KeinAbsatz><b>40 Jahre Musikwochen/Südtirol Festival. Woher diese Energie weiterzumachen bzw. wann wollen Sie Ihr Kind in andere Hände geben?</b><BR /><KeinAbsatz></KeinAbsatz>Cappello: Das wird irgendwann kommen. Die Energie kommt daher, dass es nichts Schöneres als die Musik gibt und Meran optimale Voraussetzungen hat, so ein Festival durchzuführen. Ein Festival, wo nahezu alle verschiedenen Musikrichtungen Platz finden. Wir haben den Kursaal, der immer bewundert wird, das Stadttheater, den Pavillon des Fleurs, einzigartige Kirchen und Schlösser, in denen man ein differenziertes Musikprogramm anbieten kann. Dazu kommt auch die Freude, dies in der eigenen Stadt machen zu können, in der man aufgewachsen ist, und wo man viele Musikfreunde persönlich kennt. Es war uns deswegen immer wichtig, die Einheimischen miteinzubeziehen, was uns durch die verschiedenen Abonnements gelungen ist. Meran ist eine kleine Stadt und wir haben immer gesagt, wir brauchen Gäste und Einheimische, damit das Festival zum Erfolg wird.<BR /><BR /><KeinAbsatz></KeinAbsatz><b>Bei der Präsentation der 40. Ausgabe erstickten Tränen immer wieder Ihre Stimme. Sind Sie so nah am Wasser gebaut?</b><BR /><KeinAbsatz></KeinAbsatz>Cappello: Je nachdem schon. <BR /><BR /><KeinAbsatz></KeinAbsatz><b>Wovon hängt es ab?</b><BR /><KeinAbsatz></KeinAbsatz>Cappello: Es war nicht immer so. Ich glaube, es ist ein bisschen das Alter, die Lebenserfahrungen, die einen empfindsamer machen. Ich habe keinen Grund, traurig zu sein. Damals bei der Pressekonferenz war der Auslöser die Dankbarkeit, so etwas 40 Jahre lang machen zu können mit diesen Ressourcen. Denn ohne die vielen Unterstützer wäre das nicht 40 Jahre zu stemmen gewesen. Es wird einem bewusst, dass die Weichenstellung im Leben eine andere hätte sein können. Auch die Dankbarkeit, in Meran zur Welt zu kommen – anderswo beispielsweise gibt es diese Voraussetzungen nicht. Eben das Glück, wofür man selbst nichts kann, zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort zu leben. <BR /><BR /><KeinAbsatz></KeinAbsatz><b>Wie war das vor 40 Jahren, war das Festival Ihre Idee?</b><BR /><KeinAbsatz></KeinAbsatz>Cappello: Nein, das Festival war nicht meine Idee. Ich wollte eigentlich eine Wintersaison mit guten Konzerten organisieren. So bin ich als 21-jähriger Klavierstudent in die Kurverwaltung gepilgert – in roten Schnürlsamthosen, mit einer handgenähten Stoffumhängetasche aus einem kunterbunten Jugendstilstoff. Worauf eine Mitarbeiterin im Ökonomat meinte: Der wird heute zum ersten und letzten Mal seinen Fuß in die Kurverwaltung gesetzt haben.<BR /><BR /><KeinAbsatz></KeinAbsatz><b>Aber es sollte ganz anders kommen ...<BR /></b><KeinAbsatz></KeinAbsatz>Cappello: Der damalige Präsident der Kurverwaltung war Hermann Schnitzer. Er hatte den Mut, mir für die vorgeschlagene Konzertreihe nicht nur einen Beitrag zu geben, sondern ich sollte diese im Auftrag der Kurverwaltung organisieren. Damit hatte ich kein finanzielles Risiko mehr. <BR /><BR /><KeinAbsatz></KeinAbsatz><b>Ganz so harmonisch war das erste Zusammentreffen zwischen dem Studenten und dem Kurverwaltungspräsidenten aber nicht ...</b><BR /><KeinAbsatz></KeinAbsatz>Cappello: Ganz im Gegenteil. Beim ersten Aufeinandertreffen mit Hermann Schnitzer sagte er zwar: Du bist einer von jenen, die bei den Konzerten der Kurverwaltung von der Loge pfeifen, aber im gleichen Atemzug hat er mir mit Augenzwinkern angeboten, die Konzerte im Auftrag der Kurverwaltung zu organisieren, und er hat mir sein eigenes Büro, also das Büro des Präsidenten, als Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt. <BR /><BR /><KeinAbsatz></KeinAbsatz><b>Wie kam es dann zu den Meraner Musikwochen?</b><BR /><KeinAbsatz></KeinAbsatz>Cappello: Das war im Jahr darauf. Die Idee zum Festival hatte Hermann Schnitzer, der 1986 zum 150-jährigen Jubiläum der Kurstadt eine internationale Veranstaltung ins Leben rufen wollte. Albert Catell, ein Dirigent aus New York, hätte die künstlerische Leitung übernehmen sollen. Dieser hat aber bis Ostern kein Programm geliefert. So kam ich dazu wie die Jungfrau zum Kind. Nach der Wintersaison hatte Hermann Schnitzer gesehen: Alles geht nicht daneben. Er war mutig, einem so jungen ,Bua‘ den Auftrag zu erteilen. Ich war eine Notlösung. Wäre es schief gegangen, wäre es für alle Beteiligten peinlich gewesen.<BR /><BR /><KeinAbsatz></KeinAbsatz><b>Warum wollen international renommierte Orchester und Solo-Künstler überhaupt in Meran, in der Provinz, auftreten?</b><BR /><KeinAbsatz></KeinAbsatz>Cappello: Ich weiß nicht, was der Hauptgrund ist. Ich denke, es ist eine Summe verschiedener Faktoren. Es gibt in Europa wenige Festivals, die große Orchester einladen können, eines ist das Südtirol Festival Meran. Die Orchester wissen, dass in Meran die besten Orchester auftreten und dass sie sich hier mit den Besten messen müssen. In Meran spielen sie beinahe um die Wette. Musiker kennen unser Programm. Sie wissen, dass sie eben nicht in der Provinz, sondern dort auftreten, wo auch die anderen international bedeutenden Orchester und Musiker auftreten. Sie wissen auch, dass es nicht ein isoliertes Konzert ist, sondern ein renommiertes Festival und sie wollen wiederkommen. Der schöne Saal und die schöne Stadt tragen auch dazu bei – das hat sich herumgesprochen. <BR /><BR /><KeinAbsatz></KeinAbsatz><b>Und in der Szene kennt Andreas Cappello ...</b><BR /><KeinAbsatz></KeinAbsatz>Cappello: Sie wissen, dass in Meran alles funktioniert. Und das Netzwerk, das es braucht, das haben wir. Es ist doch ganz klar, wenn morgen ein anderer im Namen des Festivals anruft, dann hat er genauso offene Türen.<BR /><BR /><b><KeinAbsatz></KeinAbsatz>Warum gehen Sie bei Konzerten immer hinter Säulen in Deckung?</b><BR /><KeinAbsatz></KeinAbsatz>Cappello: Ich sitze ganz seitlich und habe keinen fixen Sitzplatz. Ich muss das Startzeichen geben und muss mobil sein, daher sitze ich im Kursaal am liebsten hinter einer Säule.<BR /><BR /><KeinAbsatz></KeinAbsatz><b>Kritisiert wurde 2018 die Umbenennung von Meraner Musikwochen in Südtirol Festival. Wieso verabschiedete man sich von einer Marke?</b><BR /><KeinAbsatz></KeinAbsatz>Cappello: Aus rein praktischen und werbestrategischen Gründen. Ich war erstaunt über die Kritik, denn mir war gar nicht bewusst, dass wir eine festgefahrene Marke sind (lacht). Unsere alte Bezeichnung war für Suchmaschinen im Internet auch nicht geeignet. Viele Festivals haben den Namen geändert. Die Internationalen Musikfestwochen Luzern wurden z. B. zu Lucerne Festival. Im Zuge der Internationalisierung war diese Namensänderung notwendig.<BR /><BR /><b>40 Jahre Seite an Seite mit Hermann Schnitzer: Hand aufs Herz, nie Reibereien?</b><BR /><KeinAbsatz></KeinAbsatz>Cappello: Nie. Es ist unglaublich, deshalb muss ich es betonen: Es hat nie eine Differenz gegeben. Wir hatten auch verschiedene Ideen, aber wir haben immer im Konsens gearbeitet. Ich war gut beraten, ihn zu fragen, und seine Meinung hatte und hat für mich Gewicht. Es zählt die Entscheidung des Präsidenten, denn er hält den Kopf hin. Es muss klar sein, wer die letzte Instanz ist. Dabei haben wir einen verschiedenen Background. Er ist der Touristiker, ich der Musiker. Für ihn war der Tourismus wichtig, aber er hatte auch die Überzeugung, dass das Festival keine Ghetto-Veranstaltung für Touristen werden darf. Für mich als Studenten war das auch klar, deshalb haben wir das Abo für Einheimische zur Bedingung gemacht. In künstlerischen Belangen habe ich ihn nur gefragt, wenn ich einen Zweifel hatte. <BR /><BR /><b><KeinAbsatz></KeinAbsatz>Welche Licht- und Schattenseiten haben Sie, welche Präsident Schnitzer?</b><BR /><KeinAbsatz></KeinAbsatz>Cappello: Treibende Kraft des Festivals ist Hermann Schnitzer. Er spielt selbst Klavier, hat ein riesiges Netzwerk, organisatorisches Talent, Mut und Umsetzungsvermögen. Er hat Visionen, ist ein hervorragender Kommunikator, der andere Menschen durch Kompetenz und Optimismus motivieren kann. Ich bin eher ein ruhiger Mensch. Ich suche mir nicht die Arbeit, ich bin von Natur aus bequem. Wenn mir aber jemand einen Auftrag erteilt, dann will ich es auch gut machen. Ich war immer lokal ausgerichtet, er immer mehr international. Hermann Schnitzer wollte, dass das Festival Mitglied der Europäischen Festivalvereinigung wird. Er ist der Botschafter nach außen. Die Kontakte zu den Künstlern und die Programmgestaltung sind mein Bereich. Die Formate habe ich vorgeschlagen, dann haben wir sie gemeinsam entwickelt, er hat mich immer unterstützt.<BR /><BR /><b><KeinAbsatz></KeinAbsatz>Präsident Hermann Schnitzer meinte einmal: ,Andreas Cappello und ich sind ein Duett.‘ Wie lange wird es noch das Duett Schnitzer/Cappello geben?</b><BR /><KeinAbsatz></KeinAbsatz>Cappello: So Gott will, noch sehr, sehr lange.<h3> Zur Person</h3>Andreas Cappello, Jahrgang 1962, ist ein waschechter Meraner. Nach der Matura am Klassischen Lyzeum erlangte er 1987 das Diplom im Fach Klavier am Konservatorium von Bozen. Von 1983 bis Ende 2023 war er als Klavier- und Musiklehrer im „Gymme“ Meran tätig. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1200843_image" /></div> <BR />„Das Unterrichten hat mir Freude gemacht und mich geerdet. Meine Schüler haben mich immer auf den Boden der Realität gebracht und sie waren in einer Altersgruppe, die mich fasziniert hat“, sagt er. Andreas Cappello ist verheiratet und hat eine Tochter (15). Er reist gerne, „aber viel zu wenig, weil ich selten wegkomme. Und ich verbringe gerne Zeit mit meiner Familie“.