Anfang 1947 brach der Kalte Krieg zwischen der Sowjetunion und dem Westen offen aus. US-Präsident <b>Harry S. Truman</b> sicherte damals öffentlich allen vom Kommunismus bedrohten Ländern die Hilfe der USA zu. Ganz oben auf der Liste stand Italien. Im Januar hatte man dem italienischen Ministerpräsidenten <b>Alcide De Gasperi</b> bei dessen Besuch in Washington bereits 100 Millionen Dollar (nach heutigem Wert 1 Mrd. Dollar) zugesagt, Ende März empfahl das zuständige Gremium, die italienische Wirtschaft mit beträchtlichen Dollarhilfen anzukurbeln, um so die italienische Gesellschaft gegen kommunistische Verführungen zu immunisieren.<BR /><BR />Am 5. Juni hielt dann US-Außenminister <b>George Marshall</b> seine berühmte Rede an der Harvard-Universität, die zum Ausgangspunkt des Marshallplans wurde, den Italiens KP-Führer <b>Togliatti</b> als Versuch der USA bezeichnete, Italien zu einer <i>„Basis für einen Atomkrieg“</i> zu machen. Italien würde 1,6 Mrd. Dollar Marshallplan-Gelder bekommen. Das war allerdings zu spät für die Parlamentswahlen am 18. April 1948. Und bis dahin verschärfte sich die Lage in Italien zusehends. <BR /><BR />Das Land durchlief die härteste Zeit seit Kriegsende. Die Zahl der Arbeitslosen stieg, gleichzeitig wurde wochenlang gestreikt, es gab Schießereien, Verletzte und Tote; Parteibüros gingen in Flammen auf. Hinter allem standen die KPI und die kommunistische Gewerkschaft, die gegen den Marshallplan agierten. Italiens Botschafter in Washington, <b>Alberto Tarchiani</b> (Bild unten), wies am 16. September 1947 im State Department auf die kommunistische Gefahr hin und dass Togliatti versuchen könnte, in Norditalien eine kommunistische Regierung zu errichten. De Gasperi sprach von offenem Aufruhr und warnte: <i>„In Italien riecht es ätzend nach Bürgerkrieg.“</i> Für den Winter 47/48 erwartete er einen kommunistischen Aufstand und forderte von Washington Panzer, Geschütze und Raketenwerfer.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="887435_image" /></div> <h3><BR /><BR /><BR />In Washington schrillen die Alarmglocken</h3>Dort schrillten die Alarmglocken. Im State Department hieß es: <i>„Über das letzte Ziel der kommunistischen Partei Italiens besteht kein Zweifel: Dieses Ziel ist die totale Unterwerfung Italiens unter sowjetische Kontrolle.“</i><BR /><BR />Das musste um beinahe jeden Preis verhindert werden. Für den Fall, dass es dennoch zu einem kommunistischen Umsturz kommen sollte, wurde beschlossen:<BR /><BR /> amerikanischen Streitkräfte im Mittelmeerraum; <BR /> der legalen Regierung De Gasperi jetzt schon Stationierung von Truppen in dem von der Regierung kontrollierten Gebiet – als ein Zeichen der Stärke und der Unterstützung der Regierung;<BR /> der Regierung Stationierung von ausreichend Truppen auf Sizilien und/oder Sardinien, um diese beiden strategisch wichtigen Inseln in jedem Fall zu halten.<BR /><BR />De Gasperi oder sein Nachfolger sollte dann in Palermo oder Cagliari residieren.<BR /><BR />Der kommunistische Putsch in Prag am 25. Februar 1948 schien dann alle Befürchtungen mit Blick auf die Sowjetunion zu bestätigen. Sogar ein Krieg schien jetzt nicht mehr ausgeschlossen. Am 10. März gab US-Präsident Truman den Befehl, die von De Gasperi gewünschten Waffen umgehend zu liefern.<BR /><BR />Die Kriegshysterie in Washington schwappte dann allerdings nicht in voller Stärke auf Rom über. De Gasperi hatte nämlich inzwischen Republikaner und Sozialdemokraten ins Regierungsboot holen können und war jetzt zuversichtlich, dass es bei den Wahlen am 18. April keinen Sieg der Kommunisten geben würde. <BR /><BR />Über die Bedeutung dieses Tages waren sich allerdings alle einig. Der italienische Botschafter in London formulierte es so: <BR /><i>„Der 18. April 1948 ist nicht nur für Italien, sondern für ganz Europa ein historisches Datum.“ </i><h3>Die Amerikaner mischen sich ein</h3>Der Wahlkampf wurde <i>„beinahe wie ein Krieg“</i> geführt, wie es im Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ hieß. Und in diesen Wahlkampf mischten sich die Amerikaner wie nie zuvor ein. Sie zogen alle Register:<BR /><BR /> gab 29 italienische Schiffe zurück, die im Krieg beschlagnahmt worden waren. <BR /> Tage vor der Wahl kündigte er extra Getreidelieferungen für 8 Millionen Dollar an.<BR /> berall in Italien hingen Poster mit folgender Botschaft:<BR /><i>„Das Brot, das wir essen: Es besteht aus 40 Prozent italienischem Mehl und 60 Prozent kostenlosem amerikanischen Mehl.“</i><BR /> trugen die Aufschrift: <i>„Dieser Zug fährt dank amerikanischer Hilfe.“</i><BR /> trugen die Aufschrift:<i> „Amerikanische Wirtschaftshilfe = Brot und Arbeit.“</i><BR /><BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="887438_image" /></div> <BR /><BR /><BR /><BR /><BR /><BR /><BR /><BR />Der US-Botschafter in Rom, <b>James Dunn</b> (im Bild oben), begrüßte unermüdlich mit entsprechendem Medienaufwand einlaufende amerikanische Schiffe mit Weizenlieferungen und anderen Rohstoffen. Am letzten Tag vor der Wahl stand folgende Botschaft von ihm in den Zeitungen:<BR /><i><BR />„Das amerikanische Volk hat Italien vor dem Verhungern,</i><i>dem Chaos und möglicher Beherrschung von außen gerettet.“</i><BR /><BR />US-Justizminister <b>Tom Clark</b> verkündete: Es sei eine Wahl zwischen <i>„Demokratie und Kommunismus, zwischen Gott und Gottlosigkeit, zwischen Ordnung und Chaos“.</i><BR /><BR />Die CIA organisierte eine Kampagne gegen KPI-Mitglieder und stellte 1 Million Dollar (andere Quellen sprechen von 10 Millionen) DC-Migliedern zur Verfügung.<BR /><BR />In den USA war das <b>Committee to Aid Democracy in Italy</b> besonders aktiv. 16 Prozent der Italiener hatten Verwandte in den USA, 6 Millionen Italo-Amerikaner gab es dort, die insgesamt 10 Millionen Briefe mit vorformuliertem Text an Verwandte, Bekannte und Freunde in Italien verschickten, die mit sogenannten Freedom Flights nach Italien gebracht wurden. Die Botschaft darin war unmissverständlich:<BR /><b><BR />1.</b> Ein Sieg der Kommunisten wird Italien ruinieren.<BR /><b>2.</b> Die USA werden ihre Hilfe einstellen (das hatte US-Außenminister Marshall öffentlich gesagt).<BR /><b>3.</b> Industrieanlagen werden als Reparationen nach Russland gehen.<BR /><b>4.</b> Und – und das war noch schlimmer –: Mitglieder der KPI dürften nicht mehr in die USA einwandern; und wer für die KPI stimmen würde, auch nicht mehr.<BR /><BR />Ein Friendship Train sammelte in den USA Geschenke; anschließend fuhr der Zug durch Italien, wo die Geschenke dann verteilt wurden.<BR /><BR />Berühmte Italo-Amerikaner wie <b>Frank Sinatra</b> engagierten sich in Rundfunksendungen, Hollywood-Größen sammelten Geld für Waisenkinder für im Krieg gefallene italienische Piloten. Die <b>Voice of America</b> sendete täglich auf Kurzwelle nach Italien (wo 1,2 Millionen diese Sendungen empfangen konnten).<BR /><BR />Der Film spielte eine noch viel größere Rolle. Die USA stellten zahllose Propagandafilme über das westliche System und den Marshallplan, auch Hollywoodstreifen, zur Verfügung. Etwa „Ninotschka“, eine Satire von <b>Ernst Lubitsch</b> und <b>Billy Wilder</b> über das eher triste Leben in der Sowjetunion, mit <b>Greta Garbo</b> in der Hauptrolle. Angeblich haben das im April 1948 ca. 5 Millionen Italiener pro Woche gesehen.<h3> „Für oder gegen Christus“</h3>Auch die katholische Kirche fehlte nicht. <i>„Für oder gegen Christus“</i> lautete der einprägsame Slogan. Der italienische Episkopat erklärte, was eine Todsünde sei, nämlich für die Volksfront aus Kommunisten und Sozialisten zu stimmen. Kommunisten, so der <b>Erzbischof von Mailand</b>, sollte die Absolution verweigert werden. <b>Papst Pius XII.</b> verdammte den Kommunismus. Der Erfinder des populären „Don Camillo und Peppone“, der Schriftsteller <b>Giuseppe Guareschi</b>, schoss mit seinem Spruch den Vogel ab: <i>„Gott sieht dich in der Wahlkabine, Stalin nicht.“</i><BR /><BR />Und wenn das alles nicht half?<BR /><BR />Amerikanische und britische Kriegsschiffe lagen in italienischen Häfen vor Anker. Deren Botschaft konnte man im Nachrichtenmagazin „Time“ lesen:<BR /><i>„Die USA sollten klarstellen, dass sie notfalls Gewalt anwenden werden, um zu verhindern, dass Italien kommunistisch wird.“</i> Man werde antikommunistische Kräfte ermuntern, so der Nationale Sicherheitsrat in Washington, <i>„die Konsolidierung der kommunistischen Herrschaft in Italien zu verhindern, sogar auf die Gefahr hin, einen Bürgerkrieg zu entfesseln“</i>.<h3>Die Niederlage der Linken</h3>Das wäre wohl auch geschehen, war aber nicht nötig. <i>„Die italienische Bevölkerung hatte begriffen“,</i> so schrieb damals „Der Spiegel“, <i>„dass dieser 18. April ein Schicksalstag nicht nur für sie, sondern für die ganze Welt war.“</i><BR /><BR />De Gasperi und seine Democrazia Cristiana siegten auf der ganzen Linie. Selbst in den Industriezentren des Nordens, den bisherigen roten Hochburgen Italiens, überflügelten sie vielfach die kommunistische Volksfront. Im konservativen Süden des Landes hatte sowieso jeder ihren Erfolg erwartet.<BR /><BR />In Washington hieß es, dieser Sieg sei <i>„noch bedeutender für die Bekämpfung des Kommunismus in Europa als der Marshallplan“. </i>Erst 2017 wurde bekannt, dass die CIA bis Anfang der 1960er Jahre mit jährlich 5 Millionen Dollar für <i>„verdeckte Operationen“</i> weiter in Italien aktiv war.<h3>Südtirol und der 18. April 1948</h3>Für die Südtiroler hatte der 18. April noch eine besondere Bedeutung: Zum ersten Mal durften auch sie wählen, und zwar nicht nur die etwa 30.000 „Dableiber“, sondern auch die Mehrheit jener etwa 130.000 „Optanten“.<BR /><BR />Im Wahlkampf fuhr SVP-Generalsekretär <b>Otto von Guggenberg</b> schweres Geschütz auf: <i>„Es geht um Sein oder Nichtsein des christlichen Abendlandes“. </i>Und für die Südtiroler darüber hinaus um Sprache, Schule, Volkstum, Sitten und Gebräuche, jahrhundertelange Tradition. Er beschwor seine Landsleute: <i>„Wie es eure heilige Pflicht ist, Südtiroler, eure Ideale, eure christliche Weltanschauung gegen die Mächte der Vernichtung zu verteidigen, ebenso heilige Pflicht ist es, eure Heimat euren Kindern, eurem Volke zu erhalten. Nur wenn ihr die Edelweiß-Liste wählt – und nur dann – tut ihr eure Pflicht voll und ganz.“</i><BR /><BR />Der <b>Fürstbischof von Brixen, Johannes Geisler,</b> wurde mit seinen <i>„Weisungen an die Seelsorger“</i> der wichtigste Wahlhelfer. Nur die SVP und die DC entsprächen den Forderungen der kirchlichen Autorität: <i>„Es können also die Gläubigen mit ruhigem Gewissen vom religiösen Standpunkt aus einer dieser Parteien die Stimme geben.“</i><BR /><BR />Die SVP siegte auf der ganzen Linie und schickte 5 Vertreter nach Rom, unter ihnen <b>Toni Ebner</b> als jüngster Abgeordneter der römischen Kammer.*<h3> Zur Person</h3><div class="img-embed"><embed id="887441_image" /></div> <BR /><BR />Rolf Steininger war langjähriger Leiter des Instituts für Zeitge- schichte der Universität Innsbruck; <a href="https://www.rolfsteininger.at/" target="_blank" class="external-link-new-window" title="">www.rolfsteininger.at</a><BR />Buchtipp: Rolf Steininger, Toni Ebner 1918–1981. Eine politische Biografie, Bozen 2018<BR />Bestellen: www.athesiabuch.it<BR /><BR /><BR /><BR /><BR />