11. September 1973: Das Militär putscht gegen Chiles Präsidenten Salvador Allende, der darufhin. Selbstmord beging. Augusto Pinochet errichtet anschließend eine brutale Diktatur.<BR /><h3> Die CIA scheitert</h3><BR />Am 4. September 1970 würden in Chile Präsidentschaftswahlen stattfinden. Es gab 3 Kandidaten: 2 konservative und den erklärten Marxisten <b>Salvador Allende.</b> Der hatte sich schon bei der Wahl 1964 beworben, war aber vom Christdemokraten und pro-amerikanischen <b>Eduardo Frei</b> geschlagen worden. Der damalige US-Außenminister Dean Rusk hatte dessen Wahlsieg einen „Sieg der Demokraten“ und <Kursiv>„teilweise das Ergebnis der guten Arbeit der CIA“</Kursiv>genannt. Das sollte sich jetzt wiederholen. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="938062_image" /></div> <BR /><BR /><BR />Kissinger bewilligte 165.000 US-Dollar für die Anti-Allende-Operation, aber deren Arbeit war diesmal nicht gut, US-Botschafter Edward Korry in Santiago nannte sie <Kursiv>„armselig“</Kursiv>. Allende erhielt 36,2 Prozent der Stimmen; das waren zwar nur etwa 1,5 Prozent mehr als seine Rivalen, aber der Kongress würde laut Verfassung den Kandidaten mit der größten Mehrheit zum Präsidenten ernennen, also Allende. <BR />Korry meldete nach Washington: „<Kursiv>Es ist eine betrübliche Tatsache, dass Chile den Weg zum Kommunismus mit der Zustimmung von wenig mehr als einem Drittel der Bevölkerung angetreten hat, aber das ist eine unumstößliche Tatsache.“</Kursiv><BR />Präsident Nixon war außer sich. Kissinger:<i>„Die Wahl Allendes berührte unsere nationalen Interessen in Südamerika. Das Entstehen eines zweiten kommunistischen Staats in der westlichen Hemisphäre konnten wir nicht ohne weiteres hinnehmen.“</i> Das musste verhindert werden.<BR /><h3> Die CIA scheitert erneut</h3><BR />Am 15. September erhielt CIA-Direktor <b>Richard Helms</b> von Nixon die klare Anweisung, alles zu tun, um eine Machtergreifung Allendes zu verhindern. 10 Millionen Dollar stünden zur Verfügung, notfalls mehr, „um für einen Aufschrei der chilenischen Wirtschaft zu sorgen“. 48 Stunden später legte Helms Kissinger, über den von nun an die „Operation Allende“ lief, einen entsprechenden Plan vor.<BR /><BR /><BR />Die CIA teilte die Operation in „Track I“ und „Track II“ ein. Track I sah politische Maßnahmen und wirtschaftlichen Druck vor, in der Hoffnung, genügend Stimmen im chilenischen Senat zu kaufen, um Allendes Ernennung zu verhindern, notfalls auch President Frei zu einem Verfassungsbruch zu überreden. Track II hieß Militärputsch. Bis Ende September brachte Track I wenig, Frei würde nicht mitmachen. Blieb Track II. Am 6. Oktober ging folgendes Telegramm an das CIA-Büro in Santiago:<BR /><BR /><BR /><b>„Nehmen Sie Verbindung zu den Militärs auf und lassen Sie sie wissen, dass die Regierung der USA eine militärische Lösung anstrebt und dass sie jetzt und in Zukunft unsere Unterstützung haben. (…) Schaffen sie zumindest eine für Putschabsichten günstige Atmosphäre. Leisten Sie einer militärischen Aktion Vorschub.“</b><BR /><BR /><BR />Entgegen Kissingers Anweisungen erfuhr Botschafter Korry von diesem Telegramm und war entsetzt. Am 9. Oktober wies er Kissinger auf die Verfassungstreue der chilenischen Militärführung hin, die nicht Teil eines von den Amerikanern organisierten Putsches sein wolle und sich auch nicht bestechen lasse. Ein großer Teil der Offiziere werde Allende akzeptieren und gleichzeitig seine Politik überwachen. Korry warnte: „Jeder Versuch unsererseits, aktiv einen Putsch zu betreiben, könnte zu einem Schweinebucht-Desaster führen.“ [ die gescheiterte Invasion auf Kuba im April 1961]<BR /><BR /><BR />Botschafter Korry war ein ehemaliger Korrespodent der United Press International und noch von Präsident Kennedy ernannt worden. Im Weißen Haus galt seine Stimme daher nicht besonders viel. (Er wurde später entlassen und erhielt als „gefährlicher Mann“, der offensichtlich zu viel wusste, keinen neuen Job.) <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="938065_image" /></div> <BR /><BR /><BR />Die CIA-Zentrale hatte inzwischen einen putschwilligen General ausgemacht: <b>Roberto Viaux.</b> Der wollte den Generalstabschef, den verfassungstreuen General <b>Rene Schneider,</b> entführen, den Kongress auflösen und ein Militärregime errichten. Die CIA-Station Santiago warnte: <Kursiv>„Das wäre eine Tragödie für Chile und für die freie Welt. Ein Putsch unter Viaux hätte nur ein riesiges Blutbad zur Folge.“</Kursiv><BR /><BR /><BR />Am 15. Oktober ließ Kissinger Viaux fallen. Zu Nixon meinte er: <i>„Es ist ziemlich hoffnungslos. Ich habe die Sache abgeblasen. Nichts ist schlimmer als ein gescheiterter Umsturz.“</i><BR /><BR /><BR />Am grundsätzlichen Plan änderte sich allerdings nichts. Am <Kursiv>16. Oktober</Kursiv> ging folgendes Telegramm an die CIA-Station Santiago: <i>„Es ist unsere feste, unveränderte Strategie, Allende durch einen Putsch zu stürzen. Es wurde festgestellt, dass ein Putschversuch allein durch Viaux und mit den ihm derzeit verfügbaren Kräften scheitern würde. Drängen Sie ihn, seine Planungen auszudehnen. Drängen Sie ihn, seine Kräfte mit anderen, die einen Putsch planen, zu vereinigen.“</i><BR /><BR /><BR />Versuche, Schneider zu entführen, scheiterten am 19. und 20. Oktober, am 22. Oktober war ein Attentat auf ihn allerdings erfolgreich. Er starb am 25. Oktober. <BR /><BR /><BR />Nach diesem Attentat war der Kongress entschlossener denn je, nach demokratischen Regeln Allende zum Präsidenten zu wählen. Das geschah am 24. Oktober 1970 mit 153 zu 35 Stimmen, nachdem er Garantien zur Einhaltung der Verfassung gegenüber Parlament und Militär abgegeben hatte. Später nannte er dies eine „taktische Notwendigkeit“, die nichts an seiner grundsätzlichen Überzeugung geändert habe, dass es einen revolutionären Umsturz geben müsse: <i>„Damals kam es vor allem darauf an, die Regierungsgewalt zu übernehmen.“</i><BR /><h3> Allendes Sozialismus scheitert</h3><BR /><?Bereich TagName="Bild"_> <BR /><BR />Die nutzte Allende in den folgenden 3 Jahren, um das sozialistisch-marxistische Programm seiner Partei umzusetzen: Agrarreform, völlige Verstaatlichung der US-Kupferminen, der Banken, der Textil-, Chemie- und Zementindustrie, Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit China, Korea, Kuba und der DDR. <BR /><BR />Im Sowjetstil wurden Farmen kollektiviert, die dann allerdings nicht mehr genug Nahrungsmittel produzierten, die daraufhin eingeführt werden mussten (von 19 Prozent 1970 auf 35 Prozent 1972). Im Januar 1973 mussten 40 Grundnahrungsmittel rationiert werden. Chiles Haupteinnahmequelle war das Kupfer (80 Prozent des gesamten Ausfuhrvolumens). Die Minen waren allerdings in amerikanischem Besitz. Allende verstaatlichte sie entschädigungslos. Die Inflation stieg auf 300 Prozent. Von Januar bis Juli 1973 streikten die 9000 Arbeiter der größten Kupfermine El Tiente, im Sommer die Transportarbeiter. Alles zusammen führte zu einem weitgehenden Zusammenbruch der Wirtschaft.<BR /><BR /><BR />Gleichzeitig intensivierte Allende die Beziehungen zu Kuba. Deren Botschaft in Santiago war die größte auf der Welt, mit mehr Personal als das chilenische Außenministerium. Und Chile wurde mehr und mehr zum Sammelpunkt aller linken Flüchtlinge aus ganz Südamerika.<BR /><BR /><BR />Im Februar 1973berichtete der österreichische Botschafter <b>Adolf Hobel:</b><i>„Vor allem hält sich der Staatschef selbst in vieler Hinsicht weder an die von ihm beschworene Verfassung noch an die Gesetze.“</i> ( Berichte 2023 von G. Oberkofler veröffentlicht.) <BR /><BR /><BR />Und im Juni: <i>„Es bestehen Verhältnisse, die weder als sozial noch als gerecht bezeichnet werden können. Eine Anarchie bringt die Wirtschaft an den Rand des Abgrundes. Tägliche Gewaltanwendung der Exekutive auch gegen unbeteiligte Unschuldige im Sinne von Weisungen der Regierung und die Predigt des Hasses bringen das Land immer mehr und mehr in Gefahr eines Bürgerkrieges.“</i><BR /><BR /><BR />In einem weiteren Telegramm im Juni heißt es: <i>„Chile kann jetzt vielfach nicht mehr als Rechtsstaat bezeichnet werden. Es ist überaus bedauerlich, dass dieser einzige südamerikanische Musterstaat in nicht viel mehr als 2 Jahren auf diesen Stand erniedrigt wurde.“</i> Und an anderer Stelle: <i>„Es riecht nach Friedhof, der Geruch einer sich auflösenden Demokratie.“</i><BR /><BR /><BR />Für September 1973 plante Allende ein Plebiszit, um damit seine Präsidentschaft abzusichern. Und hatte zuvor einen schweren Fehler gemacht, nämlich eine inoffizielle Truppe geschaffen, die sich „Freundeskreis des Präsidenten“ nannte. Fidel Castro unterstütze diese Truppe. <BR /><h3> Der Putsch</h3><BR /><div class="img-embed"><embed id="938068_image" /></div> Am 11. September 1973 putschte das Militär unter Führung von General <b>Augusto Pinochet.</b> Der Putsch begann am frühen Morgen am Marinestützpunkt in Valparaiso. Im ganzen Land und in der Hauptstadt Santiago schlossen sich zahlreiche Truppen dem Umsturz an. Als Allende die Forderung der Putschisten nach Rücktritt und das Angebot für freies Geleit ins Exil ablehnte und seinerseits in einer Rundfunkansprachen zum Widerstand aufrief, wurde der Präsidentenpalast bombardiert und von den Putschisten angegriffen. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="938071_image" /></div> <BR /><BR />Rund 200 Angehörige der Wache leisteten erbitterten Widerstand. In der Schlussphase beging Allende Selbstmord – mit einer Waffe, die ihm einst Castro geschenkt hatte. In ganz Santiago entbrannten gleichzeitig schwere Kämpfe zwischen Soldaten und bewaffneten Arbeitern, gegen die das Militär mit großer Härte vorging. Die Kämpfe forderten über 1500 Todesopfer. 3 Tage nach dem Putsch hatte das Militär die Lage in Chile weitgehend unter seiner Kontrolle. Pinochet errichtete anschließend eine brutale Diktatur, die bis zu seinem Tod 1990dauerte und von den USA unterstützt wurde. <BR /><h3> Die Rolle der USA</h3><BR />In der Woche nach dem 11. September fanden im Senat in Washington die Anhörungen zur Bestätigung von Henry Kissinger zum Außenminister statt. Zum Putsch befragt, meinte Kissinger, die US-Regierung habe absolut nichts damit zu tun gehabt. Ein Jahr später wiederholte er das vor einem Senatsausschuss und ergänzte, die Regierung habe nichts davon gewusst. Das schrieb er auch noch so in seinen „Memoiren“.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="938074_image" /></div> <BR /><BR />Der Putsch wurde 1975/76 noch einmal in einem Sonderausschuss des US-Senats aufgearbeitet. Das nach seinem Vorsitzenden, dem demokratischen Senator <b>Frank Church</b> aus Idaho genannte Church-Committee kam zu dem Schluss, es habe keine direkte Einmischung der USA gegeben. Erst 30 Jahre später wurden die CIA-Aktivitäten von 1970 bekannt, vor allem aber auch ein Telefonat, das Nixon und Kissinger am 16. September 1973, 5 Tage nach dem Putsch, geführt hatten. Kissinger: „Wir waren nicht beteiligt.“Aber: „Ich meine, wir haben ihnen [den Putschisten] geholfen – wir haben die größtmöglichen Voraussetzungen [für den Putsch] geschaffen.“<BR /><BR /><BR /><b>Zur Person:</b> Rolf Steininger war langjähriger Leiter des Instituts für Zeitgeschichte der Universität Innsbruck – www.rolfsteininger.at