Im Mittelpunkt des umfassenden Projektes steht die im 18. Jahrhundert in Innsbruck tätige Gelehrtengemeinschaft „Academia Taxiana“. Gegründet wurde diese im Jahr 1738 vom legendären Tiroler Universalgelehrten Anton Roschmann, der auch der erste Universitätsbibliothekar der Universität Innsbruck war. <BR /><BR />In jenen Jahren gelang es ihm, zahlreiche einflussreiche Persönlichkeiten seiner Zeit – Politiker, hohe Beamte, Kirchenvertreter, Intellektuelle – aus dem Raum des historischen Tirol zum Zwecke des geistigen Austausches um sich zu scharen. Kaiserin Maria Theresia ließ ihn und seine Mitstreiter gewähren und erkannte die eigens ins Leben gerufene Rechtskörperschaft an. Somit konnte diese angesehene Gelehrtengemeinschaft für etwa 20 Jahre ihren regen Aktivitäten nachgehen. <BR /><BR />„Diese einflussreichen Männer haben sich üblicherweise an den Freitagnachmittagen im Palais des Grafen Leopold von Thurn und Taxis in Innsbruck getroffen und sich gegenseitig ihre Forschungen in Form von kurzen knackigen Vorträgen – sogenannten Dissertationen – vorgestellt“, umreißt Isabella Walser-Bürgler den Austausch. In der Regel haben sie dafür eine Art handschriftliches Exposé angefertigt.<BR /><BR /> Das Interesse der Gelehrten galt der damaligen Geschichtswissenschaft in all ihren Teilbereichen: Religion, Mathematik, Politik bis hin zur Archäologie und Hageographie (Erforschung von Heiligen). Sogar mit der Berichtigung von Legenden und Sagen – etwa jene vom Wiltener Drachen – hatte sich der Männerzirkel befasst. <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="905566_image" /></div> <BR /><BR /><BR />„Diese Gelehrtengemeinschaft hat die Geschichte als Wissenschaft ins historische Tirol gebracht, dabei mit neuartigen Methoden wie der Quellenkunde sowie dem Studium von Artefakten gearbeitet“, sagt die Innsbrucker Forscherin und fährt fort: „Sie hat wesentlichen Anteil daran, dass die Tiroler Geschichte im 18. Jahrhundert im Vergleich zu anderen Regionalgeschichten so gut aufgearbeitet war und schließlich von Tirol aus die empirischen Methoden nach Süddeutschland und Norditalien weiterverbreitet wurden.“ <BR /><BR />Der Treffpunkt der „Academia Taxiana“ war in Innsbruck, jedoch fanden sich dabei einflussreiche Persönlichkeiten aus dem gesamten historischen Tirol – also dem Gebiet des heutigen Nordtirol, Südtirol und Trentino – für den intellektuellen Austausch ein, weiß Isabella Walser-Bürgler. Später bereicherten auch Männer aus Wien, Bayern und Salzburg diesen elitären Zirkel, einer von ihnen war beispielsweise Christoph Anton Migazzi, Politiker von hohem Range.<BR /><BR />Nun wird sich Isabella Walser-Bürgler mit ihrem kleinen Forschungsteam der Aufarbeitung der vorhandenen Handschriften und historischen Quellen dieser außergewöhnlichen Gelehrtengemeinschaft widmen. „Wir suchen auf dem Gebiet des historischen Tirol den großen Schriftkorpus der Academia zusammen, wobei in Südtirol und in Trient und Rovereto sicherlich reichlich Recherchearbeit auf uns wartet“, blickt sie voraus. <h3> Künstliche Intelligenz hilft mit</h3>Vorerst starte man mit 75 sogenannten Dissertationen, außerdem kommen Mitgliederlisten dazu sowie die Protokolle der Treffen. Dabei stützt man sich auf die neuesten digitalen Forschungsmethoden: Ein eigens entwickelter Algorithmus macht es möglich, sämtliche Handschriften und somit mehr als 100 Seiten automatisch zu transkribieren und in der Folge auf einer Datenbank online zur Verfügung zu stellen. Beim verwendeten Online-Tool handelt es sich um die KI-gestützte Plattform Transkribus. <BR /><BR />Klassische Quellenkritik wird also mit den Möglichkeiten der modernen Digitalisierung aufgearbeitet. „Dieses Projekt ist dem noch jungen Feld der neulateinischen Studien zuzurechnen, die Mitglieder der Academia schrieben und unterhielten sich in der damals noch gebräuchlichen Gelehrtensprache Latein“, ordnet die ausgebildete Altphilologin und Projektleiterin am Ludwig Boltzmann-Institut für Neulateinische Studien in Innsbruck ein. <BR /><BR />„Mit den Forschungsergebnissen möchten wir unseren Beitrag leisten für das Bewusstsein rund um das historische Tirol und die damals erbrachten Leistungen“, skizziert die Forschungsleiterin das 3-jährige Projekt, das vom Österreichischen Wissenschaftsfonds FWF bewilligt worden ist. Sie blickt bereits mit viel Neugier auf die umfangreiche Arbeit, denn schließlich werde die „Academia Taxiana“ viel über das Leben, die Erkenntnisse und die Herrschaftsverhältnisse der genannte Epoche preisgeben. Gut möglich, dass dann so manches historische Kapitel über Tirol neu geschrieben werden muss.<BR />