Wie er als Frankreichs höchster Staatsmann ganz Europa eroberte, lesen Sie hier.<BR /><BR /><BR /><BR />von Othmar Parteli<BR /><BR />Seine Lebensdaten sind bekannt: Geboren am 15. August 1769 in Aiacciu auf Korsika, kam bereits der 9-Jährige ins Collège von Autun und in die Militärschule Brienne-le-Château, und 5 Jahre später an die École Militaire du Champs-de-Mars. Ab Oktober 1785 diente er als Offizier im Régiment de la Fère und trat in Paris im Zuge der großen Revolution (Juli 1789) militärisch erfolgreich auf. 1793 zum Brigadegeneral ernannt, übernahm er 3 Jahre darauf das Kommando der französischen Armee in Italien – zuvor hatte er Josephine Beauharnais geheiratet –, leitete 1798/99 den Ägyptenfeldzug und stieg, wieder in Frankreich zurück, im Zuge des Staatsstreiches vom 18. Brumaire 1799 (9. November) für 10 Jahre zum Ersten der insgesamt 3 Konsuln auf.<h3> Siegeszug durch Europa</h3>In dieser Rolle verfügte er über die höchste Gewalt im Staat: Er leitete die Außenpolitik, entschied über Krieg und Frieden, ernannte die Beamten und verfügte über das alleinige Recht, Gesetze zu beantragen. Am 2. Dezember 1804 krönte er sich in Paris zum erblichen Kaiser der Franzosen, nachdem zuvor alle juridischen Voraussetzungen in seinem Sinne geschaffen worden waren, und stellte sich ein Jahr später an die Spitze des Königreiches Italien. Auf dem Zenit der Macht angelangt, bildeten die kommenden Jahre eine einzige Siegesserie gegen England, Österreich, Deutschland und Russland. Am 2. Dezember 1805 wurden die Heere Österreichs und Russlands in der Dreikaiserschlacht von Austerlitz buchstäblich zerrieben, was zum Friedensschluss von Preßburg führte, der neben anderem bestimmte, dass Tirol an Bayern abgetreten werden musste. In weiterer Folge kam es zur vernichtenden Niederlage der preußischen Armee. 1808 wandte er sich gegen Spanien, was nicht so reibungslos lief, zumal er dort auf Lord Wellington stieß, der dann in der Schlacht von Waterloo primär dazu beitragen sollte, ihn für immer auszuschalten.<BR /><BR />In die Zeit der spanischen Offensive fiel 1809 eine neuerliche Auseinandersetzung mit Österreich, das ihm bei Aspern und Essling eine große Niederlage zufügte, die er einige Wochen später wieder wettmachte, indem er in Wagram siegte. Dennoch bekam die Erscheinung Napoleon erstmals Risse, die nicht zuletzt in Tirol verursacht wurden durch seine mehrmaligen Siege am Bergisel. In diese Zeit fielen seine Scheidung von Josephine Beauharnais, die ihm keine Kinder geboren hatte, was für die Zukunft der „Dynastie Bonaparte“ zwingend notwendig gewesen wäre, und die Gefangennahme von Papst Pius VII. (beides 1809), seine Eheschließung mit Maria Louise von Österreich (1810), und die ersehnte Geburt eines Thronfolgers (1811), dem der Vater bereits in der Wiege den Titel <i>König von Rom</i> zusprach.<h3> Der Russlandfeldzug</h3>Alles in allem steuerte der Korse aber in zunehmender Verkennung realer Vorgaben seinem Abgesang zu. 1812 setzte er nämlich rund 600.000 Mann, von denen nicht unerhebliche Teile von Österreich, Preußen, Italien und den Rheinbundstaaten zu stellen waren, gegen Russland in Bewegung, in deren Verlauf es zwar zu verlustreichen Siegen bei Smolensk und Borodino und zum Einmarsch der napoleonischen Truppen in Moskau kam, als Moskau, nach russischer Art in Situationen der Ausweglosigkeit, plötzlich in Flammen aufging. Dadurch war das Winterquartier für die nachschubbedingt stark geschwächten Soldaten verloren, sodass Napoleon den Rückzug begann, den ihm neben Hunger, Schnee, Eis und Kälte vor allem ein partisanenähnlicher Widerstand der Bevölkerung bis aufs Äußerste erschwerte. <h3> Von der Völkerschlacht von Leipzig bis Waterloo</h3>Maximal 30.000 Mann der einst mächtigen Russlandarmee vermochten unter größten militärischen Verlusten im November 1812 die Beresina in Richtung Westen zu überschreiten, als Napoleon nach Paris eilte, um neue Truppen auszuheben. Die Rechnung ging jedoch nicht auf, weil sich das Blatt wendete. Seine bisherigen Verbündeten versagten ihm die Gefolgschaft, Preußen schloss mit Russland ein Bündnis, dem sich England und Schweden und Österreich und sogar Bayern anschlossen, und so kam es Mitte Oktober 1813 zur Völkerschlacht von Leipzig, die für Napoleon verlustreich endete. Dies und weitere Niederlagen im französischen Kerngebiet bewirkten, dass er am 4. April 1814 den Hut nahm. Er wurde jedoch großzügig behandelt, indem er die Insel Elba als Fürstentum erhielt, eine Jahresapanage von 2 Millionen Francs zugesprochen bekam und 800 Mann seiner Garde behalten konnte.<BR /><BR />Inzwischen war im September 1814 der Wiener Kongress zur Neuordnung Europas eröffnet worden, als Napoleon im März 1815 wieder nach Frankreich kam, im Triumph nach Paris zog und die <i>Herrschaft der Hundert Tage</i> begann. Dies hatte zur Folge, dass die Verbündeten von Leipzig ihre Koalition erneuerten und gegen Napoleon zogen, was am 18. Juni 1815 zur Schlacht von Waterloo führte, in der Napoleon vollkommen unterlag. Erneut zog er daraus die Konsequenzen. Am 22. Juni 1815 dankte er zum 2. Mal ab und wurde, unter dem Schutz Englands, als auf die Insel St. Helena im Südatlantik gebracht, wo er im <i>Longwood House</i> Quartier bezog (dieses Gebäude, seit 1858 im Staatsbesitz Frankreichs, ist heute der Amtssitz des französischen Konsuls).<h3> … der einst die Welt ...</h3>Die Öffentlichkeit Europas ließ den verbannten Korsen nie ganz aus dem Auge, was in den Zeitungen, auch in den tirolischen Blättern, seinen Niederschlag fand. So zitierte der „Bothe für Tirol und Vorarlberg“ am 17.5.1821, zeitverschoben um jene Wochen, die ein Schiff für die Bewältigung des langen Seeweges nach Europa damals benötigte, aus Briefen, <i>welche ein Handelsschiff aus St. Helena vom 1. März</i> (1821) überbracht hatte, denen zufolge sich <i>Bonaparte … sehr wohl befindet,</i> wogegen dasselbe Blatt 11 Tage später schrieb, dass es Napoleon <i>Berichten aus St. Helena vom 8. März zufolge</i> nicht gut ginge, weil er angeblich <i>an der Wassersucht</i> erkrankt sei. Sein Zustand verschlechterte sich sehr rasch, denn Ende April 1821 – dem „Bothen für Tirol und Vorarlberg“ folgend – <i>hätten die Ärzte Bonaparte aufgegeben.</i> Kommentierend fügte das Blatt hinzu: <i>Welches Schicksal, nach so vielem Ruhme, so vieler Macht und Glanz, das Daseyn auf einem Felsen, verlassen von der ganzen Welt, zu enden. Einige in seinem Unglücke treu gebliebene Freunde, dieß ist alles, was dem Außerordentlichen noch übrig bleibt, der einst die Welt zittern machte.</i> Effektiv war es so, dass Napoleon Bonaparte am 5. Mai 1821 auf St. Helena starb.<h3> Napoleon… athmet nicht mehr auf dem Weltball...</h3>Die europäische Öffentlichkeit registrierte die Nachricht mit einem Gefühl des Bedauerns, in erster Linie aber der Erleichterung, wofür für die Donaumonarchie die „Brünner Zeitung“ zitiert sei, die auf der Titelseite vom 24.7.1821 schrieb: <i>Seit der Schlacht bey Waterloo, welche die Ketten der Knechtschaft zerbrach, und den Völkern Europa´s wieder ihre Unabhängigkeit schenkte, ist keine wichtigere Nachricht … als die gestern in England angekommene. Napoleon … athmet nicht mehr auf dem Weltball, den er mit Schrecken erfüllte.</i><BR /><BR />Napoleons Leichnam wurde im Tal der Geranien beigesetzt, ungeachtet seines Wunsches, <i>an den Ufern der Seine, inmitten des französischen Volkes, das ich so sehr geliebt habe,</i> bestattet zu werden. Der Gedanke, dies bei günstig sich bietender Gelegenheit zu verwirklichen, verblasste nie, und so war es im Jahre 1840 so weit, dass er realisiert werden konnte, nachdem England dem Drängen des (Bürger)königs Louis Philipp nachgegeben und in eine Überführung der sterblichen Überreste Napoleons nach Frankreich eingewilligt hatte. So wurde seine Leiche auf St. Helena exhumiert und von der Fregatte <i>Belle Poule</i> in einer 6-wöchigen Fahrt nach Cherbourg gebracht, von wo aus sie mit dem Dampfboot <i>Normandie</i> seineaufwärts bis Paris geführt wurde. Die Frage, wo Napoleon beigesetzt werden sollte: im Pantheon, in der Madeleine, im Arc de Triomphe de l'Etoile, in der Siegessäule an der Place Vendôme, in der Basilika von Saint Denis, wo viele französische Könige liegen – beschäftigte die französische Öffentlichkeit damals über Gebühr. In einem „gewöhnlichen Königsgrab“ bestattet zu werden war Napoleon jedoch nach Ansicht des amtierenden Innenminister Charles M. Tanneguy Duchâtel nicht zumutbar, und so entschied man sich für den Invalidendom im Quartier des Invalides.<h3> Triumphale Bestattung</h3>In einem an Pomp kaum überbietbaren Triumphzug – ein Gespann von 16 Rappen zog den 10 Meter hohen Wagen mit goldenen Rädern – geleitete La Grande Nation den Sarg am 15. Dezember 1840 vom Arc de Triomphe über die Champs-Élysées dorthin, wo er seitdem ruht. Allerdings erst seit 1861 in jenem monumentalen Grabdenkmal aus rotem Quarz mit mehreren ineinander geschachtelten Särgen und aufgesetzt auf einem Sockel aus grünem Granit. Bis dahin dauerten nämlich die Umbauarbeiten des Gebäudes zu einem Brennpunkt der Glorifizierung der französischen Geschichte. Umgeben von 12 Siegesgöttinnen aus Marmor und markiert von 10 Flachreliefs, die die Leistungen seiner Regierung vom <i>Code Civil</i> bis zum Handelsgesetzbuch dokumentieren, ruht in unmittelbarer Nähe zu ihm seit rund 80 Jahren auch sein Sohn, der glücklose Napoleon II., der mit 21 Jahren starb und als Sohn seiner habsburgischen Mutter Marie-Louise in der Wiener Kapuzinergruft bestattet worden ist. Im Dezember 1940 veranlasste Hitler in Erinnerung an die Überführung Napoleons hierher vor 100 Jahren die Verlegung seines Sohnes in den Invalidendom, dem er selbst Ende Juni 1940 einen Besuch abgestattet hatte.<h3> Napoleon und Südtirol</h3>Aus der Perspektive unseres Landes bleibt mit dem Namen Napoleon für immer verknüpft, dass er, unbeschadet vom Ausgang des in Mantua angesetzten Prozesses, die Hinrichtung von Andreas Hofer verordnete, und dass seine Politik ein Faktum schuf, dessen Wirkung, wenngleich ihn dies auch nur indirekt berührt, unser Land bis zum heutigen Tag fordert.<BR /><BR />Im Zuge der Errichtung des Königreiches Italien durch den Kaiser der Franzosen und der Angliederung der südlichen Teile unseres Landes, wurden diese im Sinne französischer Tradition und Gewohnheiten <i>département du Haut-Adige,</i> im Italienischen <i>dipartimento dell'Alto Adige,</i> benannt. Nach der Wiederherstellung der früheren politischen Zustände verschwand dieser Begriff von der Bildfläche, zur Mitte des 19. Jahrhunderts belebten ihn jedoch italienische Irredentisten und stellten ihn in den Dienst ihrer Zwecke. Vor allem war es dann Ettore Tolomei, der ihn salonfähig machte und entscheidend dazu beitrug, dass er im Faschismus offiziellen Charakter erlangte. Bei diesem offiziellen Charakter ist es geblieben, auch nachdem das faschistische Regime gestürzt war, und so wurde der Begriff <i>Alto Adige</i> als italienische Bezeichnung für Südtirol in die offizielle Nomenklatur der Nachkriegszeit übernommen, und fand in der Folge Eingang in alle Gesetze des demokratischen Italiens, darunter auch ins 1. und ins 2. Autonomiestatut der Jahre 1948 und 1972.