Die Entwicklung im Nahen Osten ist bis heute geprägt von dieser Erklärung. „Die Balfour-Deklaration hat den Juden die Pforte Palästinas geöffnet“, sagte der deutsche Generalkonsul in Jerusalem, Erich Nord, anlässlich der Palästinenserunruhen im Jahr 1929.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="827618_image" /></div> <BR />Am 2. November 1917 schickte der britische Außenminister A<b>rthur James Balfour</b> folgenden Brief an den Präsidenten der Zionistischen Föderation in Großbritannien, Lord Lionel Walter Rothschild:<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="827621_image" /></div> <BR /><i>„Lieber Lord Rothschild,<BR />ich habe die große Freude, Ihnen im Namen der Regierung Seiner Majestät die folgende Sympathieerklärung für die jüdisch-zionistischen Bestrebungen zu übermitteln. Sie hat dem Kabinett vorgelegen und wurde von ihm gebilligt.<BR /><BR />Die Regierung Seiner Majestät betrachtet die Errichtung einer nationalen Heimstätte für das jüdische Volk in Palästina mit Wohlwollen und wird keine Mühe scheuen, um die Erreichung dieses Zieles zu erleichtern, wobei allerdings von der Voraussetzung ausgegangen wird, dass dabei nichts geschieht, was die bürgerlichen und religiösen Rechte der in Palästina bestehenden nicht-jüdischen Gemeinden oder die Rechte und die politische Stellung der Juden in irgendeinem anderen Lande beeinträchtigen könnte.<BR /><BR />Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie diese Erklärung der Zionistischen Förderation zur Kenntnis bringen würden.<BR /><BR />Ihr ergebener Arthur James Balfour“</i><BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="827624_image" /></div> <BR />Diese so genannte Balfour-Deklaration ist ein Meilenstein in der Geschichte der zionistischen Bewegung und des Staates Israel, die Entwicklung im Nahen Osten bis heute geprägt hat. Worum ging es damals?<h3> Der entscheidende Mann</h3>Begonnen hatte alles mit dem im 19. Jahrhundert in Europa sich ausbreitenden Antisemitismus und dem österreichischen Juden <b>Theodor Herzl</b>, der daraus die Konsequenzen zog und 1896 einen eigenen Staat für die Juden forderte. 1897 organisierte er einen ersten Zionistenkongress, der als Ort dieses Staates Palästina forderte. Der Erste Weltkrieg mit der erkennbaren Niederlage des Osmanischen Reiches wurde dann zur großen Chance für die Zionisten. <BR /><BR />Als „Kriegsbeute“ wollten die Briten u. a. Palästina kontrollieren. Die Zionisten in Großbritannien nutzten dies für ihre Ziele: Palästina als Staat für die Juden. Die entscheidende Rolle dabei spielte <b>Chaim Weizmann,</b> eine der überragenden Gestalten des Zionismus (und 1949 der erste Staatspräsident Israels). <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="827627_image" /></div> <BR />Geboren 1874 in Russland als Sohn einer wohlhabenden jüdischen Familie war er 1892 nach Deutschland gegangen, hatte dort Chemie studiert, bevor er 1897 in die Schweiz ging, wo er 1899 an der Universität Freiburg promovierte. 1901 war er bereits Professor an der Universität Genf, bevor er dann 1904 an die Universität Manchester wechselte.<BR /><BR />Ab 1916 leitete er das Forschungslaboratorium der Britischen Admiralität und entwickelte ein Verfahren zur künstlichen Herstellung von Azeton, einem wichtigen chemischen Bestandteil von Sprengstoffen. Ihm gelang es, wichtige Persönlichkeiten in Großbritannien, vor allem den einflussreichen Herausgeber des „Manchester Guardian“ für die Idee des Zionismus und die Errichtung eines jüdischen Staates in Palästina zu gewinnen. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="827630_image" /></div> <BR />Außenminister Balfour (<i>„Ich bin ein Zionist.“</i>) traf Rothschild und Weizmann am 19. Juni 1917 und bat um den Entwurf einer entsprechenden <i>„Formel“.</i><h3> Motive der Briten</h3>Die Gründe für diesen Schritt waren vielfältig, wobei es primär um die Kontrolle des Landes zur Absicherung des Suezkanals ging. Wichtig war, die amerikanischen Juden zu gewinnen. Man hoffte, dass jene Juden, die Einfluss auf Präsident <b>Woodrow Wilson</b> hatten, ihn davon überzeugen konnten, die britische Besatzung Palästinas zu akzeptieren.<BR /><BR />Einer der führenden Zionisten in den USA war <b>Louis Brandeis,</b> der 1917 als erster Jude überhaupt Mitglied des Obersten Gerichts in Washington geworden war. Präsident Wilson hatte schon damals eine Vorliebe für die Selbstbestimmung der Völker geäußert – offiziell dann im Januar 1918mit seinen berühmten 14 Punkten. Zionismus schien jetzt umso attraktiver, denn dies bedeutete auch jüdische Selbstbestimmung in Palästina, aus britischer Sicht der geeignete Deckmantel für eine britische Kontrolle des Gebiets, die Wilson ansonsten wohl als imperialistische Aktion der Briten nicht akzeptiert hätte. <BR /><BR />Auch Frankreich befürwortete inzwischen eine <i>„Wiedergeburt der jüdischen Nation“</i> in Palästina, wie der französische Außenminister <b>Jules Cambon</b> klarmachte. Würde man den Zionismus fördern, so eine weitere Überlegung, könnte es möglicherweise dazu führen, die russischen Juden dazu zu bringen, Russland zum Weiterkämpfen zu veranlassen. Möglicherweise wollte man auch einer deutschen Zusage an die Juden Mittel- und Osteuropas zuvorkommen, dort einen eigenen Staat zu errichten.<h3> Unterschiedliche Auffassungen im britischen Kriegskabinett</h3>Weizmann legte einen Entwurf vor, wonach die britische Regierung <i>„die Wiederherstellung Palästinas als Nationale Heimstätte des jüdischen Volkes“</i> akzeptieren und sich verpflichten sollte, <i>„ihr Bestes zur zu tun, die Erreichung dieses Ziels zu sichern“.</i> Was damit gemeint war, war auch klar: ganz Palästina als jüdischer Staat. Den Arabern sollten alle möglichen Garantien für kulturelle Autonomie gegeben werden, aber <i>„der Staat muss jüdisch sein“.</i><BR /><BR />In London stellte sich zunächst der für Indien zuständige Minister, <b>Edwin Montagu</b>, einziger Jude im Kriegskabinett, gegen eine solche Erklärung. Er fürchtete, dass bei einem möglichen Judenstaat die Auseinandersetzung über die doppelte Loyalität der Juden wieder heraufbeschworen würde und die Stellung der assimilierten Juden gefährdet werden könnte. Für ihn waren die Juden keine Nation, und eine <i>„nationale Heimstätte“</i> würde sie zu Fremden in jenen Ländern machen, in denen sie lebten. <BR /><BR /> In einem Schreiben an Premierminister <b>Lloyd George</b> wies er darauf hin, dass jede antisemitische Organisation und jede antisemitische Zeitung fragen würde, mit welchem Recht ein jüdischer Minister in der britischen Regierung tätig wäre, wenn doch Palästina die nationale Heimstätte des jüdischen Volkes sei. Wie solle er, so fragte er, mit den Indern verhandeln, wenn die britische Regierung öffentlich erklären würde, dass seine Heimat irgendwo in der Türkei liege?<BR /><BR /><b>Sir Alfred Milner,</b> ebenfalls Mitglied des Kriegskabinetts, war zwar für eine Erklärung, wonach die britische Regierung die Errichtung einer Heimstätte für das jüdische Volk unterstütze – allerdings nur in Palästina. Es sollte darin mit Blick auf die Araber und die Sicherheit der eigenen politischen Interessen weder die Rede von Staatsbildung sein noch dass eine solche Heimstätte ganz Palästina umfasse. Er bestand zudem auf Garantien für die in Palästina lebenden Araber.<BR /><BR /><b>George Curzon,</b>wenig später Außenminister, wollte wissen, wie denn die Moslems in Palästina entfernt werden sollten, damit Juden dort einwandern konnten. Seiner Meinung nach hatte das Land nur für wenige Menschen Platz, und die 500.000 Moslems würden sich nicht damit zufrieden geben, <i>„entweder von den jüdischen Einwanderern enteignet zu werden oder als simple Holzhacker und Wasserträger zu dienen“.</i><BR /><BR /><b>Mark Sykes</b>, Nahostexperte im Kabinett, sah das anders. Für ihn war klar, warum Palästina ein so wenig einladendes Land geworden war: Die Araber, <i>„von Natur aus eine faule und träge Rasse“,</i> hätten das Land einfach vernachlässigt. Bei entsprechendem Bemühen könne die Bevölkerung in 7 Jahren verdoppelt werden. Curzon widersprach: Seiner Meinung nach konnte Palästina auf diese Weise nicht weiter entwickelt werden. Es sei notwendig, die heiligen Stätten der Moslems und Christen in Jerusalem und Bethlehem weiter zu kontrollieren. Das würde bedeuten, dass die Juden keine Hauptstadt in Palästina bekommen würden.<h3> 50.000 Juden gegenüber 500.000 Arabern</h3>Am 31. Oktober genehmigte das Kriegskabinett die oben zitierte Deklaration, die am 2. November an Rothschild geschickt wurde. Der letzte Halbsatz ging auf die Einwände von Montagu zurück, der vorletzte Absatz nahm Rücksicht auf Milners Einwände mit Blick auf die Zukunft der neunzigprozentigen Mehrheit der Araber in Palästina (zu jenem Zeitpunkt etwa 500.000 gegenüber 50.000 Juden); es ging hier nur noch um ihre bürgerlichen und religiösen Rechte, was implizierte, dass die politischen Rechte für die Juden reserviert waren, sobald sie eine Mehrheit erreicht hatten. Dass die neunzigprozentige arabische Mehrheit dabei als „nicht-jüdische Gemeinden“ bezeichnet wurde, war bezeichnend. Obwohl die Deklaration nicht alle Wünsche der Zionisten erfüllte, schrieb Weizmann damals an Balfour: <i>„Seit Kyros dem Großen hat es kein Bekenntnis mehr gegeben, das von größerer politischer Klugheit und nationaler Gerechtigkeit gegenüber dem jüdischen Volk geprägt war als diese denkwürdige Erklärung.“</i><h3> Unerfüllte Hoffnungen</h3>Die Hoffnungen hinsichtlich der Juden in Deutschland und Österreich wurden nicht erfüllt, obwohl über den deutschen und österreichischen Truppen Flugblätter abgeworfen wurden, in denen die Juden aufgefordert wurden, sich den Entente-Mächten zuzuwenden, da diese die jüdische Selbstbestimmung unterstützten. Nichts dergleichen geschah. Und in Russland übernahmen die Bolschewisten am 7. November 1917 die Macht und eröffneten Friedensverhandlungen mit dem Deutschen Reich.<h3> Konsequenzen</h3>Auf den Kriegsverlauf hatte das Dokument demnach keine Auswirkungen, aber es wurde 1922 in das britische Völkerbundmandat für Palästina übernommen, wurde damit Völkerrecht und verpflichtete die Briten, bei der Schaffung jener <i>„nationalen Heimstätte in Palästina“</i> für das jüdische Volk <i>„keine Mühe zu scheuen“.</i> Dass sie dabei am Ende scheiterten, ist eine andere Frage. Im Februar 1947 gaben sie das Mandat zurück, die Konflikte zwischen Juden und Arabern waren zu groß. Im November 1947 beschloss die UNO als Nachfolgeorganisation des Völkerbundes die Teilung des Landes in einen arabischen und einen jüdischen Staat. Die Araber lehnten ab.<BR /><BR />Am letzten Tag der britischen Präsenz in Palästina, dem 14. Mai 1948, verkündete der Führer der Zionisten, David Ben Gurion, die Unabhängigkeit Israels. Die trat um Mitternacht in Kraft – 11 Minuten später erkannte US-Präsident Harry S. Truman Israel an. Zur gleichen Zeit bereiteten die Armeen von Ägypten, Jordanien, Syrien, dem Irak und dem Libanon ihren Angriff auf Israel vor. Ihr Ziel: die Vernichtung des Judenstaates.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="827633_image" /></div> <BR /><BR /><BR /><BR /><BR /><BR /><BR />