Irina Lino redet den Südtiroler Eltern ins Gewissen, die ihre Kinder aus der Schule nehmen und daheim unterrichten. <BR /><BR /><BR /><BR /><BR />Ich glaube schon, dass diese Eltern nur das Beste für ihren Nachwuchs wollen. Ich glaube allerdings nicht, dass sie sich der Tragweite ihres Handelns bewusst sind. Sein Kind aus der Schule zu nehmen und selbst zu unterrichten... <BR /><BR />Das mag in Zeiten von Corona ja noch irgendwie plausibel klingen. Ansteckungsgefahr, Tests, Maskenpflicht, überforderte Lehrer und der Schlamassel mit dem Fernunterricht... Die Lockdowns haben gezeigt, wie schwierig es ist, aus der Distanz zu lehren wie zu lernen. Und mit Sicherheit lassen sich die Corona-Schuljahre nicht mit herkömmlichen Leistungsmaßstäben bemessen. <BR /><BR />In diesem Kontext kann ich verstehen, wenn Eltern sagen: „Unter diesen Umständen lernt mein Kind nichts oder viel zu wenig, also sorge ich selbst dafür.“ Für 343 Kinder und Jugendliche an deutschsprachigen Grund-, Mittel-, Ober- und Berufsschulen ist genau das in diesem Schuljahr der Fall: Sie nehmen nicht am Unterricht im Klassenzimmer teil sondern werden von ihren Eltern in den eigenen vier Wänden unterrichtet. 130 waren es im Vorjahr, damit hat sich die Zahl fast verdreifacht!<BR /><BR /> 343 Schüler im Hausunterricht... Bei mehr als 54.000 Kindern an deutschsprachigen Schulen im Land, erscheint diese Zahl gering. Wenn ich mir vorstelle, WAS diese jungen Menschen verpassen, tut es mir um jeden einzelnen von ihnen leid. <BR /><BR />Schule... Das steht ja nicht nur für den Erwerb von Wissen... Schule heißt auch, sich in der Gruppe zu positionieren, zu lernen, wie man mit Niederlagen umgeht, zu verstehen, dass Lehrer gut, schlecht und ergo auch nur Menschen sind, dass Noten nicht immer Leistung korrekt widerspiegeln und man manches hinterfragen, diskutieren und sich reiben muss an konträren Meinungen. Vom Freundschaften schließen (manchmal fürs Leben) und sich von den Eltern abnabeln als wichtigem Schritt der Selbstfindung und Selbstbestimmung erst gar nicht zu sprechen. WIE bitte soll das zu Hause gehen? Gar nicht! Weil man neue Herausforderungen braucht, um wachsen zu können. Und die Schule ist eine der prägendsten von ihnen!<BR /><BR /><BR /><BR />ZUR PERSON<BR /><BR />In einer wöchentlichen Kolumne schreibt Irina Lino auf s+ über aktuelle Themen verschiedenster Art. Irina Lino ist 1967 in Klagenfurt geboren und seit 1987 Kulturjournalistin. Zahlreiche Beiträge in Büchern und Katalogen zu Kulturthemen; seit 2009 Kultur-Ressortleiterin der „Kronen Zeitung“ Kärnten sowie Kolumnistin. <BR />