Ein Phänomen der Coronazeit war auch, dass viele Eltern ihre Kinder von der Schule abmeldeten und Alternativkindergärten und -schulen starken Zulauf hatten. Ist das öffentliche Bildungsangebot nicht mehr attraktiv genug, lautet eine weitere Frage an Sonia Klotz Spornberger.<BR /><BR /><b>Frau Spornberger, Sie waren 16 Jahre KSL-Vorsitzende und über 40 Jahre Lehrerin in der Grundschule. Im Rückblick, was geht Ihnen durch den Kopf?</b><BR />Sonia Spornberger: Große Veränderungen...<BR /><BR /><b>...zum Besseren oder zum Schlechteren?</b><BR />Spornberger: Das kann man nicht bewerten. Alles fließt und verändert sich. Die Gesellschaft hat sich entwickelt und verändert, und die Schule hat sich der Gesellschaft und den neuen Herausforderungen und Gegebenheiten angepasst. <BR /><BR /><b>Unverändert ist aber der Ruf nach mehr Wertschätzung für die Lehrer geblieben. Hat da Corona nicht einiges bewirkt?</b><BR /> Spornberger: Ja. Eltern und der gesamten Gesellschaft ist bewusst geworden, dass Lehrpersonen Großes leisten. Es war wieder eine große Sehnsucht nach Schule und Präsenzunterricht spürbar. Man ist sich bewusst geworden, was Schule leistet und wie wichtig sie für die Bildung und die soziale Entwicklung ist.<BR /><BR /><embed id="dtext86-56565092_quote" /><BR /><BR /><b>Sagen Sie immer noch: Das reicht nicht? Verdienen Lehrer mehr oder umgekehrt: Verdienen Lehrer zu wenig?</b><BR />Spornberger: Absolut zu wenig. In Südtirol wurde sehr viel in die Schularchitektur investiert, was auch gut ist. Aber man hat es leider versäumt, in die Köpfe, in die Lehrer zu investieren. Lehrer zu sein, ist eine herausfordernde Arbeit. Wer es ernst nimmt, der lebt den Beruf als Berufung, nicht als Job. Diese Arbeit verrechnet man nicht in Stunden, das erfordert emotionalen Einsatz weit über die Unterrichtszeit hinaus. Leider ist es auch so, dass das Gehalt mit dem Ansehen einhergeht. Niederes Gehalt – niederes Ansehen. <BR /><BR /><b>Was heißt niederes Gehalt? Wie viel bekommt ein Lehrer?</b><BR />Spornberger: Das Anfangsgehalt eines Grundschullehrers liegt bei 1500 Euro. Mit dem Dienstalter steigt es auf bis ca. 2000 Euro. <BR /><BR /><b>Was wäre angemessen?</b><BR />Spornberger: Als Lehrerverband sind wir nicht zuständig für Gehaltsverhandlungen. Aber wir spüren in der Berufsgruppe stark, was die Bedürfnisse sind. <BR /><BR /><b>Ist das Gehalt der Grund dafür, dass der Berufsstand Nachwuchssorgen hat?</b><BR />Spornberger: Es ist nicht nur das Geld. Junge Menschen wollen sich nicht mehr exponieren, sie wollen sich nicht so der Kritik aussetzen, wie man es in der Schule ist. Jungen Leuten fehlt oft der Mut dazu. Lehrer brauchen eine gehörige Portion Selbstbewusstsein, eine starke Persönlichkeit. Deshalb ist das Hauptziel des KSL auch, die Lehrer in ihrer Persönlichkeit zu stärken, darauf ist unsere Fortbildung ausgerichtet. <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="823589_image" /></div> <BR /><b>Wie finden Sie die berufsbegleitenden Lehrgänge für Neueinsteiger – oft als „Schnellsiederkurse“ abgetan?</b><BR />Spornberger: Das ist unsere große Chance! Wir gehen in eine Ära des Lehrermangels; das ist gefährlich, die Schule so verwaisen zu lassen. Aber auch im Ausland ist der Lehrermangel eklatant. <BR /><BR /><b>Leidet nicht die Qualität des Unterrichtes, wenn wir jeden quereinsteigen lassen?</b><BR />Spornberger: Es wird nicht jeder genommen. Es gibt Aufnahmekriterien. Außerdem ist das alles andere als ein „Schnellsiederkurs“. Und die Anwärter werden von Lehrern begleitet und können sich entwickeln. Das ist eine große Chance. Ich zum Beispiel stand mit 18 Jahren – 1973 in Margreid – das erste Mal vorne in einer Klasse. Ich war 10 Jahre älter als meine Schüler und wahrscheinlich auch nicht kompetent. Aber ich hatte 2 Lehrerinnen, die mich unterstützt und begleitet haben. Was an fachlicher Kompetenz anfangs vielleicht gefehlt hat, habe ich mit Beziehung und positiver Haltung kompensiert.<BR /><BR /><b>Leidet die Qualität unter der Frauenlastigkeit des Berufs?</b><BR />Spornberger: Die Qualität leidet nicht. Aber die Männer fehlen. Nur 2 Prozent des Lehrpersonals in der Grundschule sind Männer. Aber so wie es zunehmend mehr Ärztinnen und Ingenieurinnen gibt, wird es auch einmal mehr Männer in der Grundschule geben. Es ist nämlich nicht unmännlich, sozial und empathisch zu sein. Das wird sich entwickeln, aber es dauert lange, das stimmt. <BR /><BR /><embed id="dtext86-56565094_quote" /><BR /><BR /><b>Mit Corona haben Alternativschulen zugenommen. Ein Corona-Phänomen oder wird die öffentliche Schule unattraktiv?</b><BR />Spornberger: Das ist sicher ein Mit-Phänomen der Coronazeit. Dass die Zahl der Schüler in der Alternativschule von 600 auf 200 wieder zurückgegangen ist, zeigt, dass die öffentliche Schule attraktiv ist. Vor allem was die Ausstattung angeht, tun sich private Schulmodelle schwer mitzuhalten. Aber es gibt auch eine gewisse Unzufriedenheit mit der Schule, auf die wir genauer schauen müssen. <BR /><BR /><b>An was denken Sie?</b><BR />Spornberger: Das Ziel muss sein, dass Kinder, die jetzt zur Schule gehen, dies ohne negative Erfahrungen tun können. Wir müssen darauf achten, dass sich Kinder in der Schule wohlfühlen. Lernen kann nur in einem Umfeld funktionieren, wo ich mich angenommen, wie zu Hause fühle.<BR /><BR /><b>Sie waren bis zur Pensionierung vor 7 Jahren Grundschullehrerin. Viele Lehrer beunruhigt diese Aussicht. Ist älter werden in der Schule so schwierig?</b><BR />Spornberger: Wenn man Freude am Beruf hat und gesund ist, dann ist es nicht schwierig. Mit dem Alter kommen aber oft gesundheitliche Probleme, dann kann es in einer Klasse mit 20 kleinen Kindern schwierig werden. Hier müsste Schule flexibler sein und auch Arbeitsbereiche abseits des vollen Klassenzimmers bieten können. Sind Lehrer überfordert, ist das nämlich fatal.<BR /><BR /><b>Der KSL ist die Interessensvertretung für Grundschullehrer und Kindergärtnerinnen. Wie wichtig ist das „K“ im Namen?</b><BR />Spornberger: Das „K“ ist ein Erbe der Gründerväter von 1954 und war damals als Antwort auf den Nationalsozialismus gedacht. Im Sinne der damals gedachten Werte – Toleranz, Freiheit, Solidarität, Hilfsbereitschaft – haben wir das „K“ beibehalten. Auch wenn oft darüber diskutiert wurde, weil es schon manche abschreckt. Aber die Werte von damals sind heute noch wichtig, vielleicht wichtiger denn je. <BR /><BR /><b>Ein Zusammenschluss mit dem ASM, dem Arbeitskreis Südtiroler Mittel-, Ober- und Berufsschullehrerinnen, stand nie zur Debatte?</b><BR />Spornberger: Ich habe mir einen Zusammenschluss immer erwartet, doch zu meinem Bedauern ist er in 16 Jahren nicht erfolgt. <BR /><BR /><b>Sie geben nun den KSL-Vorsitz ab. Welchen Rat haben Sie für die Nachfolge?</b><BR />Spornberger: Die wichtigste Säule des KSL ist die Fortbildung. Seit der Gründung besteht das Ziel, die Persönlichkeit des Lehrers zu stärken. Mein Rat ist, weiterhin auf eine attraktive Fortbildung zu setzen. Unsere Seminare sind immer ausgebucht, meist überbucht. Das liegt auch daran, dass wir nahe dran sind an den Lehrern und ihre Bedürfnisse kennen. Und weil ganz viele bei uns ehrenamtlich mitarbeiten. <BR />Interview: Brigitta Willeit<BR /><BR /><BR />