<Fett>Die Einladung:</Fett> Am 29. November 1941 lud Heydrich 14 Herren zu einer Besprechung ein... <BR /><BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="727235_image" /></div> <BR />Im Einladungsschreiben Heydrichs hieß es: „<i>Am 31. 7. 1941 beauftragte mich der Reichsmarschall des Großdeutschen Reiches unter Beteiligung der in Frage kommenden anderen Zentralinstanzen, alle erforderlichen Vorbereitungen in organisatorischer, sachlicher und materieller Hinsicht für eine Gesamtlösung der Judenfrage in Europa zu treffen und ihm in Bälde einen Gesamtentwurf hierüber vorzulegen. Eine Fotokopie dieser Bestellung lege ich meinem Schreiben bei. . . In Anbetracht der außerordentlichen Bedeutung, die diesen Fragen zuzumessen ist und im Interesse der Erreichung einer gleichen Auffassung bei den in Betracht kommenden zentralen Instanzen an den übrigen mit dieser Endlösung zusammenhängenden Arbeiten rege ich an, diese Probleme zum Gegenstand einer gemeinsamen Aussprache zu machen, zumal seit dem 15. 10. 1941 bereits in laufenden Transporten Juden aus dem Reichsgebiet einschließlich Protektorat Böhmen und Mähren nach dem Osten evakuiert werden.“</i><BR /><BR />Die Sitzung sollte am 9. Dezember stattfinden, wurde aber am Tag zuvor, offenbar telefonisch, <i>„auf unbestimmte Zeit verschoben“</i> – so hat es ein Beamter im Berliner Auswärtigen Amt am 8. Dezember auf dem Einladungsschreiben an Unterstaatssekretär Luther vermerkt. Über den Grund der Verschiebung wissen wir nur, was Heydrich bei der Einladungswiederholung sagte, nämlich, dass er die Besprechung <i>„seinerzeit auf Grund plötzlich bekannt gegebener Ereignisse und der damit verbundenen Inanspruchnahme eines Teils der geladenen Herren in letzter Minute leider (habe) absagen müssen“</i>. Gemeint war der japanische Überfall auf Pearl Harbor am 7. Dezember, Hitlers Rückkehr aus seinem ostpreußischen Hauptquartier am 9. Dezember nach Berlin und die Verkündung der deutschen Kriegserklärung an die USA am 11. Dezember.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="727238_image" /></div> <BR /><BR />Eine neue Einladung wurde am 8. Jänner 1942 für den 20. d. Monats ausgesprochen: „Besprechung mit anschließendem Frühstück“. Ort: Das damalige Gästehaus des SD am Berliner Großen Wannsee. Die Konferenz dauerte etwa eineinhalb Stunden; Protokollant <b>Adolf Eichmann</b> meinte später: „<i>Die Ordonanzen reichten laufend Cognac, und zum Schluss hat alles durcheinander geredet.“</i> Von der Besprechung fertigte Eichmann ein 15-seitiges Protokoll an, von dem es insgesamt 30 Ausfertigungen gab. Ein Exemplar wurde 1947 von den Amerikanern gefunden; vom Ort der Konferenz hat diese Konferenz nach dem Krieg ihren Namen erhalten: Wannsee-Konferenz. Die Villa ist heute eine Gedenkstätte für den Holocaust.<BR /><BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="727241_image" /></div> <BR />In der Geschichte der nationalsozialistischen Judenpolitik bzw. Judenvernichtung hat diese Konferenz immer einen zentralen Stellenwert gehabt, wobei die Interpretationen unterschiedlich ausgefallen sind. Das reicht von einem kameradschaftlichen Zusammensein bis zu der Auffassung, dort sei der Mord an den europäischen Juden beschlossen worden. Was lässt sich dazu sagen? 1941 war der Wendepunkt der NS-Judenpolitik. Erkennbar war der Übergang von der Phase der Verfolgung der Juden – Ausschaltung, Enteignung, Kennzeichnung, Versklavung, Austreibung – zu jener der Vernichtung.<BR /><BR /><b>Die „Endlösung“</b><BR /><BR />Den Gedanken der physischen Vernichtung hatte <b>Hitler</b> mehrfach erwähnt, etwa in seiner Reichstagsrede vom 30. Jänner 1939: <i>„Ich will heute wieder ein Prophet sein: Wenn es dem internationalen Finanzjudentum in- und außerhalb Europas gelingen sollte, die Völker noch einmal in einen Weltkrieg zu stürzen, dann wird das Ergebnis nicht die Bolschewisierung der Erde und damit der Sieg des Judentums sein, sondern die Vernichtung der jüdischen Rasse in Europa.“</i><BR /><BR />Es ist heute unbestritten, dass der Entschluss zur „Endlösung“ in den Monaten vor dem Überfall auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 gefasst worden war. Er gehört im weitesten Sinne zu den in dieser Zeit intensivierten Planungen zur Neuordnung Europas, vor allem in Osteuropa.<BR /><BR />Die Geschichte des Massenmordes an den Juden Europas begann mit dem Überfall auf die Sowjetunion. Am 31. Juli 1941 erhielt Heydrich von <b>Hermann Göring</b> den erwähnten Auftrag; das viel zitierte Schriftstück ist von Heydrich selbst entworfen worden, er hat es von Göring unterschreiben lassen. Es waren 4 Einsatzgruppen gebildet worden – SS, SD, Mitglied der Kriminalordnungs- und Feldpolizei, etwa zwischen 600 und 1000 Mann. <BR /><BR />Die entsprechenden Befehle Heydrichs lauteten: <i>„Zu exekutieren sind alle Juden in Partei- und Staatsstellungen.“</i> Bis Ende 1941 hatten die Einsatzgruppen etwa 500.000 Menschen ermordet; im Dezember 1941 war etwa das SS-Spezialkommando im Reichsgau Wartheland in Kulmhof aktiv; Juden wurden in umgebauten Lastkraftwagen erstickt. In Serbien hatte es Massenerschießungen gegeben; das KZ-Auschwitz war im Juli 1940 eröffnet worden; dort hatte man im September 1941 mit der Erprobung des Gases Zyklon B begonnen; ab September 1941 mussten die Juden im Reichsgebiet den Judenstern tragen; am 14. Oktober 1941 gab es den ersten Deportationsbefehl. Ghettos galten als Wartestation auf den Tod. Am 24. Oktober 1941 gab es die zweite Deportation und Massenerschießungen in Kovno; am 30. November 1941 wurden 1000 Berliner Juden ermordet. Probleme gab es beim hereinbrechenden Winter durch tief gefrorenen Boden und sonstige Transportschwierigkeiten.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="727244_image" /></div> <BR /><BR />Analysiert man den Text des Wannsee-Protokolls, findet man Schlüsselworte, die für Eingeweihte eine klare Bedeutung hatten. Demnach sollte die Besprechung <i>„Klarheit in grundsätzlichen Fragen“</i> schaffen; es ging um die Zurückdrängung der Juden aus allen Lebensbereichen, ja aus dem Lebensraum des deutschen Volkes überhaupt. Aber nicht nur das: Eine Liste zählt insgesamt 11Millionen Juden auf, genannt werden Juden sogar in jenen Ländern, die von der Deutschen Wehrmacht noch nicht besetzt waren.<BR /><BR /> Im Protokoll heißt es: <i>„Anstelle der Auswanderung ist nunmehr als weitere Lösungsmöglichkeit nach entsprechender vorheriger Genehmigung durch den Führer die Evakuierung der Juden nach dem Osten getreten.“</i> Im Zuge der praktischen Durchführung der Endlösung <i>„wird Europa von West nach Osten durchkämmt. In großen Arbeitskolonnen, unter Trennung der Geschlechter, werden die arbeitsfähigen Juden Straßen bauend in diese Gebiete geführt, wobei zweifellos ein Großteil durch natürliche Verminderung ausfallen wird.“</i> Und: <i>„Der allfällig endlich verbleibende Restbestand wird entsprechend behandelt werden müssen“.</i> Das bedeutete: Ausrottung der eventuell Überlebenden.<BR /><BR />Außerdem vermerkt das Protokoll: <i>„Abschließend wurden verschiedene Lösungsmöglichkeiten besprochen.“</i> Hinter dieser Definition verbirgt sich, was der Mehrzahl der Konferenzteilnehmer schon bekannt war und was Eichmann bei seinem Prozess in Jerusalem 1961 bestätigt hat: Die Erörterung verschiedener Tötungsmöglichkeiten.<BR /><BR />Entscheidend bei dieser Konferenz war die Erzielung der <i>„gleichen Auffassung“</i> bei den Zentralinstanzen des NS-Staates, deren Vertreter eingeladen worden waren. Die Konferenz schloss mit der im Protokoll verzeichneten Bitte Heydrichs, <i>„ihm bei der Durchführung der Lösungsarbeiten entsprechend Unterstützung zu gewähren“.</i> Nicht anders könnte die Vorstandssitzung einer Bank oder eines Unternehmens schließen.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="727247_image" /></div> <BR /><b>Konferenz der Mitwisser</b><BR /><BR />Man kann auch <b>Hannah Arendts</b> Definition von der „Banalität des Bösen“ bemühen; der beispiellose, verbrecherische Charakter dieses Ereignisses aber bleibt bestehen. Heydrich war der eigentliche Architekt der Endlösung. Er machte die Anwesenden dieser Konferenz zu Mitwissern des bereits begonnenen Verbrechens, dessen „Endlösung“ aber noch bevorstand und die Mitwirkung der Beratungsteilnehmer bzw. deren Ministerien verlangte. Ahnungslos war niemand – alle machten mit. Als die Herren den Tagungsort verließen, waren sie die bestunterrichteten Personen in Sachen Judenmord im Dritten Reich, auch wenn auf der Konferenz im eigentlichen Sinne nichts beschlossen worden war. Heydrich, nach Meinung Hitlers <i>„der Mann mit dem eisernen Herzen“,</i> war am Ende der Sitzung sehr erleichtert und genehmigte sich einen Cognac, was Eichmann bei ihm noch nie zuvor erlebt hatte.<BR /><BR /><b>Welche Männer nahmen teil und wie verliefen ihre „Karrieren?</b><BR /><BR /><b>Gauleiter Meyer</b> vom Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete wurde Staatssekretär und beging 1945 Selbstmord. Das Schicksal seines Kollegen <b>Leibbrand</b> ist unbekannt; Staatssekretär <b>Stuckart</b> vom Innenministerium wurde später angeklagt, 1949 auf freien Fuß gesetzt und starb 1953 an den Folgen eines Autounfalls. Staatssekretär <b>Neumann</b>, einer der Stellvertreter Görings: Schicksal unbekannt. Staatssekretär <b>Freisler</b>, Präsident des Volksgerichtshofes, kam 1945 bei einem Bombenangriff um. <BR /><BR /><b>Bühler</b> vom Amt des Generalgouverneurs: Schicksal unbekannt; Unterstaatssekretär <b>Luther</b> vom Auswärtigen Amt, kam 1943 ins KZ Sachsenhausen in „Sonderhaft“, starb im Mai 1945. SS-Oberführer <b>Klopfer</b> blieb unbehelligt, war als Rechtsanwalt tätig, starb 1987 als letzter der Teilnehmer – wie es in der Todesanzeige hieß, <i>„nach einem erfüllten Leben zum Wohle aller, die in seinem Einflussbereich waren“.</i><BR /><BR /><b>Kritzinger</b> von der Reichskanzlei starb in einem Nürnberger Krankenhaus, ohne angeklagt worden zu sein. <b>Hofmann</b>, Chef des Rasse- und Siedlungshauptamtes, erhielt eine Haftstrafe von 25 Jahren, die auf zehn Jahre reduziert wurde. <b>Schöngarth</b> von der Sicherheitspolizei und dem SD-Krakau, der später in den Niederlanden tätig war, geriet in britische Gefangenschaft und wurde 1946 hingerichtet. SS-Sturmbannführer <b>Langer</b> kam in den Kämpfen um die Stadt Posen ums Leben.<BR /><BR />SS-Gruppenführer <b>Heinrich Müller</b>, genannt „Gestapo-Müller“, Leiter des Amtes IV, der unmittelbare Vorgesetzte Eichmanns, war bei Kriegsende einer der am meisten gesuchten SS-Generäle, sein Schicksal ist unbekannt. <b>Eichmann</b> gelang 1950 mit einem Flüchtlingspass des Roten Kreuzes unter dem Namen Ricardo Klement die Flucht nach Argentinien. Von dort wurde er 1960 vom israelischen Geheimdienst Mossad nach Israel entführt, 1961 in Jerusalem vor Gericht gestellt, zum Tode verurteilt und 1962 hingerichtet. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="727250_image" /></div> <BR /><b>Literatur:</b><BR />Peter Klein. Die Wannsee-Konferenz am 20. Januar 1942. Eine Einführung, Metropol Verlag, Berlin 2017.<BR /><BR />