2 Tertiarschwestern erzählen über ihren persönlichen Lebensweg, das Leben im Kloster und die Zukunft der Ordensgemeinschaften in Südtirol. <BR /><BR /><BR /><BR /><BR />Standsicher und fest ragen Südtirols Klostermauern aus dem Boden. Sie deuten auf Abgrenzung hin. „Früher, da wurde uns gesagt, wir sollten den Weltlichen nicht erzählen, wie wir hier leben“, berichtet eine 90-jährige Schwester aus den Reihen der Kongregation der Tertiarschwestern in vertrauensvoller Atmosphäre. Denn bei ihrem Namen möchte sie doch Zurückhaltung wahren. <BR /><BR />Die klösterliche Gemeinschaft der 90-Jährigen besteht aktuell nur noch aus 8 Schwestern. Von diesen sind 5 pflegebedürftig. „Hier, im Kloster, da schauen wir aufeinander“, betont sie. Hie und da komme es auch zu Hakeleien und Meinungsverschiedenheiten: „So wie es eben ist, wenn 8 Frauen mit unterschiedlichen Charakteren einen Haushalt teilen.“<BR /><BR /><b>Gemeinschaft – ein hohes Gut</b><BR /><BR />Auch über die Klostermauern hinweg bestehe ein starker Zusammenhalt, wie die Tertiarschwester erzählt: „Heuer waren wir körperlich zu schwach, um die Äpfel selbst zu pflücken, dann kamen Schwestern und Mitarbeiter aus Brixen, um uns diese Arbeit abzunehmen.“<BR /><BR />Die kirchengeschichtliche Forschung zeigt auf, dass Klöster Teil und gleichzeitig Spiegel der Gesellschaft sind. Die Frage, inwieweit sich der gesellschaftliche Trend hin zum Individualismus auf das klösterliche Leben und dessen Rückgang auswirkt, steht schon länger im Raum.<BR />Spiegel der Gesellschaft Die Zahlen jedenfalls verdeutlichen: Die Frauenorden in der Diözese Bozen-Brixen werden immer kleiner und weniger. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="700190_image" /></div> <BR />Erst kürzlich wurde in Kloster Säben eine Schwesterngemeinschaft mit jahrhundertelanger Geschichte aufgelassen. Und künftig wird es wohl immer weniger von ihnen geben. Dabei geht es einem Großteil der Schwestern nicht um die messbare Definition von Mitgliedern. Vielmehr wolle man ein authentisches Dasein sowohl in der Gemeinschaft, als auch inmitten der Gesellschaft leben. Als Schwester – und als Frau. <BR /><BR />Die 90-jährige Tertiarschwester betont, dass ihr Entschluss, damals ins Kloster zu gehen, einen persönlichen Beweggrund hatte: „Ich war neben 3 Brüdern die einzige Tochter meines Vaters. Er wollte, dass ich einen Bauern heirate und mit ihm die Landwirtschaft führe. Ich entschied mich daraufhin freiwillig, ins Kloster zu gehen. Dadurch ermöglichte ich mir ein autonomes Leben, fernab von jeglichen Erwartungshaltungen gegenüber jungen Frauen.“ <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="700193_image" /></div> <BR />Für einige der Ordensschwestern war der Klostereintritt folglich ein sich Lösen von gesellschaftlichen Normen. Für die Provinzoberin der Tertiarschwestern, Schwester Mirjam Volgger, war der Eintritt ins Kloster ebenfalls ein Befreiungsschlag: „Ich spürte von der Gesellschaft herauskommend einen bestimmten Druck auf mir lasten – in Bezug auf die Art, wie ich mich kleidete, was ich machen und tun, sprich, wie ich leben sollte. Als ich dann dem Orden beitrat, fühlte es sich so an, als würde ich gegen den Strom schwimmen.“ Schwester Mirjam spricht offen über ihr Dasein als Klosterfrau – und als Frau: „Ich bin wie ein Bild, aus dem bestimmte Elemente aus dem Rahmen ragen, ohne diesen jedoch kaputt zu machen.“ <BR /><BR />Jede Ordensschwester werde Schwester Mirjam zufolge früher oder später mit Klischees konfrontiert, in Bezug auf die Frage vieler weltlicher Bürger, warum sich eine Frau für den Orden entscheidet. „Da gibt es die, welche uns als veraltetes, überholtes Modell betrachten, und andere, die uns nichts als einen mitleidigen Blick schenken. Und dann gibt es da noch einen kleinen Teil, der den Entschluss mutig findet“, betont sie. Dabei würden Ordensschwestern immer wieder in einen Topf geworfen: „Wir sind aber nicht alle gleich. Es gibt so viele unterschiedliche Modelle von klösterlichem Leben, tätige Gemeinschaften und monastische etwa, die in Klausur leben.“ <BR /><BR /><b>Verzicht auf Mann und Kind</b><BR /><BR />Die Kongregation der Tertiarschwestern richtet sich nach der franziskanischen Spiritualität. Sie sind in Seelsorge und Mission tätig, engagieren sich in Schulen, der Kranken- und Altenpflege sowie in Kliniken und Exerzitien. <BR /><BR />Das emanzipatorische Potenzial der Ordensgründerin der Tertiarschwestern, Maria Hueber, die um 1700 in Brixen erstmals eine Schule für arme Mädchen eröffnete, denen sie lesen, schreiben und nähen beibrachte, dringt bis heute in die Lebensweise der Schwesterngemeinschaft ein: Ob Krankenschwester, Lehrerin oder Pflegehelferin – sie alle leben bewusst ohne Mann und Kind, um sich ganz auf ihr sozial-gesellschaftliches Umfeld einlassen zu können.<BR /><BR />In Kamerun erlebt der Orden der Tertiarschwestern aktuell einen starken Zuwachs, zumal essenzielle Nöte und der Kinderboom über Jahre hinweg Bestand haben. Frauen schließen sich dort dem Kollektiv der Tertiarschwestern an, um zu helfen. Auch hierzulande boomte der Zuwachs in den kinderreichen Jahren, etwa unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg. Viel Arbeit und Bedürftigkeit stand im Raum. Es galt, sich den Nöten zu stellen.<BR /><BR />Klöster leben in einem ständigen Wandel, dies ist auch Schwester Mirjam bewusst. Dabei sind die älteren Ordensschwestern besonders bedeutsam für die Gemeinschaft: „Auch unsere älteren Schwestern leisteten viel Aufbauarbeit. Ich bin überzeugt, dass sie jetzt den wohlverdienten Ruhestand haben sollen und, dass man das würdigt, was sie gemacht haben“, meint die Provinzoberin.<BR /><BR /><b>Unterschiede aushalten</b><BR /><BR />Der Austausch zwischen Jung und Alt sei insofern wichtiger denn je, nicht nur in den Ordensgemeinschaften, sondern gesamtgesellschaftlich. Um zu verstehen, müsse man Schwester Mirjam Volgger zufolge mit dem Menschen sprechen und dabei – ganz besonders – Unterschiede aushalten können. Auch junge und ältere Ordensschwestern müssten nun differenzierte Ansichten der jeweils anderen akzeptieren. Nur so könne Entwicklung zugelassen werden. Dies fordere alle, führe aber zu Einsicht. <BR /><BR />Auch für die eingangs erwähnte, 90-jährige Tertiarschwester ist der Austausch essenziell, um den Blick weltlicher Bürger auf Ordensschwestern zu öffnen: „Indem sie die Geschichte kennen und versuchen, zu verstehen“, wie sie sagt. Dies sei bedeutsamer, als der zwanghafte Versuch, die Gemeinschaften weiter am Leben zu erhalten. „Darauf haben wir sowieso keinen Einfluss“, meint auch Schwester Mirjam. Trotz Rückgang bleibe also die Weitsicht. Darauf, dass alles so kommt, wie es kommen muss. <BR /><BR /><BR />EINE ZAHL ZUM NACHDENKEN<BR /><BR />Während sich 1989 noch 1324 Ordensfrauen einer der damals 28 Gemeinschaften im Land Südtirol angeschlossen hatten, waren es 2020 nur noch 195 Schwestern in 14 Ordensgemeinschaften. In 32 Jahren schrumpfte die Anzahl der Gemeinschaften also auf die Hälfte. <BR />