„Tournee“, Amalrics dritte Kinoarbeit als Regisseur und Co-Autor, bekam 2010 den Regiepreis in Cannes und errang kurzfristig Platz eins der französischen Kinocharts. Mit Nippelschmuck und falschen Wimpern, Lockenperücken und Glitzerkorsagen auf nicht immer jugendfrischen Körpern zelebrieren echte, selbstbewusst weibliche Stars der Szene den erotischen Showtanz, den eine Dita von Teese weltbekannt gemacht hat und dem Christina Aguilera und Cher in „Burlesque“ ihre Ehrerbietung erwiesen. Bei Amalric heißen die Damen Mimi Le Meaux, Kitten on the Keys oder auch Dirty Martini, gecastet hat er sie auf internationalen Festivals. Mit Charisma gibt er selbst den abgewrackten, besessenen Tour-Manager der Truppe: Einst vor beruflichen und privaten Problemen in die USA geflohen, ist der zurückgekehrt, um sein Comeback zu feiern. In langen, fast dokumentarisch wirkenden Bildern und ohne viel Dramaturgie fängt der Regisseur die triste Seite des Showbusiness ein. Austauschbare Hotels und Müdigkeit auf langen Zugfahrten, wenig Geld und schneller Sex auf der Toilette sind hier Alltag. Doch die energievollen Tänzerinnen lassen es sich nicht verdrießen – sie wollen Spaß und Erfolg. Bei spektakulär inszenierten Auftritten, etwa in einer Diskothek im Industriegebiet, werden sie umjubelt. Für ihren Manager kommt es dafür dicke: K.o. geschlagen landet er auf dem Pariser Straßenpflaster, als er dort um ein Engagement bittet. Die Mutter seiner Kinder weist ihn ebenso ab wie seine beiden Söhne.Bindungs- und Ortlosigkeit zeichnet all diese Getriebenen aus, keiner scheint angekommen bei sich selbst. Das jedoch ist schon seit mehr als 100 Jahren ein Hauptthema westlicher Kunst. „Tournee“ lebt von einer authentischen Sehnsuchts-Atmosphäre und vom eigenwilligen Reiz der Burlesque-Szene.dpa