Für Delpero beginnt nun eine intensive Zeit, da sie ihren Film international vorstellen wird. „Vermiglio“, der im Trentino, in Südtirol und in Dialekt gedreht wurde und in dem auch Laienschauspieler mitspielen, kommt am 19. September in die Kinos. Bevor sie nach Kanada zum Toronto Filmfestival abfuhr, konnten wir sie noch sprechen. <b>Von Micaela Taroni</b><BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1070883_image" /></div> <BR /><BR /><BR /><BR /><b>Festivaldirektor Alberto Barbera hat Parallelen zwischen Ihrem Film und Ermanno Olmis Meisterwerk „L'albero degli zoccoli“ gezogen. Wie empfinden Sie diesen Vergleich?</b><BR />Maura Delpero: Olmi ist einer der Regisseure, die ich am meisten liebe, daher ist es eine große Ehre für mich, mit ihm verglichen zu werden. Ähnlichkeiten sehe ich in der Arbeitsmethode, sowie in dem Einsatz von Laienschauspielern, die aus der Gegend, wo wir gedreht haben, stammen und Dialekt sprechen.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1070886_image" /></div> <BR /><BR /><b>Hatten Sie keine Bedenken, dass ein Film, in dem die Protagonisten im Trentiner Dialekt sprechen, womöglich keine Chancen auf einen Löwen haben?</b><BR />Delpero: Von Anfang an war für mich klar, dass die Protagonisten Dialekt sprechen sollten. Auch heute spricht man in Vermiglio noch mehr die lokale Mundart als Italienisch. Es wäre gekünstelt gewesen, wenn es anders gewesen wäre. Anfangs habe ich einige Widerstände überwinden müssen, weil viele dachten, dass ein Film mit Untertiteln in Italien nicht gut ankommen würde, da die Italiener meist an synchronisierte Filme gewöhnt sind. Inzwischen hat sich dank der Serien aus dem Ausland einiges geändert und Untertitel kommen auch hierzulande immer besser an. Bei ausländischen Filmen mag ich es, die Stimme des Schauspielers zu hören, denn das ist Teil der Schauspielerei. Jedenfalls sind in „Vermiglio“ nicht so sehr die Worte, sondern die Bilder und Szenen ausschlaggebend.<BR /><BR /><BR /><b>Sie haben ja eine besondere Beziehung zur Gemeinde Vermiglio...</b><BR />Delpero: Das ist der Ort, aus dem meine Familie väterlicherseits stammt und in dem ich meine Kindheit verbracht habe. Hier befindet sich noch das Haus meiner Großeltern. Ich bin in meinem Leben viel gereist, doch nach dem Tod meines Vaters vor 5 Jahren habe ich das Bedürfnis verspürt, mich mit meinen auseinander zu setzten. Der Silberne Löwe, den ich in Venedig gewonnen habe, ist meinem Vater gewidmet.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1070889_image" /></div> <BR /><BR /><b>Das Filmprojekt „Vermiglio“ hat viel Zeit in Anspruch genommen, vor allem bei den Recherchearbeiten. Wie sind Sie da vorgegangen?</b><BR />Delpero: Wir haben uns lange in Vermiglio und im Tal aufgehalten und vor allem die älteren Menschen über ihre Kindheit interviewt. Sie hatten noch sehr lebendige Erinnerungen an die alten Zeiten. Wir sind wohlwollend aufgenommen worden. Die Einwohner waren glücklich, mit uns ihre Geschichten zu teilen.<BR /><BR /><BR /><b>Und wie ist es Ihnen gelungen, Dorfbewohner vor die Filmkamera zu bringen?</b><BR />Delpero: Glücklicherweise konnten wir ihr Vertrauen gewinnen. Wir haben auch viele Kinder des Dorfes gefilmt. Nur einige der Protagonisten sind professionelle Schauspieler. Wir haben auch kein Casting gemacht, denn die Gesichter die wir suchten, findet man nur, indem man unter den Dorfbewohnern sucht.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1070892_image" /></div> <BR /><BR /><b>Und welche Rolle hat Südtirol bei der Entstehung des Films gespielt?</b><BR />Delpero: Die IDM Film Commission Südtirol hat uns sowohl bei der Entwicklung des Projekts, als auch bei der Produktion sehr unterstützt. Viele Landschaften, die man im Film sieht, wurden in Südtirol gedreht, u.a. im Klösterle Sankt Florian in Laag/Neumarkt und in dessen Umgebung. Und auch viele Menschen, die am Film mitgearbeitet haben, sind Südtiroler.<BR /><BR /><BR /><b>Planen Sie eine Filmpremiere in Vermiglio oder in Bozen?</b><BR />Delpero: Eine Premiere könnte es am kommenden Wochenende in Vermiglio und Bozen geben, wir arbeiten noch daran. Der Film ist im Ausland auch stark gefragt. Ich werde viel reisen, um ihn vorzustellen. Es ist immer eine Freude zu erleben, wie er bei den Zuschauern ankommt.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1070895_image" /></div> <BR /><h3> Die Preise der 81. Filmfestspiele in Venedig</h3><BR />Golderner Löwe: an Regisseur Pedro Almodóvar für „The Room Next Door“ <BR />Silberner Löwe: für beste Regie an US-Amerikaner Brady Corbet für „The Brutalist“ <BR />Großer Preis der Jury an Maura Delpero für „Vermiglio“ <BR />Spezialpreis der Jury an georgische Filmemacherin Dea Kulumbegashvili für „April“ <BR />Schauspiel-Preise an Nicole Kidman in „Babygirl“ und Vincent Lindon in „The Quiet Son“<BR /><h3> „Es braucht Filmförderung“</h3><BR />Besonders die Bedeutung öffentlicher Filmförderungen, um die Zukunft des Kinos zu gewährleisten, hat die aus Bozen stammende Regisseurin <b>Maura Delpero</b> in ihrer Dankesrede bei den Filmfestspielen in Venedig hervorgehoben. „Ohne öffentliche Gelder hätte ich meinen Film nicht drehen, ich hätte keinen Dialekt verwenden können, der Streifen hätte keine Filmmusik gehabt. Ich hätte den Zuschauer nicht auf eine Reise durch Zeit und Raum führen können und nicht der Stille der Berge lauschen können. Es ist wichtig, den Dialog zwischen dem unabhängigen Kino und den Institutionen zu fördern“, sagte sie. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1070898_image" /></div> <BR />Die Regisseurin hat Teile des Films gedreht, während sie ihre Tochter stillte: „Das war nicht einfach. Daher danke ich all jenen, die sich für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie einsetzen, was vor allem für Frauen sehr schwierig ist. Ich hoffe, dass die Gesellschaft beginnt, dieses Problem als ihr eigenes zu empfinden und die Frauen nicht allein lässt.“<BR /><BR /><BR />Delperos Werk erntete viel Zustimmung, unter anderem von der Jurypräsidentin der Filmfestspiele von Venedig <b>Isabelle Huppert.</b> Die französische Schauspielerin betonte, sie schätze vor allem die Poesie von Delperos Film: „In'Vermiglio' beobachtet man, wie die Kinder inmitten der Natur aufwachsen, mit dem Blick für die Jahreszeiten und die Tiere. Dieser Film hat uns voll überzeugt.“<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1070901_image" /></div> <BR /><BR /><BR />„Maura Delperos Stimme behauptet sich in der italienischen und internationalen Kinoszene. Bei ihrem zweiten Film beweist sie eine sichere Hand beim Schreiben des Drehbuchs und bei den Dreharbeiten“, kommentierte auch <b>Paolo Del Brocco,</b> Geschäftsführer von Rai Cinema, der den Film produziert hat. „Maura Delpero ist eine Regisseurin mit außergewöhnlicher stilistischer Handschrift, die in der Lage ist, zeitlose Geschichten zu erzählen und die menschliche Seele tief gehend zu erforschen, indem sie immer wieder aktuelle Themen wie die Suche nach Unabhängigkeit und Mutterschaft anspricht“, fügte er hinzu.<BR /> Lob erntete der Film auch von der italienischen Kultur-Staatssekretärin <b>Lucia Borgonzoni,</b> die Delpero als „talentierte“ Regisseurin bezeichnet, „'Vermiglio' ist eine intime Familiengeschichte und zugleich kollektiv nachvollziehbar, für die sie den Silbernen Löwen ganz und gar verdient hat.“