Wie Emily selbst, muss auch ihr Filmporträt einen eigenen Weg finden, innerhalb der begrenzten Möglichkeiten des Bio-Pic-Genres. Die oberflächliche Frage nach historischer Akkuratesse beantwortet Frances O’Conner mit Kostümen und den Namen der Figuren. Auch die Drehorte entsprechen dem nordenglischen Lebensmittelpunkt der Bronte-Familie in Haworth, Yorkshire. Doch unter dieser faktischen Oberfläche geht es dem Film vor allem um eine innere Landschaft, die ebenso karg wie wild ist – gebremst freilich durch die Unfreiheit als Frau zu jener Zeit.<BR /><BR />Emily ist „die Seltsame“ der Familie, die sich schwer tut unter Fremden und deshalb zu Hause festsitzt bei ihrem strengen Pastoren-Vater. Dort erledigt sie Hausarbeit und bekommt eine protestantische Erziehung samt Französisch-Unterricht. Zu ihrem Lehrer wird der Hilfspastor William Weightman. Und bei ihm beginnt die Fiktionalisierung, die Drehbuchautorin O’Conner ihrer Protagonistin schenkt. Denn aus der Abneigung der beiden wird bald eine leidenschaftliche Affäre.<BR /><BR />Auch wenn die vielen Kostüm-Schichten die Konsumation der Liebe erschweren, wird hier nicht verschämt-romantisch angedeutet. Ihr Französisch verbessere sich sehr, schreibt Emily schon bald an ihre Schwester, und meint damit nicht nur die Sprache. Doch der Film tut einiges, um diese heftige heimliche Beziehung nicht romantisch zu verkitschen, unterstützt durch die markante Musik von Abel Korzeniowski. <h3> Regisseurin verzichtet auf Erklärtext</h3>Die Autorin der nach einer britischen Umfrage zur „greatest love story of all time“ gewählten „Wuthering Heights“ erzählt darin von einer dunklen, brutalen Passion. Das BioPic „Emily“ liefert nun eine fiktive biografische Inspiration dafür. Der bigotte Pastor ist kein netter Gentleman à la Mr. Darcy, auch wenn ihn Oliver Jackson-Cohen durchaus mit ambivalentem Charisma spielt. <BR /><BR />Vor allem jedoch gibt die großartige Hauptdarstellerin Emma Mackey ihrer Emily ein inneres Feuer, das ebenso heftig wie dunkel brennt und sich nicht erst an einem Mann entzündet. Das lässt die Figuren um Emily herum zeitweise eindimensional werden, mit Ausnahme ihres seelenverwandten Künstler-Bruders Branwell („Dunkirk“-Star Fionn Whitehead). Schwester Charlotte (Alexandra Dowling), immerhin Autorin von „Jane Eyre“, wird nur als brave Lehrerin ins Bild besetzt. <BR /><BR />Auf einen Erklärtext nach den etwas langen 130 Filmminuten über das reale Schicksal der Titelfigur verzichtet Regisseurin Frances O’Conner hier interessanterweise. Wer nichts über Emily Brontë weiß, kann es selbst nachlesen. Doch das ist eher eine Frage für Literaturhistoriker, nicht für Kinogänger.<h3> Termin:</h3> Ab heute im Filmclub Bozen