Filmkritiker Helmut Groschup durchstöbert für Sie YouTube und stellt wöchentlich hier einen Klassiker vor. Heute: „Cabaret Balkan“ von Goran Paskaljevic aus dem Jahr 1998 (Jugoslawien/Frankreich ).<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="636446_image" /></div> <b>Titel:</b> auch „Bure Baruta“; dt. Verleihtitel „Das Pulverfass“<BR />Preis der Internationalen Filmkritik am Filmfestival Venedig 1998.<BR /><BR /><BR />2001 wurde Paskaljevic von der größten Branchenzeitung Hollywoods als einer der 5 besten Regisseure der Welt ausgezeichnet.<BR /><BR /><BR />Der Serbe Goran Paskaljevic ist einer der angesehensten unabhängigen Filmemacher Europas. Er wurde am 22.4.1947 in Belgrad geboren und studierte an der bekannten Prager Kinoschule (FAMU). Er hat 30 Dokumentarfilme und 17 Spielfilme gedreht. (IMDb) Am 25.9.2020 ist er 73-jährig in Paris gestorben.<BR /><BR /><BR /><b>Expertenmeinung</b><BR /><BR /><BR />„Einer seiner besten Filme heißt 'Das Pulverfass' (1998). Er erzählt Alltags-Geschichten, die aber in eine Katastrophe münden, die in Hass und Zwietracht enden, mit Mord und Totschlag.<BR /><BR /> Zum Beispiel: Ein Mann erschlägt im Streit den Freund. Mit einer Handgranate wird er sich später in einem Zug in die Luft sprengen. (Der unvergleichliche Lazar Ristovski spielte, Protagonist vieler Paskaljevic-Filme.) <BR />Der Film spielte nachts, im Dunkel von Belgrad, am Tag nach dem Dayton-Abkommen. Es ist ein Film der Verzweiflung. Mit dem 'Pulverfass' ist Belgrad gemeint, Serbien, der Balkan. Wie ein Seismograph spiegelte der Film eine innere Verfassung der Serben wieder. Er war weder pro-serbisch noch anti-serbisch. Und löste doch eine heftige politische Kontroverse aus. Paskaljevic sei ein 'Lügner', ein 'Verräter', ein 'Denunzian', er benütze serbisches Geld für einen Film, der 'das Böse im serbischen Volk' beschreibe, schrieb damals die Milosevic-nahe Zeitung 'Politika'. <BR /><BR />Im Gegenzug hielt Paskaljevic mit seiner Meinung über das 'totalitäre und intolerante Regimes Milosevic' nicht zurück. Die Folge: Er musste seine Heimat verlassen. Belgrad, Serbien, seine Menschen und ihr innerer Zustand, ihre 'condition humaine’ blieben sein Thema.“<BR /> (Klaus Eder, Präsident der internationalen Filmkritiker Vereinigung FIPRESCI anlässlich der Ehrenpreisverleihung für das Lebenswerk beim Internationalen Filmfestival Innsbruck)<BR /><BR /><BR /><b>Was passiert</b><BR /><BR /><BR />Eine Nacht in Belgrad. Willkommen im Cabaret Balkan. Conférencier Boris empfängt Sie zu einer nächtlichen Fahrt durch die Stadt.<BR />Begegnen Sie zuerst einem Taxifahrer, der eine alte Rechnung mit dem ehemaligen Polizisten Dimitri zu begleichen hat. Sein Fahrgast Mané, ein Heimkehrer aus Frankreich, will eine frühere Geliebte aufspüren. Eine junge Frau wird ihrerseits Zeugin eines absurden Bus-Kidnapping und führt Sie zum jungen bosnischen Rebellen, der in dubiose Drogengeschäfte verwickelt ist. Treten Sie unter die Dusche zweier Boxer und verfolgen Sie, wie jedes ihrer Worte ihre Freundschaft mit Hass vergiftet.<BR /><BR /><BR />Diese und andere Menschen treiben ziellos durch die dunklen Straßen. Sie haben sich den Phantomen ihrer Vergangenheit zu stellen, um eine Zukunft zu haben. Das Pulverfass, auf dem sie sitzen, kann jeden Moment hochgehen.<BR /><BR /><BR />Goran Paskaljevic („Someone Else's America“) paart die verschlungene Struktur eines 'Short Cuts' mit dem bitterbösen Sarkasmus von „Pulp Fiction“ zu einer explosiven Mischung. Die besten jugoslawischen SchauspielerInnen sind hier vereint zu einer einmaligen Demaskierung der Absurdität von Gewalt. <BR />(Cine Image)<BR /><BR /><BR /><b>Filmkritik</b><BR /><BR /><BR />„Das Pulverfass“ präsentiert als düster-groteske Gesellschaftssatire die Momentaufnahme einer selbst zerstörerischen Gemeinschaft von Menschen in der serbischen Hauptstadt, die zum Schauplatz privater Bürgerkriegsgefechte zwischen ganz normalen Leuten wird.“ <BR />(Karsten Treber, arte Filmklassiker)<BR /><BR /><BR /><b>Fazit</b><BR /><BR /><BR />„Eine schockierende Analyse der verrückten politischen Verhältnisse, ohne die Politik mit einem Wort zu erwähnen“, hieß es in der Begründung zur Verleihung des Kritikerpreises im Rahmen des Europäischen Filmpreises 1998, den Paskaljevic neben zahlreichen anderen Auszeichnungen für „Das Pulverfass“ erhielt. Mit der schmerzvollen Referenz an seine Heimatstadt holte der serbische Auswanderer Dejan Dukovskis preisgekröntes Stück von der Bühne in die nächtlichen Straßen Belgrads. Dort entladen sich mit einem Mal lang aufgestaute Aggressionen. Wie etwa bei einem Taxifahrer, der nach einem Bagatellunfall das Auto seines „Gegners“ zertrümmert. Doch das ist erst der Anfang der Gewaltspirale... Das schwarzhumorige, kompromisslose Sittenbild Jugoslawiens wurde 1999 in den USA zu einem der fünf besten ausländischen Filme gewählt. <BR />(Filmfest München)<BR /><BR /><BR /><b>Buchtipp</b><BR /><BR /><BR />The Cinema of Goran Paskaljevic, Belgrad 2010 mit Unterstützung des British Film Institut<BR /><BR />Der Filmklassiker <a href="https://www.youtube.com/watch?v=kf6XsreEfmI" target="_blank" class="external-link-new-window" title="">Cabaret Balkan</a> ist bei Youtube zu finden. <BR /><BR /><BR /><BR /><BR /><BR /><BR /><BR /><BR /><BR /><BR /><BR /><BR /><BR /><BR /><BR /><BR /><BR /><BR /><BR /><BR /><BR /><BR /><BR /><BR /><BR /><BR /><BR /><BR /><BR /><BR /><BR /><BR /><BR /><BR /><BR /><BR /><BR /><BR /><BR /><BR /><BR /><BR /><BR /><BR /><BR /><BR /><BR /><BR />