Filmkritiker Helmut Groschup durchstöbert für Sie YouTube und stellt wöchentlich hier einen Klassiker vor. Heute: „Piravi“ (Die Geburt) von Shaji N. Karun (Indien 1988).<BR /><BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="646853_image" /></div> <BR /><BR /><b>Premiere:</b> Filmfestival Cannes 1989<BR /><BR /><BR /><b>Der Regisseur</b><BR /><BR /><BR />Shaji Neelakantan Karun, 1950 in Kerala, Indien, geboren, zeichnete bei den meisten Filmen des legendären Regisseurs Govindan Aravindan für die Kamera verantwortlich und damit auch für Innovationen in der Bildgestaltung des indischen Films. Für seine Verdienste wurde er 1990 unter anderem mit dem Eastman Kodak Award for Excellence ausgezeichnet. Nach zahlreichen Kurzfilmen (darunter „Wild Life of Kerala“, 1979, und Kannikal, 1986) entstand „Piravi. Sein zweiter Spielfilm, „Swaham“ (1994), der in Cannes im Wettbewerb lief, erzählte wieder vom Thema Trauer. Es folgten „The Last Dance“ (1999) sowie „Nishad“ (2002), „Kutty Srank“ (2009), „Swapaanam“ (2013) und „Oolu“ (2018). Shaji N. Karun realisierte außerdem mehrere Dokumentarfilme. 2014 wurde Shaji N. Karun mit dem Ehrenpreis für sein Lebenswerk beim Internationalen Filmfestival Innsbruck ausgezeichnet.<BR /><BR /><BR /><b>Preise:</b><BR />Camera d’Or (besondere Erwähnung) Cannes 1989<BR />Silver Leopard Locarno 1989<BR /><BR /><BR /><b>Was passiert</b><BR /><BR /><BR />Raghu ist der einzige Sohn des alt gewordenen Raghavan Chakyar und seiner kranken Frau. Nun studiert Raghu in der nächsten Großstadt Ingenieurwissenschaften. Sein Vater erwartet ihn zu Hause, damit sie die Verlobung seiner Tochter Malathi feiern können. Tagtäglich wartet er bis in die Nacht hinein an der Bushaltestelle auf Raghus Rückkehr. Doch sein Sohn kommt nicht, und auch von Raghus Studienkollegen erhält er keine Auskunft. <BR /><BR /><BR />Über die Zeitung erfahren sie von Raghus Haft durch die Polizei. Der Grund dafür war eine politische Auseinandersetzung. Raghavan beschließt, sich auf die Suche nach seinem Sohn zu machen und reist in die Stadt. Von einer Polizeistation zur nächsten, sogar bis zur Hauptniederlassung, fragt er nach Raghu. Doch da scheint keiner über Raghu Bescheid zu wissen. Sie leugnen die Fakten, dass Raghu je in Haft genommen wurde. <BR /><BR /><BR />Enttäuscht kehrt Raghavan wieder ins Dorf zurück. Seine Tochter Malathi schöpft Verdacht und macht sich selbst auf die Suche. Von Raghus Kameraden erfährt sie, dass Raghu durch die Folter der Polizei gestorben ist. Zu Hause bringt sie es nicht übers Herz, ihrem Vater die Wahrheit zu sagen. Der wiederum beginnt, von einer vereinten Familie zu träumen. <BR /><BR /><BR />„Der Film geht auf 2 verschiedene Ursprünge zurück. Einerseits ist da eine sehr gefühlvolle Geschichte, die einigen meiner Verwandten zugestoßen ist. ...Andererseits ließ ich mich von einem wichtigen politischen Ereignis inspirieren.“ (Shaji N. Karun)<BR /><BR /><BR /><b>Expertenmeinung</b><BR /><BR /><BR />Im Zentrum steht eine meditative Form, in der selbst der Monsunregen seine Schönheit zurückgewinnt. Man spürt es in jeder Einstellung, dass der junge indische Regisseur als Kameramann ausgebildet wurde und als Kameramann gearbeitet hat, denn jedes einzelne Bild ruht gewissermaßen in sich selbst, trägt jene Stimmung mit, die den ganzen Film, diese liebevolle Suche nach der ungebrochenen Familienbande prägt. <BR /><BR />Aus den monochron reich wirkenden Bildern, die alles Grelle meiden, wachsen die verblüffendsten, bisweilen kontrapunktisch gesetzten Töne; ihnen schenkt Shaji eine ebenso wichtige Bedeutung und sehr viel Aufmerksamkeit. Sein Film singt uns ein mehrstimmiges Lied von innerer Ruhe, stimmt eine Wassermusik an, auf der wir gleichsam dahingleiten. Und gleichzeitig thematisiert er unaufdringlich ein inneres Gefälle in einem Staat wie Indien, der von kolonialen Spuren unauslöschlich geprägt ist, in dem der Gegensatz zwischen Land und Stadt immens ist. <BR /><BR />Das Politische ist immanent. Shaji führt uns dies in wenigen, dafür präzis komponierten Einstellungen vor Aug und Ohr, in einer Filmsprache, die wie ihre Handlung auf falsche Hektik verzichtet und mit sanften Impulsen sich auf dem Fluss des Lebens bewegt, eines Lebens, das im Auszug aus dem Upanishaden, einem heiligen indischen Text, im Prolog als stetig wiederkehrendes existiert, in dem der Tod Anfang bedeutet, das Wasser Leben.<BR />(Walter Ruggle, trigon-film)<BR /><BR /><BR /><b>Filmkritik</b><BR /><BR /><BR />Shaji N. Karun reiht sich mit seinem ersten Werk in beschaulichem Stil in die Tradition der großen Meister ein. Der Film fasziniert unter anderem durch seine erzählerische Weisheit, die das politische Thema in eine bewegende Atmosphäre von Trauer und Spiritualität einwebt. (Corriere della Sera)<BR /><BR /><BR /><b>Fazit</b><BR /><BR /><BR />Es gibt Filme, die muss man nicht verstehen, die lebt man oder man lebt in ihnen und natürlich mit ihnen. Ich habe kaum einen Film gesehen,, mit dem ich leben möchte. Es ist wie mit der ewigen und idealen Liebe. Und immer wieder schaust du und hörst auf zu denken. Es ist wie ein afrikanischer Filmemacher mit französischer Sprachgewohnheit einst beim Festival in Izola (Slowenien) sagte: „Today I saw an Indian film with German subtitles. I did not understand a word, but I understood everything.“ (gro)<BR /><BR /><BR /><b>Literaturempfehlung</b><BR />Piravi, trigon-film Dokumentation Nr.8<BR /><BR />Der Filmklassiker <a href="https://www.youtube.com/watch?v=6sZ-iyQ733A" target="_blank" class="external-link-new-window" title="">„Piravi“ </a>ist mit deutschen Untertiteln zu finden bei Youtube.<BR /><BR /><BR /><BR /><BR />