In „Xala“ erzählt Sembène von einem Politiker, der sich die dritte Frau nimmt, aber dann, als es am Abend ernst gelten sollte, impotent ist.<BR /><BR /><BR />„Xala“ <BR />Regie: Ousmane Sembéne<BR />Senegal 1975<BR />Internationale Premiere: Moskau 1975<BR />Titel: Xala ist ein Wolof-Wort und bedeutet „Fluch“.<BR /><BR /><BR />Ousmane Sembene (1923-2007)<BR />Weitere Filme: „La Noire de...“ (1966), „Borom Sarret“ (1963), „Guelwaar“ (1992), „Camp de Thiaroye“ (1989)<BR /><BR /><BR /><BR /><b>Was passiert</b><BR />Der Film spielt im Senegal nach Beendung der französischen Besatzung, in dem die gesellschaftliche Oberschicht des Landes über mehr Macht als früher verfügt, sich für die breite Bevölkerung aber nicht viel verändert hat. Protagonist der Geschichte ist der Minister und Geschäftsmann El Hadji Abdou Kader, der es sich leisten kann, mehrere Ehefrauen zu haben, was nach alter Tradition immer noch legal ist. <BR />Als er seine dritte Ehefrau heiratet, wird er mit einem alten senegalesischen Fluch belegt, der ihn impotent macht und ihn in der Hochzeitsnacht beschämt. Er begibt sich erfolglos auf die Suche nach Heilung, zunächst bei einem modernen Mediziner, später auch bei traditionellen Medizinmännern (unter Verwendung von „Hexenkräften“) und mit der Zeit schwindet auch sein gesellschaftliches Ansehen und er wird schließlich nach Verlust seines politischen Amtes und seiner Firma zum Bettler.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="659960_image" /></div> <BR /><BR /><BR /><b>Ousmane Sembène</b><BR />Sembène Ousmane blickte auf ein Leben zurück, das man sich intensiver kaum vorstellen könnte. 1923 als Sohn eines Fischers geboren, war er schon als Schüler ein Rebell und flog 13-jährig aus der Schule, weil er den Lehrer geohrfeigt hatte. Der Knabe sah nicht ein, warum er im Senegal korsisch lernen sollte. <BR />Er arbeitete als Mechaniker und Maurer in Dakar und begann sich fürs Kino zu interessieren. Er kämpfte als Soldat der französischen Armee im Niger, im Tschad, in Nordafrika und schließlich 1944 gegen die Deutschen. Drei Jahre später reiste er clandestin ins Land der Kolonialherren und arbeitete dort als Hafenarbeiter in Marseille, wo er an einer dreimonatigen Blockade gegen Schiffe teilnahm, die nach Indochina in den Krieg auslaufen sollten. <BR />Nachdem er 1956 seinen ersten Roman „Le docker noir“ veröffentlicht hatte, beschloss Sembène nach Moskau zu reisen, um dort Film zu studieren. Im westlichen Europa hatte man für Afrikaner keine Studienplätze, Moskau war für viele von ihnen der Ort, an dem sie sich ausbilden konnten. Und Bücher, das hatte Sembène rasch begriffen, konnten nicht das Mittel sein, die eigenen Leute zu erreichen. Die Widmung, die er dem ersten Buch voranstellte, macht deutlich, warum: „Ich widme dieses Buch meiner Mutter, obwohl sie nicht lesen kann. Zu wissen, dass sie ihre Finger darauf spazieren führt, macht mich allein schon glücklich.“ <BR />Zwar schrieb Sembène Ousmane immer weiter, aber er setzte vor allem aufs Kino, mit dem er auch des Lesens Unkundige wie seine eigene Mutter erreichen konnte. <BR /><BR />(trigon-film)<BR />„Alle meine Filme handeln von Afrika. Mir geht es darum, in meinen Filmen zu meinem Volk zu sprechen. Ich beziehe mich dabei auf eine genuin afrikanische Geschichte, unsere Kultur, unsere Philosophie und versuche darüber, die afrikanische Evolution zu beschreiben. Unsere Metaphern oder unsere Musik sind mit denen Europas nicht zu vergleichen. Daraus entsteht für mich allerdings kein Antagonismus. Ich betrachte es lediglich als eine Ergänzung, eine Fortführung der Menschheitsgeschichte. Trotzdem sind wir heute an einem Punkt in unserer Geschichte angekommen, an dem wir uns nicht mehr auf andere verlassen können. Unser Schicksal liegt in unseren eigenen Händen.“ (zitiert nach Wikipedia)<BR /><BR /><BR /><BR /><b>Expertenmeinung</b><BR />Mein Schlüsselerlebnis mit Sembène war 1975, als er seinen Spielfilm „Xala“ in Locarno präsentierte. Am Tessiner Festival stand in jenen Jahren noch die Pflege des Kinos im Vordergrund und nicht die Pflege der Sponsoren. Und da kam einer mit seinem Film, der seiner senegalesischen Bourgeoisie einen schonungslosen Spiegel vorhielt, der in einer Satire aufzeigte, wie die schwarzen Herrschaften von den weißen Kolonialherren nicht mehr gelernt hatten als die öden Kostümspiele, das Verstecken hinter Äußerlichkeiten, das Betonen von Hierarchien und das Ausbeuten der anderen. In „Xala“ erzählt Sembène von einem Politiker, der sich die dritte Frau nimmt, aber dann, als es am Abend ernst gelten sollte, impotent ist. Sembène hat thematisch ganz unterschiedliche Filme gemacht, aber immer mit der Idee, aufklärerisch zu wirken. „Emitai“ ist im Zweiten Weltkrieg angesiedelt, „Ceddo“ im 17. Jahrhundert. Hier zeigt er, wie ein afrikanisches Dorf Widerstand gegen die Islamisierung leistet. Er war zutiefst überzeugt davon, dass Afrika über genügend eigene Kräfte und Energien verfügte und also seinen Blick nach innen richten konnte und weder nach Saudi Arabien noch nach Europa schielen musste. Am Ende waren es die Frauen und ihre natürliche Widerstandskraft, denen er ein Denkmal setzte mit „Faat Kine“. (Walter Ruggle)<BR /><BR /><BR /><BR /><b>Filmkritik</b><BR />„Der Film verschont niemanden – Kaders Nachfolger in der Kammer beispielsweise ist ein gewöhnlicher Taschendieb –, aber Sembène besteht darauf, dass Afrika eine bessere Zukunft als diese hat. Es ist seine Ironie, gepaart mit Wut, die seine Arbeit herausragend und vielleicht leichter verständlich machen als viele afrikanische Filme.“ (Derek Malcolm, The Guardian)<BR /><BR /><BR /><b>Award</b><BR />Spezialpreis beim Filmfestival von Karlovy Vary<BR /><BR /><BR /><b>Fazit</b><BR />Sembène war einer der ganz großen der Filmgeschichte und er war ein Sir. Ich habe ihn in Ouagadougou kennengelernt, und er hat mich sofort fasziniert. Ich habe ihn nach Innsbruck eingeladen, wo er den Publikumspreis gewonnen hat. Sembène hat die offizielle afrikanische Geschichtsschreibung auf den Kopf gestellt und natürlich die Schuld an Afrikas Unterentwicklung auch der korrupten Oberklasse zugeschrieben. Seine Filme sind jenseits von jedem Ethnokitsch angesiedelt, jeder für sich. Ich erinnere mich, wie er im Hotel International mit seiner Pipe gesessen ist und gesagt hat: Welche Filme Du von mir zeigst bestimme ich!. <BR /><BR /><BR /><b>Literaturempfehlung</b><BR />Roman von Ousmane Sembéne: Chala, Reihe Dialog Afrika, Ullstein, Frankfurt am Main/Berlin/Wien 1982<BR /><BR />Dieser Filmklassiker ist mit englischen Untertiteln zu finden bei Youtube.<BR /><BR /><BR /><BR /><BR />