Freude rund um den Tod statt Halloween-Grusel: Auch in Europa wird der schrille Brauch aus Mexiko immer beliebter. <BR /><BR /><BR /><BR /><BR />Florale Muster auf Stirn und Wangenknochen, weiße Zähne auf den Lippen, dramatischer Lidschatten: Wer sich zum Tag der Toten in ein stilechtes mexikanisches Skelett verwandeln will, findet im Internet eine ganze Fülle von Videos mit den präzisen Schminkanleitungen.<BR /><BR /> Auch in Europa wird die Tradition immer beliebter. Das Motto heißt Freude rund um den Tod statt Halloween-Grusel, präkolumbisches Erbe statt blutrünstiger Monster. Die Sache hat nur einen Haken: Mit dem ursprünglichen Tag der Toten in Mexiko hat das nicht viel zu tun.<BR /><BR /><b>Christliche Feier</b><BR /><BR />„Der Día de Muertos ist im Grunde eine christliche Feier, die auch von mesoamerikanischen indigenen Vorstellungen geprägt ist“, sagt der Archäologe Leonardo López Luján in Mexiko-Stadt. „Die Mesoamerikaner hatten Angst vor dem Tod“, erklärt der Leiter der Ausgrabungen am Templo Mayor der Azteken weiter.<BR /><BR />Der Anlass des eher besinnlichen Fests sind die katholischen Feiertage Allerheiligen und Allerseelen. Am 1. und 2. November wird in christlich geprägten Ländern auf der ganzen Welt der Verstorbenen gedacht. In Mexiko wird die Tradition vor allem in den indigenen Gemeinden gepflegt. Die Seelen der Familienmitglieder sollen an diesen Tagen aus dem Jenseits zu Besuch kommen.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="702296_image" /></div> <BR />Dafür werden in den Häusern und Wohnungen Altäre aufgestellt und geschmückt. Dazu gehören orangefarbene Cempasúchil-Blumen, Kerzen, Fotos, religiöse Zeichen, Speisen und Getränke. In Mexiko wird der Tag also eigentlich nicht mit Partys mit Musik, Tanz und Tequila gefeiert, sondern eher zu Hause und am Grab der Angehörigen. Die Unesco nahm den Brauch 2008 in die Liste des Immateriellen Kulturerbes der Menschheit auf.<BR /><BR />Die Zucker- und Schokoladenschädel, die in Mexiko zu dieser Jahreszeit überall zu finden sind, erinnern an die Totenköpfe der aztekischen Menschenopfer. Aber aus Sicht der Historikerin Elsa Malvido (1941-2011) liegt der Ursprung vielmehr in den Reliquien der Heiligen der katholischen Kirche. Auch in Europa habe es jahrhundertelang ähnliche Leckereien gegeben.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="702299_image" /></div> <BR /><BR />Der „Mythos“ des ausgelassenen Umgangs der Mexikaner mit dem Tod sei frühestens nach den 1920er Jahren entstanden, sagt der Archäologe López Luján. Vor allem Intellektuelle und Künstler hätten den Trend nach der Mexikanischen Revolution gefördert und als Bestandteil einer neuen nationalistischen Ästhetik etabliert.<BR />Der Wandmaler Diego Rivera (1886-1957), Ehemann der Künstlerin Frida Kahlo, spielte dabei eine wichtige Rolle. Er stellte die jetzt berühmte Skelettfrau „Catrina“ mit langem Kleid und Stola in seinem Gemälde „Sonntagsträumerei in der Alameda“ dar. Vorbild war eine Illustration des Kupferstechers José Guadalupe Posada.<BR /><BR />Vor wenigen Jahren griff dann die Filmindustrie in die Tradition im Ursprungsland ein und entwickelte sie weiter. Zu Beginn des James-Bond-Films „Spectre“ (2015) laufen der Hauptdarsteller Daniel Craig und eine Begleiterin mit Kostümen mitten durch eine Parade zum Tag der Toten in Mexiko-Stadt. Dabei gab es so einen Umzug bislang überhaupt nicht.<BR /><BR />„Wir müssen einen Karneval zum Tag der Toten erfinden. Nach dem James-Bond-Film werden sonst die Touristen kommen, nach einem Karneval suchen und ihn nicht finden“, sagte der damalige Tourismusminister Mexikos. Und so wurde es gemacht.<BR /><BR /><b>Disney will sich Marke sichern</b><BR /><BR />Ärger gab es, als die Studios Disney-Pixar angeblich versuchten, den Namen „Día de los Muertos“ als Marke registrieren zu lassen. Später nannten sie ihren Animationsfilm „Coco“ (2017) und räumten für das gefeierte Werk 2018 einen Oscar ab.<BR /><BR />Jetzt findet die „Internationale Parade zum Tag der Toten“ in Mexiko-Stadt jährlich Ende Oktober im Vorfeld des tatsächlichen Feiertages statt. Die Stadtverwaltung ehrt dabei jedes Mal eine bestimmte Gruppe. Bei der diesjährigen Ausgabe soll der Corona-Opfer gedacht werden. 2020 fand die Parade wegen der Pandemie nicht statt.<BR /><BR />Inzwischen hat sich zudem eine richtige Kunst des Schminkens zum Tag der Toten entwickelt, die auch im Ausland sehr beliebt ist. Der Make-up-Artist Martín Ortiz, als Martín SBK bekannt, knüpft mit seiner Technik an die Tradition der Künstler des 20. Jahrhunderts an. „Das Hauptmerkmal der Catrinas ist es, schön, glamourös, imposant und ästhetisch zu sein, mit viel Farbe“, sagt der Experte der Make-up-Schule Seicento. „Vor allem ehrt unsere Arbeit ihren Schöpfer José Guadalupe Posada. Er hat nicht aufgehört, die Künstler dieser Epoche zu inspirieren“.