<i>Von Helmut Groschup</i><BR /><BR />Gefängnisse kennt man ja nur vom Hörensagen oder durch den Vater, der Gefängnisrichter war oder aus dem Kino, und Etienne war auch noch nie zuvor im Gefängnis, und plötzlich hat er es mit hartgesottenen Häfenbrüdern zu tun, denen er was beibringen will. Wir sehen eine Verschränkung aus einem Gefängnisfilm und einem Theaterfilm, ja was ergibt das? 2012 haben die Taviani Brüder den Film „Cesar muss sterben“ bei der Berlinale vorgestellt, in dem ein Theaterregisseur in einem römischen Gefängnis Shakspears „Julius Cesar“ mit Gefangenen einübt, und sie haben mit diesem Film den Goldenen Bären gewonnen.<BR /><BR /> Es gibt da einen gewissen Bedarf, etwas zu zeigen, das der Normalbürger nicht kennt, dies dann nochmals zu verschränken mit einer Sache, die der Normalbürger auch nur dem Sagen nach kennt, ist ein Experiment. Godot und Cesar sind in jeder durchschnittlichen Hausbibliothek zu finden, ungelesen. Die Bedürfnisse nach Absurdität sind in der durchschnittlichen bürgerlichen Familie genauso gering wie wahrscheinlich jene von Schwerverbrechern. Zweiteres eine Vermutung.<BR /><BR /> Mein Vater hat Gefangene auch mit Kultur zusammengebracht; er ließ sie Buchdeckel machen für alte verlodderte Ausgaben literarischer Werke. Immerhin. Und ein Freund von mir hat musiziert mit den Häftlingen. Immerhin. Aber ausgerechnet Godot und das Warten auf ihn, das sollen die verstehen, meint die Gefängnisdirektorin. Ja, ist die Antwort der Häfenbrüder: So eine Theatervorstellung ist geiler als ein Banküberfall.<BR /><BR /> Da ist schon was erreicht, und es wäre dieser Triumph ein Erfolg geworden, wenn da nicht die Wärter wären, die ihre schlechte Bildung an den Gesetzlosen rächen. Das kann nicht lange durchgehalten werden. Da kommt mir „Down by Law“ von Jim Jarmusch in den Sinn. Sie wissen schon, was ich meine. Wer im Knast sitzt, will irgendwann mal nicht mehr warten und bricht aus. <BR /><BR />Der Film bekam den Europäischen Filmpreis für die beste Komödie und wurde nach Cannes in den Wettbewerb eingeladen, beides erst 2 Jahre her. Trotzdem ein Freund hat mir einst gesagt: „Es ist da drinnen viel schlimmer, wie's in den Filmen gezeigt wird.“ Na, dann lieber draußen absurd als drinnen nicht absurd, heißt es in einer der Schlüsselszenen in diesem französischen Film. Komödie habe ich jedenfalls keine gesehen, jedenfalls keine im üblichen Sinne. <BR /><BR />Ein Film, der nachdenklich macht über unsere Gesellschaft und wie diese mit Ein- und Ausbrechern umgeht. Ausgezeichnet gespielt und mit viel Gefühl inszeniert. Chapeau. Sagen wir 6 Chapeaus für die Männer und mindestens 3 für die Frauen, die ja sehr gnädig mit den eingesperrten Männern umgehen dürfen. Wie hat Samuel Beckett zu Jan Jönson gesagt: „Das ist das Schönste, was meinem Stück passieren konnte“.<BR /><BR /><b>Termin:</b> Filmclub Bozen<BR />