<Initiale_2Z></Initiale_2Z><BR />Gleich sieben Frauen stehen in Soldinis neuem Film „Le assaggiatrici“ („Die Vorkosterinnen“) im Mittelpunkt. Und obwohl der Regisseur kein Deutsch spricht, hat er ihn, der Glaubwürdigkeit halber, ganz in deutscher Sprache gedreht. Auch besetzt wurde die Produktion ausschließlich mit deutschen Schauspielern und Schauspielerinnen. Gedreht wurde der Film zu großen Teilen in der Drususkaserne in Schlanders. Über die größten Herausforderungen und die Dreharbeiten in Südtirol erzählt der Regisseur im Gespräch. Von Micaela Taroni<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1153890_image" /></div> <BR /><BR /><b>Wie schwierig war es für Sie, diesen Film in einer Ihnen fremden Sprache zu drehen?</b><BR />Silvio Soldini: Als ich erstmals das Drehbuch gelesen habe, war mir sofort klar, dass ich diesen Film in deutscher Sprache drehen musste, denn auf Italienisch hätte er nicht authentisch gewirkt. Mit den deutschsprachigen Schauspielern und Schauspielerinnen habe ich während der Dreharbeiten auf Englisch gesprochen. Außerdem war auch immer ein Übersetzer am Set. So haben wir das alles gemeistert.<BR /><BR /><BR /><b>War ein Film in deutscher Sprache nicht ein Wagnis, vor allem in einem Land wie Italien, in dem Filme meist synchronisiert in die Kinos kommen?</b><BR />Soldini: Ja, aber der Film scheint hierzulande trotzdem gut anzukommen. Auch unter dem italienischen Publikum wächst die Nachfrage nach Filmen in Originalsprache. Es war aber schon gewagt, einen Film mit einer ausschließlich deutschsprachigen Besetzung zu drehen. Auch wenn die Protagonistin Elisa Schrott im deutschsprachigen Raum bekannt ist, ist sie es nicht für italienische Zuschauer.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1153893_image" /></div> <BR /><BR /><b>Der Film wurde zum Großteil in der Drususkaserne in Schlanders realisiert. Wie sind die Dreharbeiten verlaufen?</b><BR />Soldini: Wir haben im Mai des vergangenen Jahres einige Wochen lang in Südtirol gedreht. Die Kaserne war die ideale Kulisse für unseren Film. Ich habe den wunderbaren Frühling im Vinschgau sehr genossen. Weitere Teile des Filmes wurden später in Belgien gedreht.<BR /><BR /><BR /><b>Sind Sie mit dem Kinostart zufrieden?</b><BR />Soldini: Ja, über den Film wird viel diskutiert. Er weckt in den Zuschauern Erinnerungen an die eigene Familiengeschichte. Inzwischen ist er schon in über 50 Länder verkauft worden. Ich bin gespannt, wie er in Deutschland aufgenommen wird. Er wird im Mai in Berlin uraufgeführt. <BR /><BR /><BR /><b>Was waren die größten Herausforderungen bei den Dreharbeiten?</b><BR />Soldini: Anfangs war ich etwas nervös, weil wir am Set viele Schauspieler und Schauspielerinnen zugleich koordinieren mussten. Das war nicht immer einfach, ich arbeite lieber mit wenigen. Die Arbeit mit deutschen Kollegen war für mich aber besonders wichtig, ihre Familien haben Hitler und den Zweiten Weltkrieg erlebt, der auch in den jüngeren Generationen Spuren hinterlassen hat. Eine Schauspielerin etwa hat uns gebeten, in einigen Szenen einen Pulli tragen zu dürfen, den ihr ihre Großmutter gestrickt hatte. Auch waren sie alle überrascht, dass das Buch „Le assaggiatrici“, das als Grundlage für den Film dient, bisher nicht ins Deutsche übersetzt worden ist.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1153896_image" /></div> <BR /><BR /><b>Wie haben Sie die deutschen Schauspieler und Schauspielerinnen in ihrer Arbeits- weise erlebt?</b><BR />Soldini: Sehr positiv. Sie waren alle sehr professionell und vor allem pünktlich! Die Protagonistinnen kannten sich nicht, doch nach zwei Tagen waren sie gute Freundinnen und haben eine starke Gruppe gebildet. Außerdem hat keine einzige Schauspielerin protestiert, weil wir sie im Film hässlicher machen mussten, als sie es im wirklichen Leben ist. Was hingegen in der Vergangenheit schon öfters passiert ist. <BR /><BR /><BR /><b>Was haben Sie als Nächstes vor? Gibt es neue Filmprojekte?</b><BR />Soldini: Nach einem Drama werde ich jetzt eine Komödie, wieder mit einigen ausländischen Schauspielern, drehen. Dazu will ich aber im Moment nicht mehr verraten.<h3> Zur Person Silvio Soldini</h3><BR />1958 in Mailand geboren, zog er mit 21 nach New York, um dort Film zu studieren. 1989 realisierte er seinen ersten Spielfilm „L'aria serena dell'ovest“, der den Preis der Jugendjury des Festivals Locarno erhielt. 1993 wurde „Un'anima divisa in due“ beim Festival von Venedig uraufgeführt. 1997 drehte er „Le acrobate“, der Film wurde auf den Filmfestivals von Locarno und San Francisco gezeigt. „Il colore nascosto delle cose“, sein vierter Film, lief 2017 in Venedig außerhalb des Wettbewerbs. 2000 kam „Pane e Tulipani“ heraus, sein bisher erfolgreichster Film. Er wurde neunmal mit dem David di Donatello ausgezeichnet. <BR /><h3> Rezension „Die Vorkosterinnen“</h3><BR />Sieben junge Frauen werden im ostpreußischen Dorf Gross-Partsch gezwungen, zwei Mal täglich Speisen zu sich zu nehmen, die Adolf Hitler daraufhin serviert bekommt. Sie werden als „Vorkosterinnen“ eingesetzt, um so Giftanschläge zu verhindern. Die Geschichte beginnt im November 1943, als die 26-jährige Rosa, auf der Flucht aus dem zerbombten Berlin, ein kleines, abgelegenes Dorf nahe der deutschen Ostgrenze erreicht, wo ihre Schwiegereltern leben und auf die Rückkehr ihres Sohnes von der Front warten. Doch wie es der Zufall will, hat Hitler sein Hauptquartier in der Nähe dieses Dorfes aufgeschlagen. <BR /><BR />Eines Morgens wird Rosa aufgefordert – wie andere junge Frauen aus dem Dorf auch – in der Kaserne zu erscheinen, um dort das Essen für den Führer zu kosten. Die Angst vor Gift gehört zur zwanghaften Paranoia Hitlers, der kein Fleisch isst, weder trinkt, noch raucht, aber überall Feinde sieht. Monatelang werden die jungen Frauen täglich als Hitlers Vorkosterinnen eingesetzt. Sie müssen mindestens eine Stunde nach dem Essen ausharren, damit Auswirkungen eines eventuellen Giftanschlags ausgeschlossen werden können. Das alles geschieht vor dem scharfen Blick der Nazi-Soldaten und Hitlers persönlichem Koch. Zweimal täglich also findet dieses verzehrende Ritual des Schreckens statt, eine Art Begräbnisritual unter Lebenden, bei dem der Tod auf der Zunge lauert und alles kontaminiert. Hin- und hergerissen zwischen Todesangst und Wut wegen ihrer unausweichlichen Lage schmieden die jungen Frauen untereinander Allianzen. <BR /><BR /><BR />Dabei fällt es der „Berlinerin“ Rosa anfangs schwer, von den anderen Dorfbewohnerinnen akzeptiert zu werden. Jede Frau verbirgt ein Geheimnis. Rosa freundet sich schließlich mit der verschlossenen Elfriede an und erfährt am Ende, dass sie eine jüdische Krankenpflegerin unter falscher Identität ist. Das Drama gewinnt an Intensität, als Rosa erfährt, dass ihr Mann an der russischen Front vermisst wird. <BR /><BR /><BR />Der Mailänder Regisseur mit Tessiner Abstammung Silvio Soldini hat mit finanzieller Unterstützung der IDM Film Commission den Roman „Le assaggiatrici“ der Schriftstellerin Rosella Postorino verfilmt, womit diese 2018 den prestigereichen Campiello-Literaturpreis gewonnen hat. Darin geht es um jene Frauen, die nach Erzählungen der 95-jährigen Margot Wölk, der letzten überlebenden „Vorkosterin“, dazu gezwungen wurden, die Gerichte für Hitler zu testen. Wölk hütete dieses Geheimnis bis kurz vor ihrem Tod 2014. <BR /><BR /><BR />Der Regisseur inszeniert eine intensive und spannende, auf knappen Dialogen basierende Erzählung. Mit Feingefühl porträtiert er die Charaktere der verschiedenen Frauen und ihre Schicksale inmitten der Wirren des Zweiten Weltkriegs. Die Beziehungen der Vorkosterinnen untereinander zeichnen ein Bild des Krieges, in dem Selbstbestimmung und Einsamkeit der Frauen im Vordergrund stehen. Die Abwesenheit eines Mannes an ihrer Seite macht sie verwundbar und vermittelt ein Gefühl des Ausgeliefertseins. Die historische Rekonstruktion und die Fotografie geben die beklemmende Atmosphäre der damaligen Zeit wieder und verstärken das Gefühl der Verletzlichkeit der Protagonistinnen. Dabei entsteht eine emotionale Intensität ohne Stereotypen. Um die Spannung des Romans „Le assaggiatrici“ im Film zu zeigen, hat Silvio Soldini eine rein deutschsprachige Besetzung gewählt. Elisa Schlott, bekannt durch ihre Rolle als Helena von Bayern in der Netflix-Serie „Die Kaiserin“ (2022), ist die Protagonistin Rosa Sauer. An ihrer Seite steht Max Riemelt in der Rolle des SS-Offiziers Albert Ziegler, der sich in Rosa verliebt, eine zwiespältige Figur, die Macht und Bedrohung verkörpert. Die Wiener Schauspielerin Alma Hasun, die als Franziska in „Das Korsett der Kaiserin“ (2022) auftrat, gehört ebenfalls zum Trio der Protagonisten. Sie verleiht der dramatischen Figur der Elfriede eine besondere Intensität. <BR /><BR /><BR /><Fett>Termin:</Fett> Filmclub Bozen, Uci Cinemas