Doch Festivalpräsident Eric Pleskow musste sich aus gesundheitlichen Gründen entschuldigen lassen, und Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny (SPÖ) verzichtete von sich aus auf umfassende Ausführungen und meinte humorvoll: „Auf dem Programmablauf steht, danach Herr Kulturstadtrat Hans Hurch auf die Bühne – ich möchte ihm da nicht allzu lange im Wege stehen.“ Also zeichnete Viennale-Direktor Hans Hurch in seiner anschließenden Eröffnungsrede ein ironisch-bitteres Sittenbild der politischen Verhältnisse, um angesichts der Skandalwelle mit Karl Kraus zu schließen: „Es ist das Nest, das uns beschmutzt.“„Schakale und Araber“ und „Le Havre“ zum AuftaktInsgesamt 374 Filme stehen in den kommenden zwölf Tagen am Programm, dazu zahlreiche Veranstaltungen in und um einige der zentralen Kinos der Stadt. Zum Auftakt standen mit dem diesjährigen Trailer von David Lynch, dem Kurzfilm „Schakale und Araber“ von Jean-Marie Straub und der lakonisch-warmherzigen Politparabel „Le Havre“ von Aki Kaurismäki gleich drei Filme am Programm. Während keiner der Regisseure in Wien anwesend war, erzählte Kaurismäkis Hauptdarsteller Andre Wilms – quasi der dritte Mann auf der Bühne -, wie er vom kauzigen finnischen Regisseur um zwei Uhr nachts in einer Bar gecastet wurde: „Er hat gesagt, Sie sehen interessant aus. Sie haben eine große Nase, Sie können unter der Dusche rauchen.“ Kurz darauf habe er unterschrieben.Zuvor hatte Mailath-Pokorny verkünden müssen, dass die übliche Trias aus Politik, Humor und Moral sich diesmal nur auf die Moral beschränke, da weder seine Rede noch jene von Pleskow zu hören sein würden. Der 87-jährige Pleskow habe Probleme mit den Bandscheiben, es gehe ihm jedoch verhältnismäßig gut. Für sich selbst verwies der Kulturstadtrat auf seine Homepage www.mailath.at, auf der seine Rede nachzulesen sei: „Es ist nicht so, dass ich nichts zu sagen hätte.“ Die Ansprache hätte sich mit der verfehlten Universitäts- und Bildungspolitik auseinandergesetzt und gefordert, dass alle „als selbstbewusste 'Mutbürger' Verantwortung für unser Gemeinwesen vorzuleben“ hätten. „Dafür gehen mittlerweile nicht nur Studierende auf die Straße.“Auch bei Hurch ging es zentral um Verantwortung und eine politische Verpflichtung gegenüber der Allgemeinheit, die nicht nur unter der Regierung von Wolfgang Schüssel (V) gelitten habe, sondern „jetzt auf seltsame Weise zurückgekehrt“ sei. Hurch fühlte sich an Nestroy erinnert und formulierte ein kleines, etwas unrein gereimtes Couplet, in dem Politiker und Lobbyisten wie Alfons Mensdorff-Pouilly ihr Fett abbekamen: „Am Kopf trägt er gern Jagdbehutung, ansonsten gilt die Unschuldsvermutung.“ Alle Protagonisten der Skandale zusammen vereinigten sich für den Viennale-Chef „zu einem überlebensgroßen Tableau von Nestroy'schem Zuschnitt.“ Und auch wenn er selbst „alles andere als ein Nestroy“ sei, so Hurch: „Aber die Verhältnisse verlangen nach einem.“Die Rede von Hurch fand großen Anklang im prominent besetzten Publikum, in dem sich unter anderem die österreichischen Regisseure Stefan Ruzowitzky, Ulrich Seidl und Arash T. Riahi befanden.Im Anschluss an die Filme stand im Rathaus der Bürgermeister-Empfang am Programm, bevor die frisch gebackene 49. Ausgabe des Festivals am Freitag ab 11 Uhr mit den ersten Filmen und im Laufe des Tages mit der Ankunft von Stargast Harry Belafonte richtig losgehen konnte.apa