<b>von Eva Gratl</b><BR /><BR />In den Räumen der Franzensfeste hängt nun „die verborgene Welt der Baustellen mit ihren enormen Tunnelräumen, Maschinen und landschaftlichen Umbrüchen“. Wir sollen also über eine Zeitbrücke gehen, wie die beiden Kuratoren Esther Erlacher und Patrick Moser erläutern. <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1192422_image" /></div> <BR /><b>Brücken haben etwas Verbindendes: Wie müssen wir uns die Zeit-Brücke, welche diese Ausstellung schlägt, vorstellen?</b><BR />Patrick Moser: Der Titel der Ausstellung bezieht sich weniger auf die beiden Bauwerke im wörtlichen Sinn, sondern vielmehr auf eine rhetorische Brücke durch die Zeit. Sie verbindet zwei bedeutende Großbaustellen: die historische Festung Franzensfeste und den modernen Brenner Basistunnel. Zwischen diesen Polen liegen rund 200 Jahre Geschichte – eine Zeitspanne, in der sich nicht nur die Technik, sondern auch die Gesellschaft grundlegend verändert hat. Die Ausstellung bringt diese beiden Welten miteinander ins Gespräch und stellt dabei vor allem die Menschen in den Mittelpunkt: die Arbeiter und Arbeiterinnen, die damals wie heute diese Großprojekte mit Leben gefüllt haben.<BR /><BR /><b>In der Fotografie spricht man oft von Dokumentarismen. Gregor Sailer hat das Baugeschehen des Brenner Basistunnels über Monate begleitet. Ist daraus ein Report aus der Wirklichkeit entstanden?</b><BR />Esther Erlacher: Gregor Sailer hat zwischen 2023 und 2024 über mehrere Monate hinweg die Bauarbeiten am Brenner Basistunnel begleitet. Mit seiner Großformatkamera ist er tief unter und über der Erde in das Baugeschehen eingetaucht. Er macht das Unsichtbare sichtbar: die unterirdisch verbaute Landschaft, die monumentale Baustelle mit ihren gigantischen Maschinen und die neu entstandenen, surreal anmutenden Räume. Seine Fotografien eröffnen neue Zugänge zu diesem verborgenen Kosmos und sind zugleich ein Zeitdokument für die Nachwelt. Sie halten eines der größten unterirdischen Bauprojekte Europas fest, das während seiner Entstehung sichtbar ist, nach seiner Fertigstellung jedoch für immer im Verborgenen liegen wird.<BR /><BR /><b>Der Brenner Basistunnel ist ja nicht unumstritten. Können die Fotografien von Sailer auch als Weltenbild gelesen werden und eventuell auch das Bewusstsein für dieses Großprojekt schärfen?</b><BR />Esther Erlacher: Sailer nutzt seine besondere Bildsprache, die visuelle Strahlkraft und die Ästhetik seiner Fotografien, um uns Betrachtende zum Nachdenken einzuladen. Er möchte den Diskurs anregen: Welche nachhaltigen Auswirkungen hat ein solches Großprojekt auf uns Menschen, auf die Umwelt, auf das Ökosystem mit seiner Flora und Fauna, auf den Lebensraum? Welche politischen, sozialen und gesellschaftlichen Folgen sind bereits spürbar, und welche werden langfristig im regionalen oder überregionalen Kontext wirksam bleiben? In diesem Sinne kann man seine Arbeiten durchaus als ein Weltenbild verstehen, das das Bewusstsein für dieses Projekt schärft und zu einer bewussteren Auseinandersetzung einlädt.<BR /><BR /><b>Ein Fotograf trifft ja ganz bewusst Entscheidungen und diese haben großen Einfluss auf die Bildinhalte. Was lag Sailer am Herzen?</b><BR />Esther Erlacher: Gregor Sailer lag es am Herzen, Einblicke in das Verborgene, Unsichtbare und Ungesehene zu geben. Er wollte neue Bildwelten erschließen und Inhalte zeigen, die in der Regel für einen großen Teil von uns unter der Oberfläche verborgen bleiben. Als Fotograf und Künstler versteht er es als seine Aufgabe, Außenstehenden Zugänge zu oft unbekannten Themen zu eröffnen, zum Perspektivenwechsel und zur Reflexion einzuladen. Seine Suche nach solchen Bildwelten führt ihn immer wieder an schwer zugängliche Orte wie in unserem Fall, den BBT.<BR /><BR /><b>Der Tunnel, ein Großprojekt der Gegenwart und eine historische Feste: schon die Bezeichnungen verweisen auf große Unterschiede und doch, denke ich, auch auf Gemeinsamkeiten. Welche sind besonders eklatant?</b><BR />Patrick Moser: Auf den ersten Blick könnten die Unterschiede kaum größer sein: Hier die historische Festung, massiv, sichtbar, errichtet zur Kontrolle und Verteidigung – dort der moderne Tunnel, unterirdisch, weitgehend unsichtbar und als Symbol für Vernetzung und Mobilität gedacht. Und doch gibt es überraschende Gemeinsamkeiten. Beide sind Ausdruck ihrer Zeit, entstanden unter enormem technischem Aufwand und mit großem politischem Willen. Sie sind Monumente menschlicher Planungskraft – aber auch Schauplätze harter Arbeit. Besonders eklatant ist vielleicht die Veränderung im gesellschaftlichen Verständnis: Während die Festung vor allem Macht sichern sollte, steht der Tunnel für Verbindung und Zusammenarbeit über Grenzen hinweg. Und in beiden Fällen sind es letztlich die Menschen – die Arbeiterinnen und Arbeiter – die diese Ideen Wirklichkeit werden ließen und lassen. Damals wie heute stammen sie aus unterschiedlichsten Regionen, bringen ihre Erfahrungen mit und leben während der Bauzeit in eigens errichteten Barackenlagern – temporäre Lebensräume, die oft ebenso vielschichtig und international sind wie das Projekt selbst.<BR /><BR /><b>Zur Person</b><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1192425_image" /></div> <BR />Gregor Sailer, geb. 1980 in Schwaz, Tirol, studierte Kommunikationsdesign mit Schwerpunkt Fotografie und Experimentalfilm an der Fachhochschule Dortmund, wo er seinen Master in Photographic Studies absolvierte. Seine Arbeiten führen ihn an entlegene oder politisch aufgeladene Orte, wo er inszenierte Bilder zwischen Dokumentation und Kunst schafft. Sailers Werk wurde international ausgestellt und vielfach ausgezeichnet. Er lebt und arbeitet in Vomp in Tirol.<BR /><BR /><b>Termin</b><BR /><BR />Die Ausstellung läuft bis 09.11.2025