Die „ARTbrothers kraxentrouga“ Armin Mutschlechner (Mühlbach, I) und Luis Seiwald (Gsies, I) sind die Dioskuren (grch. Zwillingsbrüder) der Südtiroler Kunstszene. In gemeinsamen Auftritten entwickeln sie originelle Kooperationen, die Kunst als raumbezogenes Event und als sozialen Akt begreifen. Auf den ersten Blick wirken ihre Aktionen verblüffend schlicht, bei näherem Hinsehen entpuppen sie sich jedoch als subtile Environments.Die Kraxentrouga wird man eines Tages als Störenfriede einer euphorisierten Epoche feiern oder vergessen, die ihre Vergangenheit wie eine Schlangenhaut abzustreifen versuchte, um absolut modern zu werden und unbelastet am globalen Glamour teilzunehmen.Was Armin Mutschlechner und Luis Seiwald in ihrer Kunst exemplarisch verdichten, handelt von einer Phase des Übergangs, die die Künstler persönlich wie die Gesellschaft, in der sie leben, betrifft. In der komplexen Perspektive der Kunst reflektieren sie die Wünsche, Aufregungen und offenen Fragen ihrer Zeit. Mit Humor, Ironie, beißender Spottlust aber auch mit gebührendem Ernst verweisen sie treffsicher auf die Widersprüche der Südtiroler Gesellschaft mitsamt ihren sozialen, kulturellen, politischen und ökonomischen Institutionen.Aufbruch aus der provinziellen EngeMit ihnen kehrt ein Aspekt in die Südtiroler Kunstszene zurück, der einst eine wesentliche Triebkraft des Aufbruchs aus der provinziellen Enge gewesen war und danach so gut wie aufgegeben wurde. Während sich die Kunst in Südtirol nach den Einmischungen der 60er und 70er Jahre fast völlig aus den öffentlichen Problemfeldern auf ihr eigenes Spielfeld zurückgezogen hatte, bringen die Kraxentrouga erneut eine Hinwendung zum sozialen Alltag, zur Geschichte, zur Ökologie und zu den politischen Realitäten ins Spiel, die den Platz des Künstlers mitten in der Gesellschaft und nicht außerhalb sieht.Ihre an das rituelle Happening der Fluxus-Bewegung angelehnte Aktionsform erzeugt eine atmosphärisch dichte, intime Nähe zwischen Künstler und Publikum. Die Anlässe sind häufig spontan der Tagesaktualität entnommen.Die jüngsten Beispiele dafür sind die Aktionen anlässlich des Hungerstreiks des Landtagsabgeordneten Franz Pahl gegen den Kippenberger-Frosch vor dem Museion, als die Kraxentrouga dem Hungerkünstler Fastenknödel zubereiteten und ein Gesamttirolerschnitzelessen im Laurin zum Gedenkjahr 2009, weil auch Heimatliebe bekanntlich durch den Magen geht. Auf entwaffnend simple und direkte Weise gelingt es ihnen mit solchen Aktionen eine Brise dadaistischen Humor in die Ideologiesuppe zu streuen.Die Aktionen der KraxentrougaAuch ökologische Themen und die grassierende Bauwut waren mehrfach Ziel von öffentlichen Aktionen der Kraxentrouga. In Meran sammelten sie Original Südtiroler Marken Feinstaub in kleinen Flaschen und verkauften diese gegen eine Spende, in Welsberg veranstalteten sie eine Mahn-Wache vor dem zum Abriss freigegebenen Gerichtsgebäude und am Bozner Waltherplatz schütteten sie einen Sandspielplatz für bauwütige Politiker auf.Mit witzigen Interventionen nehmen sie auch immer wieder das Kunstsystem auf die Schaufel. Ob sie die Kunst zu Grabe legen, im MUSEION (Museum für Moderne und Zeitgenössische Kunst, Bozen) eine Ausstellung organisieren, bevor der Stiftungsrat überhaupt hinschauen kann oder dort mit der Kuh namens „Miss“ einmarschieren, ein Künstlerschießen veranstalten, bei dem man seinen Eifersüchteleien freien Lauf lassen kann, oder Honoratioren beweihräuchern – stets kommt man als Zuschauer in die Lage, sich die Frage zu stellen: Was soll das?Irgendwann merkt man, dass es genau diese Frage ist, die man sich angesichts zeitgenössischer Kunst viel zu selten stellt. Die ARTbrothers Kraxentrouga sind dann aber schon wieder weg.Die Vorstellung erfolgt am 22. März, 20 Uhr bei ES projects in Meran.