Die Mondlandung von 1969 hat ihm einen neuen Blick auf die Welt eröffnet, die namenlosen Künstler sind dem Künstler sympathischer, Schönheit ist vielleicht die Abweichung zur Perfektion und für ihn ist Kunst wertlos, schön, hässlich, ungerecht, politisch unkorrekt oder lustig, allzu selten ironisch, melancholisch...<BR /><BR /><BR /><i><BR />Von Eva Bernhard</i><BR /><BR /><BR /><b>Können Sie sich an Ihr erstes Werk erinnern, das Sie erschaffen haben?</b><BR />Arnold Mario Dall'O: Ein Aschenbecher in Ton. Damals, ich spreche von über 50 Jahren, war das Rauchen noch nicht verpönt, und die Lehrer hatten mit dieser Themenvorgabe kein Problem. Heute wäre dies fast schon ein Akt der Rebellion.<BR />Der Aschenbecher war im Übrigen in Gestalt und Form für den Gebrauch ungeeignet.<BR /><BR /><BR /><b>Welcher Mensch hat Sie bewogen, diesen Weg einzuschlagen?</b><BR />Dall'O: Lehrerinnen haben einen entscheidenden Einfluss. Damals wie heute. Ich hatte zum Glück mehrere davon.<BR /><BR /><BR /><b>Gibt es ein Ereignis, das Ihr Weltbild total verändert hat?</b><BR />Dall'O: Die Mondlandung von 1969. Wir saßen vor dem Fernseher, die Bilder der Übertragung waren unscharf, verschwommen, der Ton ein Rauschen. Dennoch schauten wir gebannt auf die Schwarz-Weiß-Bilder, als zeigten sie uns eine Welt hinter der Welt, einen Traum. Das Flimmern der Bilder öffnete im Kopf Bilder, vielleicht eben deshalb, weil der Bildschirm nichts Klares zeigte, außer, eine Reise zum Mond.<BR /><BR /><BR /><b>Mehr denn je hat sich in dieser Zeit gezeigt, dass die Gesellschaft Kultur braucht, weil…</b><BR />Dall'O: Kultur ist nicht lebensnotwendig. Doch ohne Kultur ist das Leben sinnentleert. Kultur ist all das, was Menschen selbstgestaltet hervorbringen. Architektur, Musik, Kunst, Schauspiel oder Fernsehproduktionen sind, wie Cicero meinte, cultura animi, verstanden als Pflege des Geistes. Kultur ist Weltenvermittler und Weltenversteher.<BR /><BR /><BR /><b>Wer ist für Sie der bedeutendste Künstler der Geschichte?</b><BR />Dall'O: Mir sind die namenlosen sympathischer. So jener Künstler der die Lunette, die Wölbung und die Kuppeln des Mausoleums von Galla Placidia in Ravenna geschaffen hat. Ein Werk, das zwar in byzantinischer Zeit entstand, jedoch in seiner Formgebung, Rätselhaftigkeit, aber auch Vollkommenheit nicht nur die Jahrhunderte überdauert hat, sondern nach wie vor Erstaunen, Freude, ja auch Glück in mir auslöst.<BR /><BR /><BR /><b>Welche Frage würden Sie ihm gerne stellen?</b><BR />Dall'O: Wie ist dein Name?<BR /><BR /><BR /><b>Was bedeutet für Sie Schönheit?</b><BR />Dall'O: Schönheit ist vielleicht die Abweichung zur Perfektion, jene kleine Veränderung, die eine Falte, ein Knick, ein Pinselstrich auslösen kann, damit das Abgebildete weder ein Abklatsch der Natur widerspiegelt, noch zum Kitsch mutiert. Doch eigentlich weiß ich nicht, was Schönheit ist, außer ich stehe vor einem Werk und bleibe sprachlos.<BR /><BR /><BR /><b>Der französische Poet Théophile Gautier prägte den Begriff „L’art pour l’art“ (Kunst der Kunst willen) und machte so 1835 erstmals die Kunst selbst zum Thema. Einen Luxus, den man sich heute noch leisten kann?</b><BR />Dall'O: Mit Adorno bin ich der Meinung, dass Kunst die Distanz zur Realität wahren, aber einen Realitätsbezug aufweisen sollte. Allerdings gibt es nicht DIE Realität, sondern verschiedene Realitäten. Diese reflektiert die Kunst. Und deshalb ist die Freiheit der Kunst ein Grundprinzip jeder emanzipierten Gesellschaftsordnung. Kunst ist wertlos, schön, hässlich, ungerecht, politisch unkorrekt oder lustig, allzu selten ironisch, melancholisch. Das alles und mehr ist Kunst. <BR /><BR /><BR /><b>Und was würden Sie gerne einmal einem Kunstkritiker sagen?</b><BR />Dall'O: Die Rolle des/der Kunstkritikers/in und dessen Stellenwert in der Kunstwelt ist vielfach überbewertet. Allerdings erstaunen und erfreuen mich immer wieder die Worte und Deutungen der Kunstkritiker zu meinen Werken.<BR />Wünschenswert wäre eine fundierte, mutige Kunstkritik im Gegensatz zur Kunstbesprechung. <BR /><BR /><BR /><b>Wo sehen Sie sich in 5 Jahren?</b><BR />Dall'O: Wie jetzt: an einer Arbeit.<BR /><BR /><BR /><b>Harmonie bedeutet für mich…</b><BR />Dall'O: Das tun zu dürfen, was mich begeistert. Mit wenigen Menschen darüber sprechen zu dürfen, zu diskutieren und dies alles in „Harmonie“ mit meinem Dasein zu leben.<BR /><BR /><BR /><b>Mein Ort der Harmonie ist…</b><BR />Dall'O: Das Atelier. Oder jeder Ort, der mir die Ruhe und Abgeschiedenheit bietet, um konzentriert arbeiten zu können. <BR /><BR /><BR /><b>Die „Whos“ des Künstlers…</b><BR /><BR /><BR /><b>Name:</b> Arnold Mario Dall’O<BR /><b>Beruf:</b> Künstler<BR /><b>Alter:</b> 60<BR /><b>Geburtsort:</b> Tscherms<BR /><BR /><BR /><b>Wo Sie schon überall gelebt haben:</b> Venedig, Wien, Budapest, Skibbereen (Irland)<BR /><BR /><BR /><b>Wo Sie jetzt leben:</b> Im Atelier in Lana, mein Wohnort ist Meran<BR /><BR /><BR /><b>Wie war Ihr Werdegang zum Künstler:</b> Nicht linear. Handelsschule, dann Ausbildung als Schriftsetzer in einer Druckerei, Abendmatura, Akademie in Venedig<BR /><BR /><b>Was haben Sie studiert:</b> Kunst bei Emilio Vedova, Venedig<BR /><BR /><BR /><b>Wo haben Sie schon überall ausgestellt:</b> Ab den 80er Jahren Ausstellungen in Galerien und Museen, u.a.: Galleria Goethe, Bozen; Galerie Albert Baumgarten, Freiburg (D); Galerie Thaddaeus Ropac, Salzburg (A), Galleria Paolo Maria Deanesi, Rovereto (I); Galleria Lipanjepuntin, Triest (I), Galleria Sergio Tossi, Florenz (I), Galerie Epikur,<BR />Wuppertal (D), Galerie Museum, Bozen; MUSEION, Museum für zeitgenössische Kunst, Bozen; MART, Museo d’Arte Moderna e Contemporanea, Rovereto (I); MAG, Museo Alto Garda, Riva (I); MAC, Museo di Arte Contemporanea, Lissone (I); Galleria di Arte Contemporanea, Roma (I); Biennale di Venezia, Padiglione Italia; Palazzo Trentini, Trient (I); Manifesta 7, Parallelevent, Rovereto (I); Museumsquartier, Wien (A); Kunst Meran (I); Österreichische Galerie im Belvedere, Wien (A); Galleria Civica di Arte Contemporanea, Trient (I), Kunstraum Engländerbau, Lichtenstein; Haus am Lützowplatz, Berlin (D)<BR /><BR /><BR /><b>Welches war Ihr erstes Werk:</b> Der unbrauchbare, hässliche, braune Aschenbecher. Vielleicht war das zwar nicht das erste Kunstwerk, vielleicht jedoch eine Fingerübung hin zur Kunst.<BR /><BR /><BR /><BR />