„Corpus meum“ ist Lois Anvidalfarei und seine einzigartige Fähigkeit, Körperbewusstsein darzustellen, die komplexe Wechselbeziehung von Innen- und Außenwelt des Menschen in der Skulptur und vor allem auch in der Zeichnung zu vertiefen. Der Künstler im Gespräch...<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1180185_image" /></div> <BR /><BR />Alles Unnötige abzulösen, bis die Geschichte da ist, die uns alle betrifft. Zusammengekauert, in sich verschlungen, konzentriert, die Bronzehaut geschunden, gebeugt, schwer tragend wohl an der Last der Welt.<BR /> Lois Anvidalfarei schafft Seelenskulpturen von großer Intimität. Auch wenn er auf sich selbst schaut, erkennen wir in der Selbstdarstellung große emotionale Momente. Zeichnung und Skulptur verlangen dem Künstler alles ab.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1180188_image" /></div> <BR /><BR /><b>Was haben Sie aus dem eigenen Körper – in diesem Fall ist es ja ein männlicher Körper, der sich in verschiedenen Posen präsentiert – herausgeholt?</b><BR />Lois Anvidalfarei: Es geht nicht um männlich oder weiblich: Das ist eine Ausstellung, die mich zum Modell hat. Es ist mein Körper und dieser bietet unendlich viel, vor allem ist es ein Körper, der auch das Alter manifestiert. Diese innere Sicht nach außen war für mich eine große Entdeckung. Ich habe natürlich schon früher einmal über meinen Körper gearbeitet. Zeichnungen hatte ich vor 33 Jahren als Studien über mich bezeichnet. Ich arbeite ja sonst vorwiegend mit Modellen. Natürlich ist mein Körper auch in jenen Arbeiten eingeflossen, aber nie so direkt, wie in dieser Ausstellung. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1180191_image" /></div> <BR /><BR /><b>Auffallend ist, dass die Menschen, diese Körper ganz bei sich sind, zusammengekauert, mit Händen vor dem Kopf. Man bleibt stumm angesichts der Verlorenheit und Tragik, der Wucht, die sie darstellen. Sind Ihre Menschen nicht frei?</b><BR /> Anvidalfarei: Ja, das stimmt, dieses Fallen ist sicher die äußere Darstellung. Vielleicht weil ich das angesichts der Tragödien unserer Welt sehr tief in mir spüre, es geht mir sehr nahe. Der Mensch lernt nichts, ich gebe es auf. Obwohl ich ein Optimist bin, achtzig Jahre Frieden in Europa stimmen ja auch hoffnungsvoll. Aber angesichts unserer doch sehr schrecklichen Zeit entstanden diese Arbeiten: Das ist meine Art, die Dinge zu verarbeiten. Ich bin kein Aktivist, ich klebe mich nicht auf den Boden, ich schreibe nicht. Ich setze einen Strich, mache eine Form. Meine Werke sind so meine Auseinandersetzung mit der Welt. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1180194_image" /></div> <BR /><BR /><b>Glauben Sie also an die Kraft der Kunst?</b><BR />Anvidalfarei: Ja, ich glaube, nicht dass sie etwas verändert, ich fühle vor allem beim Zeichnen, wie meine Hand Spuren hinterlässt. Es bleibt die Zeichnung. Ich spüre, was in mir passiert, wie sich die Hand bewegt. Auch der Körper, der müde wird, der altert, das alles verdichtet sich in den Skulpturen und Zeichnungen. Es ist also eine sehr intime Ausstellung.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1180197_image" /></div> <BR /><b>Sie präsentieren auch Gipsarbeiten, wie „Monstrum I und II“ etwa sehen wir in weißem Gips und dunkler Bronze. Worin unterscheiden sich diese Arbeiten oder kann man die Gipsskulpturen als die Vorläufer der gegossenen Werke bezeichnen? Vielleicht liege ich falsch, wenn mir der weiße Gips doch hoffnungsvoller erscheint?</b><BR />Anvidalfarei: Gips ist mein Material. Hier habe ich – anders als in einer Galerie – die Möglichkeit, diese unbefleckten Gipse zu präsentieren. Gips ist ein Modellmaterial, er ist sensibel, schon der Transport ist überaus heikel. Es sind nicht gegossene Skulpturen. Es sind sicher Vorstufen, nur für mich ein Endprodukt, aber sie warten, gegossen zu werden. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1180200_image" /></div> <BR /><BR /><b>Wie müssen wir uns Ihre Arbeit am Menschen vorstellen?</b><BR /> Anvidalfarei: Wenn ich mit einem Modell arbeite, gehe ich von außen nach innen. Hier ist es genau umgekehrt. Diese Arbeiten kommen von innen heraus. Ich spüre zuerst die Form, ich sehe sie ja nicht, z.B. meinen Rücken. Deshalb sind das sehr gespürte Arbeiten. Ich bin ein „Arbeiter“, ich fange auch an, wenn mir nichts einfällt. Arbeitend kommen meine Gedanken und Ideen, denn ich bin ein haptischer Mensch. Auch diese Erfahrung, das Denken mit dem Körper, wurde von mir noch nie so intensiv gespürt wie bei „Corpus meum“. Die Trennung von Geist und Körper verschwand. Ich glaube, der Geist ist Körper. Das will ich auch mit diesen Körpern aussagen. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1180203_image" /></div> <BR /><BR /><b>Würden Sie sich als religiösen Künstler bezeichnen?</b><BR />Anvidalfarei: Das würde ich vielleicht anders ausdrücken: Ich bin ein spiritueller Künstler, das Sakrale fasziniert mich. In der Auseinandersetzung mit dem Körper kommt man dem Gedanken sehr nahe, dass der Körper diese Spiritualität in sich trägt. Der gesamte Titel der Ausstellung heißt ja: „Hoc est enim corpus meum“. Übersetzt heißt das: Das ist mein Leib. Als ich den Schatz von Loreto besichtigte, traf ich auf diesen Satz. Und sofort dachte ich: Das ist mein Thema. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1180206_image" /></div> <BR /><BR /><b>Auf Sie und Ihre Arbeit blickend, frage ich mich: Was kann da noch kommen? Oder sagen Sie vielleicht: „Jetzt in dieser intensiven Auseinandersetzung mit meinem Körper, komme ich zu einem Punkt...“</b><BR />Anvidalfarei: Ich würde diese Frage offenlassen: Ich spüre, dass mein Körper älter wird, die Kräfte oft schwinden. Ich lebe sehr im Augenblick. Aber die Ideen gehen mir nicht aus, auch wenn ich natürlich angesichts dieser Werke sage: „Das ist jetzt einmal ein Punkt.“<BR /><BR /><BR /><b>Ist die Zeichnung ein Nebenprodukt oder kann sie gleichwertig neben den großen Bronzearbeiten bestehen?</b><BR />Anvidalfarei: Die Zeichnung ist für mich enorm wichtig. Ich würde sogar sagen: Meine Skulpturen sind Vorstufen für die Zeichnung. Zeichnungen sind etwas Dichtes, um mit wenigen Strichen das zu konkretisieren, was man fühlt. Die Skulptur ist langatmig, ich benötige oft viele Monate, die Zeichnung ist das Konzentrat. Mein Körper als Zeichnung, das war eine ganz wichtige Erfahrung. Ich würde es als Performance bezeichnen. Ich habe ja in Wien studiert, dort die Aktionisten verfolgt. Meine Zeichnungen – so habe ich es jetzt erfahren – sind eigentlich das Produkt einer Performance. In den Positionen der Werke, mich selbst im Spiegel betrachtend, kann man nicht sehr lange bleiben. Ich zeichne, bis ich schwarz sehe: Ich höre auf, bevor ich umkippe. Da bin ich so ganz bei mir, mich selbst im Spiegel zu sehen, man wird rot, fast blau: Es ist eine Konfrontation mit dem eigenen Körper, ganz direkt, so unheimlich, so konzentriert. Man sieht, denke ich, in den Gesichtern diese Spannung. Es sind die Striche, die das Konzentrat präsentieren. <BR /><h3> Zur Person Lois Anvidalfarei</h3><BR />Der Künstler wurde 1962 in Abtei geboren. Ab 1983 studierte er an der Akademie der bildenden Künste in Wien. Dort erhielt Anvidalfarei seine entscheidende Prägung als Zeichner und Bildhauer durch die Begegnung mit dem Werk und der Person von Prof. Joannis Avramidis. Nach dem Abschluss des Studiums kehrte er 1989 in seine Heimat zurück, wo er als freischaffender Bildhauer arbeitet. Zu seinen Werken zählen neben figuralen Plastiken und Zeichnungen eine Reihe gestalterischer Arbeiten in Sakralbauten. Zahlreiche Einzelausstellungen.<BR /><BR /><b><BR />Termin:</b><BR />Bis 16.8., Stadtmuseum Klausen, Frag 1 Klausen – ab 25.9. Galerie Maier Innsbruck.