Welche Produktionen die Architektin, Wissenschaftlerin und Künstlerin Valerie Messini aus Bozen da erschaffen hat, hat sie uns im Interview erzählt. <b>Von Margit Oberhammer</b><BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1112616_image" /></div> <BR /><BR /><b>Als Architektin, Künstlerin und Wissenschaftlerin sind Sie viel beschäftigt. Woran arbeiten Sie gerade?</b><BR />Valerie Messini: Ich habe gerade viel abgeschlossen. Im Oktober mein Doktorat „VIRTUAL VOID, about emptiness in virtual space“ und als 2MVD (gemeinsam mit Damjan Minovski) ein umfangreiches AR Projekt für das Künstlerhaus Wien, die „Künstlerhaus Experience“, wo durch eine App Teile des Archivs des Künstlerhauses virtuell und räumlich erfahrbar gemacht werden. Mit dem Peter Weibel Forschungsinstitut für digitale Kulturen an der Angewandten hatten wir ein Symposium im November unter dem Titel „In Terms of Media... On Data Materialism, Techno Poetics, Atmospheres of Conflict, and Planetary Interfaces“: 4 Panels, 12 Speakerinnen, 4 Moderatorinnen und eine begleitende Ausstellung im „Angewandte interdisciplinary Lab“ (AIL). Wir machen jährlich ein großes Event. 2025 wird es eine Weibel-Ausstellung, die seine Arbeiten aus dem Archiv zeigt und in einen Dialog zu zeitgenössischen Positionen setzt. Parallel dazu arbeite ich an einem Antrag für ein Forschungsprojekt, das sich mit den Auswirkungen von generativer KI im Kunst- und Kultursektor auseinandersetzt. Und ich unterrichte: Im Wintersemester widmen wir uns theoretischen Fragestellungen, indem wir gemeinsam mit Studierenden Weibels „Enzyklopädie der Medien“ untersuchen und die Aktualität seiner Texte diskutieren. Im Sommersemester setzen wir uns praktisch mit Augmented Reality (AR) auseinander und erstellen Skulpturen und Installationen, die wir an verschiedenen Orten außerhalb der Universität präsentieren.<BR /><BR /><BR /><b>Und was sind Ihre Pläne?</b><BR /><?Schrift SchriftWeite="97ru"> Messini: Pläne..., das ist das richtige Stichwort (lächelt). Ich sehne mich nach der Architektur, das letzte größere Projekt, an dem ich gemeinsam mit Eva Schlegel gearbeitet habe, war „Lasso“ – 5 kreisförmige Ringe, die wie Hullahup Reifen um den Silo auf Barths Firmengelände in der Brixner Industriezone geworfen sind. 2024 war voll digitaler Kunst und Forschung. 2025 wünsche ich mir, wieder Bauwerke zu planen.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1112619_image" /></div> <BR /><?_Schrift> <BR /><b>Gemeinsam mit Eva Schlegel waren Sie am Kunstprogramm der Kulturhauptstadt 2024 intensiv beteiligt. Via App konnte man Ihre virtuellen, bewegten Skulpturen im Ausstellungsraum in Bad Ischl und an Seeufern des Salzkammerguts aufrufen. Wörter, Sätze, digitale Augen, Geldscheine und Schmetterlinge schwebten auf dem Bildschirm des Handys. Welche Ideen steckten dahinter?</b><BR />Messini: Für die Ausstellung im Sudhaus wollten wir ein Salz-Universum aufspannen. Es gab das Salz, das von der Decke herunterrieselte, und die Wörter, die zum Fenster hinausflogen. Wir haben Sachtexte, Redewendungen und Gedichte gesammelt und jene gewählt, die sich gut ergänzen. Am schwierigsten war es, die richtige Arbeit zu finden für den Toplitzsee im steirischen Ausseerland. <BR /><BR /><BR /><b>Dort kursierten viele Erzählungen, unter anderem über einen versenkten NS-Schatz. Die Geschichte, auch die lange verdrängte des Nationalsozialismus, spielte eine wichtige Rolle im Kulturhauptstadtjahr. Nahmen Sie in Ihren Arbeiten darauf Bezug?</b><BR />Messini: Im ersten Moment haben wir uns gefragt, wozu man in dieser wunderschönen Landschaft überhaupt Kunst braucht, eine digitale noch dazu. Dann haben wir zu recherchieren begonnen und sind auf die Druckerplatten gestoßen, die man im See versenkt hat. Die Nazis wollten Falschgeld über England abwerfen und dort die Inflation anfachen. Deshalb unsere digitalen Geldscheine in der Installation. Der Bürgermeister wollte das am Anfang nicht: „Lassen wir die Vergangenheit Vergangenheit sein“, hat es geheißen. Aber wir erzählten noch eine zweite Geschichte. Der Toplitzsee ist sehr tief, ab einer bestimmten Tiefe wird das Süßwasser zu Salzwasser, dadurch hat der See eine große biologische Vielfalt. Deshalb unsere Schmetterlinge. Wir wollten auf zwei Aspekte aufmerksam machen: das versteckte biologische Leben und die versteckte politische Vergangenheit.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1112622_image" /></div> <BR /><BR /><b>Als Architektin teilen Sie mit der Künstlerin Eva Schlegel deren Interesse für Räumliches. Wie hat man sich die Zusammenarbeit vorzustellen?</b><BR />Messini: Ich habe mit Eva Schlegel bereits 2011 zusammengearbeitet, als sie Kommissarin des österreichischen Pavillons auf der Biennale in Venedig war und ich dort die Bauaufsicht gemacht habe; später habe ich mit ihr gemeinsam an Kunst am Bau-Projekten gearbeitet. 2017 haben Damjan Minovski und ich das Studio 2MVD gegründet und Eva Schlegel ist auf uns zugekommen. In Eva Schlegels Arbeiten geht es oft um die Grenzen der Wahrnehmung; durch das digitale Medium, die computergestützte Erweiterung der Realität, wird der Raum gesprengt. <BR /><BR /><BR /><b>Für eine Architektin ein eher ungewöhnlicher Zugang zum Bauen von Räumen…</b><BR />Messini: Ich habe an der Hochschule für Angewandte Kunst Architektur studiert, unter anderem bei Wolf D. Prix von Coop Himmelb(l)au, und wurde dort mit einem viel größeren Architekturbegriff vertraut gemacht. Das Skulpturale war wichtig, auch das Veränderungspotential, das Architektur für Städte bieten kann. Diese Vorstellungen haben sich in mir verfestigt, finden in der aktuellen Architektur jedoch sehr wenig Platz. Das Gestalten von Räumen wollte ich trotzdem nicht ganz loslassen. So sind erste Virtual Reality-Arbeiten entstanden. Nach Covid mochten die Menschen die VR-Brillen nicht mehr besonders, sie isolieren auch mehr als die neuen Augmented Reality Projekte mit Hilfe des Smartphones. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1112625_image" /></div> <BR /><BR /><BR /><b>Ohne QR-Code, d. h. ohne Smartphone, geht bei den Augmented Reality Arbeiten gar nichts...</b><BR />Messini: Bei sehr jungen Menschen gehört das Scannen von QR-Codes zum Alltag, bei den anderen nicht. Rückmeldungen zeigen uns, dass wir mit den AR- Arbeiten ungefähr ein Drittel des Publikums verlieren. Die eigens von uns entwickelte App musste man herunterladen. Da haben einige bereits die Geduldverloren, gaben auf oder wollten nicht noch eine weitere App auf dem Smartphone. <BR /><BR /><b>Oder kein weiteres Event? Der digitalen Kunst wird manchmal unterstellt, dass sie vor allem leicht zugängliche Erlebnisse generieren will…</b><BR />Messini: Die Arbeit „Flying Eyes“ in Traunkirchen hatte tatsächlich etwas Spielerisches. Wir wollten auch die Kinder erreichen, auch Menschen, die nicht Museen und Ausstellungen besuchen. Aber wenn man alle erreichen will, unterfordert man manche. Dinge dürfen auch nicht verstanden werden, oder später verstanden, oder offengelassen werden. In meinen Arbeiten ist es mir schon sehr wichtig, dass jeder die Möglichkeit hat, sie beim zweiten oder dritten Mal Sehen ganz anders zu erfahren. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1112628_image" /></div> <BR /><BR /><b>Meine Erfahrung mit Ihren Arbeiten war, dass man die Dimension der Zeit sehr verändert wahrnimmt…</b><BR />Messini: Das war auch die Absicht. Die Arbeiten heben eingeladen, innezuhalten, zu entschleunigen, zu beobachten. Sie sollten zeigen, dass mit dem Handy etwas anderes möglich ist als das stupide Herumwischen oder Computerspiele zu spielen. Man kann etwas erforschen, über Dinge staunen. Mir liegt an Momenten des Staunens und der Entschleunigung. Einer meiner Lieblingskünstler, Rafael Rozendaal, Pionier der digitalen Kunst, schafft in seiner Ausstellung „Quiet, Calm. Staring“ zum Beispiel bewusst Orte der Kontemplation im Internet, also Ruhe dort, wo ständige Unruhe herrscht.<BR /><BR /><BR /><b>Sie beschäftigen sich nicht nur künstlerisch, sondern auch theoretisch mit den digitalen Medien…</b><BR />Messini: Ich habe die akademische Laufbahn eingeschlagen, habe eine Postdoc-Stelle an der Hochschule für Angewandte Kunst inne. In der theoretischen Auseinandersetzung mit den medialen Räumen habe ich mir die Frage gestellt, ob es in der ganzen kommerzialisierten Internetwelt überhaupt noch offene, nicht kommerzialisierte Räume gibt. So waren auch die Arbeiten für die Kulturhauptstadt Bad Ischl Salzkammergut zu verstehen. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1112631_image" /></div> <h3> Zur Person</h3><BR />Valerie Messini wurde 1986 in Bozen geboren. Sie ist Architektin, digitale Künstlerin und Senior Scientist am Peter Weibel Forschungsinstitut für digitale Kul- turen. Sie forscht nach dem Nichts und dem leeren Raum, mit digitalen Technologien untersucht sie Raum, Identität, Wahrnehmung und Interaktion.<BR /><BR /> Ihre Doktorarbeit „void set – über die Leere im virtuellen Raum“ wurde zunächst von Peter Weibel betreut und nach seinem Tod von Clemens Apprich übernommen. Sie hat in internationalen Fachzeitschriften veröffentlicht und ihre Forschung auf mehreren Konferenzen in Europa vorgestellt. 2022 kuratierte sie die Ausstellung „Günther Domenig: Dimensional @ Heft/ Hüttenber. Seit 2022 lehrt sie das interdisziplinäre Seminar „OTHER MATTER Exploring Spatial and Curatorial Strategies with Augmented Reality“ an der Angewandten. <BR /><BR />2022- 23 hat sie Designstudios am IKA-Institut für Kunst und Architektur an der Akademie der bildenden Künste Wien betreut. Von 2013 bis 2019 war sie als Senior Lecturer am ./studio3 – Institut für experimentelle Architektur, Universität Innsbruck, tätig, wo sie VR-Seminare und neue digitale künstlerische Strategien, mehrere Designkurse auf Bachelor- und Master-Ebene unterrichtete, Masterarbeiten betreute und zahl- reiche Exkursionen und Veranstaltungen organisierte. Sie schloss ihr Studium der Architektur an der Universität für angewandte Kunst (Stu- dio Prix) in Wien 2011 mit Auszeichnung ab. Sie arbeitete für interna- tionale Architekturbüros (z.B. Coop Himmelb(l)au [AUT], Snohetta [NO], Flying Elephant Studio [IN]) als Designarchitektin und realisierte mit der Künstlerin Eva Schlegel mehrere großmaßstäbliche Installationen. Seit 2017 ist sie Ziviltechnikerin. Valerie Messini lebt und arbeitet in Wien.