Ein kleiner Blick zum 95. Geburtstag auf sein Werk kann nur eine Annäherung sein. Denn zu vielfältig und umfangreich sind die Spuren seines künstlerischen Schaffens, vor allem auch Wandarbeiten in und an öffentlichen Bauten, die heute das Bild vieler Dörfer Südtirols prägen. <h3>Das Leben</h3>Robert Scherer ist am 7. Juni 1928 in Kortsch geboren. 1939 muss die Familie mit den 9 Kindern infolge der Option auswandern und lässt sich in Ottensheim bei Linz nieder. Scherer wird zum Militärdienst einberufen, kommt in amerikanische Gefangenschaft und kehrt erst 1946 nach Kortsch zurück. Zunächst absolviert er eine Ausbildung als Dekorationsmaler u.a. beim Restaurator <b>Pescoller.</b><BR /><BR />Von 1951-1958 besucht er die Akademie der bildenden Künste in Wien, anschließend ein Jahr auch beim Architekten <b>Clemens Holzmeister</b>. 1960 bis 1966 übersiedelt er nach Brixen, Milland, und ist als Kunsterzieher tätig. Anschließend ist er als freischaffender Künstler in Bozen ansässig. Das Leben Scherers ist von zahlreichen Reisen geprägt, nach Mexiko, Nordafrika, Israel, nach Griechenland zum Berg Athos, Frankreich, Holland. Einen achtmonatigen Aufenthalt verbringt er in Spanien. <BR /><BR />In Venedig beginnt er eine Zusammenarbeit mit der Glashütte „Fucina degli Angeli“. Scherer war auch Professor an der Sommerakademie in Salzburg, Gründer der Marmorfachschule in Laas und Gründer und Leiter der Freskoschule Bozen. 2003 erhielt der Künstler den Walther von der Vogelweide Preis.<h3>Das Werk</h3>Sein umfangreiches Werk umfasst Wand- und Tafelmalerei, Glasskulpturen, Aquarelle, Zeichnungen und Grafiken. In zahlreichen Ausstellungen waren Robert Scherers Arbeiten, auch Teilaspekte seines Schaffens, zu sehen. Zum 90. Geburtstag widmete ihm das Lanserhaus eine große Retrospektive mit allen von ihm bedienten Werksparten. Mit großem Erfolg, denn Scherers Werk hat viele Fans. Denn er ist Maler, Zeichner, jahrelang war ihm das große Fresko ein Anliegen, am hohen Gerüst stand der Künstler-Freskant und schuf für uns monumentale Zyklen und manche lieben seine Glasarbeiten und Mosaike ganz besonders. <BR /><BR />So nimmt der Künstler doch eine Sonderstellung im breiten Kulturschaffen unseres Landes ein. Farbe, Form, Bewegung, Linie, Fläche, Raum begegnen den Betrachtern in einer unglaublichen Vielfalt. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="905011_image" /></div> <h3>Der dichte Linienfluss</h3>Die Fresken und Wandbilder des Künstlers finden sich, neben einer besonderen Konzentration im Vinschgau, in ganz Südtirol. Seine persönliche Handschrift hat einen hohen Wiedererkennungswert. Oft sind es monumentale Gestaltungen, in denen Scherer der Dialog zwischen Figur und Natur in Form von floralen Elementen in besonderer Weise gelang. <BR /><i><BR />„Das netzartige Überziehen der Mauer und die tektonische Betonung der Wand ist in seiner rhythmischen und linienbestimmten Malerei präsent. Er ist den mittelalterlichen Bildprogrammen und Simultandarstellungen verpflichtet, die Lesbarkeit wir dadurch ermöglicht, jedoch durch seine Bild-Kürzel-Symbolsprache wieder verschleiert“.</i> (Gert Ammann). <BR /><BR />Seine Wandbilder strahlen eine große Vitalität aus, sie ziehen unser Auge kreuz und quer, in den malerischen Strudel, den der Künstler über die Wand in Form von konzentrierten Themen ausbreitet. Gebautes, Natur, Mensch gehen in den Werken in-, neben- und übereinander, oft muss, weil das Formenrepertoire so vielfältig, die Symbolik des Ortes und der Geschichte, die der Künstler erzählt, aus dem Mikrokosmos, den er mit seinen unvergleichlichen Tönen erschafft, herausgeholt werden. Die Farbe und ihr Klang sind zeitlebens Thema des Künstlers gewesen. Sie setzt Scherer in abgestuften Akkorden in seinen organisierten Flächen ein. Die Fülle gibt auf den Wandbildern den Ton an, aber mit einer klaren Formverteilung, wir sehen die fließende Linie, dann machen sich abstrakte Flächen breit, die der Künstler nebeneinander schichtet. Auch das Schwebende, da ein Heiliger, der über der Landschaft dahinfliegt, dort Pomona, die Göttin des Obstsegens, die der Umgebung entspringt. <BR /><BR />Bei Robert Scherer bleibt nichts leer, seine religiösen und mythologischen Themen sind voll von Bewegung, seine große Liebe für die Linie und seine differenzierte Strichführung boten ihm unzählige Ausdrucks- und Gestaltungsmöglichkeiten. <i>„Bei Robert Scherer findet sich eine Vielfalt unterschiedlichster Zugänge zur 'Kunst am Bau': Das Ornament als gliederndes Element, aber auch die Landschaftsgestaltung als wichtiger Hintergrund für zahlreiche Motive erfahren eine interessante Entwicklung.... Präsent bleibt stets die typisch Scherersche Figuren- gestaltung, die in den wiederkehrenden Motiven wie 'Werden und Vergehen', 'Metamorphose', 'Kosmos', 'Menschenmassen' immer wieder aufs Neue sichtbar wird.“</i> (Martina Adami). <h3>Robert Scherer: „Die Transparenz des Glases ist wie die Seele des Menschen“ </h3>Wasser, Licht, das Schwebende und Schimmernde, Glas, weil es den Blick in die Tiefe erlaubt, hat der Künstler aus seinen langen Aufenthalten in Venedig in seine Arbeiten geholt. Autonome Glasskulpturen, aber auch viele Großprojekte zeugen von der handwerklichen Brillanz. Die Glasgestaltungen unterstreichen sein gleichzeitiges Erzählen, wie es am Puntay Keller in Kaltern einsichtig wird. Glas ist zerbrechlich, es ist sichtbar und unsichtbar, glatt und kostbar.<BR /><BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="905014_image" /></div> <BR /><BR />Robert Scherer holte die Industrieware zurück zu ihren Wurzeln, zeigt uns in den autonomen Glasskulpturen, wie Brechungen und Öffnungen die Skulptur rhythmisieren. Er kennt die Spannung zwischen Fülle und Leere, Volumen und Kontur, vor allem aber beeindruckt sein Farbgespür, das im Glas die Erfüllung findet. <i>„Das Glas bot mir als Bildhauer auch die Erfüllung meines Wunsches, Farbe in Materie zu bringen“.</i> Die Glaskunst, so der Künstler, sei für ihn die edelste Form der Skulptur. <BR /><BR />So leuchten seine abstrakten Köpfe, blau, rot, die Farbe durchzieht das transparente Glas in Schlierenform, konzentriert sich am Auge, löst sich auf, sammelt sich. Sind es Farbgedanken, die der Künstler diesen Köpfen einschreibt? Auch mythologische Themen verarbeitet er in Glas. <i>„Farbe in Materie bringen: Wie und was kann man schöpferisch/künstlerisch aus dem Material herausholen?“</i><BR /><BR />Die lebenslange Beschäftigung mit der Lagunenstadt fand hier ihren Niederschlag. Und natürlich auch in den vielen Zeichnungen, den Aquarellen, die er Venedig gewidmet hat. Schiffe, Palazzi, Gondeln, Treppen, Gebäude, Wasser, Licht <i>„es sind keine fotografischen Andenkenbilder“,</i> auch die Lithographien und Radierungen, die Kohle und Kreidezeichnungen unterstreichen das Farbgespür und den Sinn für Gebautes. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="905017_image" /></div> <BR /><BR />Seine Ausbildung u.a. beim Architekten Clemens Holzmeister zeugen davon, dass er architektonische Formen mit dem Innenbild zu verschmelzen imstande war. Ob die Lagunenstadt, ein Palazzo, der Zyklus der „Kindertotenlieder“, Liebe, Leid, Eros, Thanatos: Künstlerisch ist Scherer auch in der Zeichnung ein Expressionist, der zwar Gesehenes wiedergibt, es aber mit seinen Schraffuren, Linien und seiner Dynamik so verändert, dass sein inneres Bild auf dem Blatt erscheint. <i>„Wirklich künstlerisch tätig zu sein, heißt nicht nur ein bisschen zu malen, malen kann man nur, was man 'fühlt'.</i><i>Aus diesem Fühlen heraus entsteht dann auch die angemessene Form“</i> (R. Scherer). <BR /><BR />Seine skizzenhafte gezeichnete Bewegung und Dynamik erstaunt vor allem bei seinen Reiseimpressionen. In den eigenwilligen, ganz auf die schwarze Linie konzentrierten Federzeichnungen können wir dem Künstler nach Athos und nach Südspanien folgen. <i>„Die verkürzte Perspektive, die Reduzierung der dritten Dimension, bis nahezu die zweidimensionale Fläche erreicht ist, ohne dass sie es wirklich wäre“ </i>(K. Mazohl): Es gibt Konstanten im Stil, die Scherers künstlerische Handschrift ihren Eigenwert verleihen. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="905020_image" /></div> <h3>Der Akkord von Farben und Blau ganz besonders </h3>Die <i>„angemessene Form“</i> entstand auch durch die Farbwahl. Rot-Blau-Gelb, als Metapher für alles Lebendige, für Feuer, Wasser, Erde und Licht. <i>„Blau vor allem, denn Blau ist das Unendliche der Farbe, vom Himmel bis ins tiefe Meer.</i>“ (R. Scherer). Licht und Helligkeit gehen über die Farbe, und die Magie der Farben, ihr ganz gezielter Einsatz erschafft bei Scherer die Komplexität und Dichte der Werke. Neugier und unermüdliches Schaffen begleiteten das Leben des Künstlers, auch viele dramatische Ereignisse. Sein tiefes Empfinden auch für sakrale Themen, die in den Werken verwandelt durch Farbe und Linie neu interpretiert werden, unterstreichen die große Bandbreite des Schaffens. <BR /><BR />Und natürlich ist auch das Thema Frau, Frau und Mann, Einsam- und Zweisamkeit immer präsent. <i>„Kunst-Liebe-Eros. Kunst kann man unmöglich ohne diese beiden bestimmenden Elemente machen“.</i> Frauengestalten aus der Mythologie reiten auf den Aquarellen schwerelos dahin, in einer Lithographie zur Schöpfung fließen sie ineinander, bewegen sich zwischen Wasser, Feuer, Erde und Luft, als Nymphen erschaffen sie ein Gewurle von Körpern, auch bei politisch relevanten Themen wie Krieg und Frieden holt Scherer die Frauenkörper aufs Blatt. Manchmal sitzt nur eine Frau mit Buch auf einem Stuhl. Ganz in Rot, ein Buch zwischen den Händen, das Gesicht seitwärts gewandt, ein Augenblick des Innehaltens. Frauen sind in den sakralen Themen präsent und als Engelskopf (Hommage an Johanna) in Glas kehren sie das Innenleben transparent nach außen. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="905023_image" /></div> <BR /><i><BR />„Scherer schöpfte in seiner Kunst aus seiner langen Lebenserfahrung und blickt in den vielen Werken auf diese in verdichteter Form, erfand sie aber in seiner ureigenen Sprache immer wieder neu, „als Interpretation menschlicher Grundbefindlichkeiten wie Liebe und Leid, Freude und Trauer, die letztendlich im Bewusstsein von Leben, Tod und Jenseits verankert sind“</i> (Mathias Frei). Begleitet von Aufbruch und Unruhe hat der Künstler durch seinen Schaffensdrang und seine unglaubliche Antriebskraft uns ein Werk geschenkt, das in der Kunstlandschaft Südtirols einen besonderen Platz einnimmt.<BR /><BR /><BR />