Diese Ausstellung war in Kassel bis zum vergangenen Februar zu sehen und wird vom 29. Mai bis zum 28. August im Museion in Bozen gezeigt. Mit ihrer Ausstellung „Frontera“ reflektiert die Künstlerin Teresa Margolles über den von der organisierten Kriminalität in der mexikanischen Gesellschaft verursachten Schmerz. Ciudad Juarez steht beispielhaft für den Vormarsch des national und international vernetzten Verbrechens: In den neunziger Jahren starben und verschwanden dort über 700 Frauen, 2010 wurden in Juarez 3111 Menschen ermordet – das sind sieben Tote am Tag. Mit einfachen Mitteln lässt Teresa Margolles Werke von höchster Eindringlichkeit entstehen. Während ihre Arbeiten auf den ersten Blick formal minimalistisch erscheinen mögen, offenbaren sie ihre tiefe Emotionalität und Dramatik erst, wenn das Publikum ihrem rigorosen Realismus in der Materialwahl auf die Spur kommt. Dabei geht es nicht nur um Mexiko: Die Arbeiten dieser Künstlerin befassen sich mit Tod, Gewalt und Schmerz – verdrängten Tabuthemen, die universelle Gültigkeit haben.Die Ausstellung im MuseionDer Ausstellungsrundgang im Museion beginnt mit „Parasiten im Shop”, subtilen und hintergründigen Spuren, die Teresa Margolles im Museums-Bookshop abgelegt hat. Ein Magazin etwa, das aus Titelseiten mit Polizeiberichten besteht, die eine Tageszeitung in Juarez in einem Jahr veröffentlicht hat, Tonaufnahmen von Straßenmusikern, die in der Calle Mariscal in der Altstadt von Juarez aufspielten, bevor dort ein Einkaufszentrum gebaut wurde.Die Ausstellung wird im vierten Stock fortgesetzt. Zentrales Element sind dort zwei Originalmauern „Muro Ciudad Juárez“, 2010, und „Muro Baleado (Culiacán)“, 2009, die in Mexiko ab- und in Bozen wieder aufgebaut wurden. Die beiden Ziegelwände mit ihren Einschusslöchern sind Zeugen alltäglicher Gewalt. Vor einer Mauer wurden in Culiacán – der Heimatstadt der Künstlerin – zwei Polizisten erschossen, an der zweiten Mauer starben 2009 vor einer Grundschule in Juarez vier Jugendliche im Alter zwischen 15 und 25 Jahren. Die Arbeit „Cubo“, 2010 bezieht sich ebenfalls auf die Calle Mariscal im ehemaligen Künstlerviertel in Juarez, wo früher US-Stars wie Nat King Cole, Frank Sinatra oder Marilyn Monroe flanierten. In diesem eine Tonne schweren Block verarbeitete Teresa Margolles die Metallreste abgerissener Gebäude entlang dieser umgestalteten Vergnügungsmeile – das Gewicht der Erinnerung, symbolisch in einer Skulptur verdichtet.Die Installation „Plancha“, 2010, besteht aus heißen Stahlplatten, auf die Wassertropfen fallen, die zischend verdampfen und auf der Metalloberfläche Kalkspuren hinterlassen. Die Verwandlung von Wasser in Dampf verweist auf die Zersetzung des Körpers nach dem Tod, ein Hintergrund, der sich dem Betrachter in seiner ganzen Bedeutung erschließt, wenn er mit dem Hinweis, das Wasser sei zur Waschung von Leichen genutzt worden, konfrontiert wird. Dabei steht das Zischen der in Dampf umgewandelten Flüssigkeit für den Schmerz, den der Verlust auslöst – das Wasser erinnert dann auch an die Abwesenheit der Körper verstorbener – und in diesem Fall – auch ermordeter Menschen.Videoinstallation an der Museion-FassadeNeben unterschiedlichen Installationen wird in Bozen zum ersten Mal „¿Cuánto dolor puede soportar una Ciudad?“ gezeigt - eine im Videoformat dokumentierte Aktion in Juarez, Kassel und Bozen. Einige der dort entstandenen Bilder werden in Bozen auf die Medienfassade des Museion projiziert. Hintergrund dieser eigens für „Frontera“ realisierten Aktion ist der Gedanke, dass Leiden zur Geschichte jedes Ortes gehört. Die Fragen „Wie viel kann eine Stadt ertragen?“ und „Wie viel Schmerz kann eine Stadt ertragen?“ wurden auf T-Shirts gedruckt, die von den Teilnehmern in Mexiko, Deutschland und Südtirol getragen wurden – eine ganz neue Art also, sich mit der Geschichte von Städten im 21. Jahrhundert auseinander zu setzen.Vernissage mit Open-Air-FestDie Ausstellungseröffnung findet am 28. Mai mit Beginn um 19 Uhr statt. Anschließendem gibt es ein Open-Air-Fest vor dem Museion. Die Künstlerin wird anwesend sein. Um 23.30 Uhr wird eine Fassadenprojektion mit Bildern der Aktion „¿Cuánto dolor puede soportar una Ciudad?“ gezeigt.Die Ausstellung bleibt bis zum 28. August geöffnet.