Sicher ist, – so die Philosophie – dass wir aus mehreren Personen bestehen, auf Lateinisch heißt „persona“ u.a. auch Maske. Der Künstler zeigt zweimal, dass sie sein Thema ist, in der Galerie Doris Ghetta, wo er eine Schau mit Judith Neunhäuserer und Oliver Laric. Wir haben mit Fliri gesprochen. <b>Von Eva Gratl</b><BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1179372_image" /></div> <BR /><BR />Die Maske ist eng mit der Volkskultur und dem Brauchtum verbunden, in der Kunst, vor allem im Theater ist sie ein großes Thema. Sie kann Vieles, verbergen, hinterfragen, anonymisieren, fragmentieren. Er bestreitet auch mit Antoinette Bader im Bunker 5 in Mals im Vinschgau eine Schau. Nicht fratzenhaft wie die bekannten Masken des Künstlers James Ensor, Fliri stülpt sich eine transparente „Berg“-Maske über...<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1179375_image" /></div> <BR /><BR /><b>In dieser Ausstellung in der Galerie Doris Ghetta tragen Sie eine Reihe transparenter Masken, die aus Abgüssen von Steinen und Mineralien bestehen, die Sie bei Wanderungen im Hochgebirge gesammelt haben. Wie wichtig ist der Begriff bzw. der Bezug zur Heimat für Ihr Werk?</b><BR />Michael Fliri: Ich denke, dass die Fotoserie „My Private Fog“ wohl jene Arbeit ist, die meiner Herkunft am unmittelbarsten nachspürt. Sie bezieht sich auf eine Landschaft, die mich nicht nur umgeben, sondern auch innerlich geprägt hat. Die Berge mit ihrer massiven, skulpturalen Präsenz sind weit mehr als bloße Kulisse, ihre Formen scheinen sich in mein eigenes Empfinden eingeschrieben zu haben. Die Vorstellung, dass Landschaft auf die Psyche des Menschen wirkt, ist für mich gut nachvollziehbar. Es entsteht ein Gefühl der Verwurzelung, eine innere Verbindung zu einer bestimmten Topographie. Es entsteht eine Beziehung. In diesen Arbeiten erscheint die Landschaft nicht als statischer Hintergrund, sondern tritt in Resonanz zu mir und wird so zur Mitgestalterin des Werks.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1179378_image" /></div> <BR /><BR /><b>„Mein privater Nebel“, nennt sich also das Werk: Man sieht den Kopf, der durch den Atem erstarrt zu sein scheint und doch geborgen in einem transparenten Zuhause. Eine Sehnsucht nach Verschmelzung mit einer Welt außerhalb von Raum und Zeit oder nach einer dynamischen Identität?</b><BR />Fliri: Diese Werke setzen sich zentral mit der geologischen Umgebung und der Landschaft, insbesondere den Bergen, auseinander. Ich ziehe mir transparente „Berg-Masken“ über das Gesicht. Durch meinen Atem und die Körperwärme bildet sich Kondensation und die durchsichtige Hülle beschlägt. In der Folge wird mein Gesicht nach und nach unkenntlich, während die Berg-Maske zunehmend in den Vordergrund tritt. Es entsteht eine Wechselwirkung zwischen zwei großen Themen der Kunstgeschichte: dem Porträt und der Landschaftsdarstellung. Je länger die Maske getragen wird, desto mehr löst sich das Porträt auf und die Landschaft tritt hervor. Auf poetische Weise werden so die enge und wechselseitige Beziehung und Abhängigkeit zwischen Mensch und Natur sichtbar gemacht.<BR /><BR /><BR /><b>Seit vielen Jahren beschäftigt Sie das Thema der Maske. Es geht um die Frage: Wer sind wir eigentlich, es geht auch um den Körper und so ist, denke ich, die Maske ein Leitmotiv Ihres vielfältigen Werkes... Kann diese Maske auch als Metamorphose verstanden werden?</b><BR />Fliri: Das Thema Maske ist ein sehr dankbares, es besitzt etwas Magisches, das Verwandlung und Metamorphose ermöglicht. Sie überwindet den Alltag, macht die Realität poetischer. Der Maskenträger verwandelt sich und auch die Welt, auf die er blickt, erscheint verwandelt.Die Maske ist keine bloß oberflächliche Verkleidung, sondern eine Schwelle, zwischen Innen und Außen, zwischen dem Sichtbaren und dem Verborgenen. Sie ermöglicht es, sich zu entfernen, indem man in eine andere Rolle schlüpft. Und spannenderweise kommt man sich dabei zugleich selbst näher, im Rückzug und in der Stille hinter der Maske. Schon früh in meiner Kindheit hat mich diese Faszination ergriffen. Der Krampuslauf und die Faschingszeit im Münstertal haben mich auf besondere Weise geformt. Diese frühen Eindrücke wirken bis heute lebendig und ungebrochen in mir weiter.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1179381_image" /></div> <BR /><BR /><BR /><b>Performance, Video, Fotografie und Skulptur, Ihre Arbeit ist selbst von Verwand- lungen getragen und erscheint fast kafkaesk, was ja auch gut zu Ihrer Ausstellung im Bunker 5 passt. Was gibt es dort zu sehen?</b><BR />Fliri: Apropos Kafka, im vergangenen Jahr hatte ich die Gelegenheit, das Originalmanuskript von „Die Verwandlung“ zu sehen. Die Erzählung selbst wirkt wie eine Maske: Sie wird einem überraschend übergestreift und plötzlich blickt die Welt mit verändertem Antlitz zurück. Ein Moment, der einem den Boden unter den Füßen wegzieht.<BR /><BR />Die Ausstellung „+/- Folk“ in Mals und Tartsch, Initiator Othmar Prenner und kuratiert von Daniel Costa, erstreckt sich über drei Orte und vereint zeitgenössische Kunst, Design und Volkskunst. Dem Bunker 23 mit einer großen Gruppenausstellung, der St. Veitskirche „Hofer und Hofer“ mit Jörg Hofer und Kurt Hofer und dem Bunker 5 „Fliri und Bader/die Maske“ mit meiner Lebensgefährtin der Schweizer Designerin Antoinette Bader, welche außergewöhnliche Masken/Tierköpfe aus Filz präsentiert. Das Leitmotiv ist die Maske. Erweitert wird die Schau durch Arbeiten weiterer Künstler, wie Hubert Kostner, sowie Designer. Diese treten in einen spannenden Dialog mit originalen Krampusmasken aus dem Obervinschgau und Masken-Leihgaben aus dem Messner Mountain Museum. Dort begegnen Sie also Werken, bei denen es möglich ist, dass sie Sie ebenso betrachten, wie Sie sie.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1179384_image" /></div> <BR /><h3> Zur Person Michael Fliri</h3><BR />Er wurde geboren 1978 in Schlanders. Von 1999 bis 2006 studierte er an der Accademia di Belle Arti Bologna, an der Akademie der Bildenden Künste München, bei Olaf Metzel und Asta Gröting und an der Academy of Art and Design KHiB in Bergen. Zahlreiche Einzel- und Gruppenausstellungen. Nach Aufenthalten in New York und Paris lebt und arbeitet er heute zwischen Taufers i.M., der Schweiz und Österreich.<BR /><h3> Judith Neunhäuserer und Oliver Laric</h3>Die Ausstellung in der Galerie Doris Ghetta bringt die Arbeiten von Michael Fliri, Judith Neunhäuserer und Oliver Laric zusammen, um über Transformation als materielle, wahrnehmungsbezogene und konzeptuelle Bedingung nachzudenken. Anhand von Fotografie, Skulptur, Video und digitalen Medien erforscht die Ausstellung die Metamorphose als kritische Linse auf die heutige Zeit – eine Zeit, die von Instabilität, Hybridität und kontinuierlicher Neudefinition in biologischen, kulturellen und technologischen Bereichen geprägt ist.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1179387_image" /></div> <BR /><BR /><b>Judith Neunhäuserer</b> (*1990, Bruneck) verfolgt einen forschungsbasierten, transdisziplinären Ansatz, der Kunst, Wissenschaft und Ökologie miteinander verbindet. Ihre Arbeiten – darunter „Formation of a Quantum Henge“ und „All heat is the same“, die während eines Aufenthalts am Polarkreis entstanden sind – stellen statische Vorstellungen von Materie in Frage. Indem sie sich auf megalithische Formen, Eisscans und Energiedynamik stützt, evoziert sie zeitliche und systemische Verstrickungen.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1179390_image" /></div> <BR /><b>Oliver Laric</b> (*1981, Innsbruck) untersucht in seinen Arbeiten die Transformation innerhalb der digitalen Kultur, in der Reproduktion, Scannen und Remixen die Grenzen zwischen Original und Kopie, Subjekt und Objekt verwischen. „Betweenness“ (2018) und „Krötentisch“ artikulieren Zwischenzustände, während „Pair of Dogs“ die Zirkulation und Mutation von Formen durch Kunstgeschichte und zeitgenössische Medien beleuchtet.<BR /><BR /><BR /><b>Termine:</b> Galerie Doris Ghetta, Pontives 8, St. Ulrich, bis 21.6. – <BR />Bunker 5, Mals, bis 26.10., sonntags von 13-18 Uhr