<b>Von Margit Oberhammer<BR /></b><BR />Enea Righi, der mit wichtigen Institutionen zusammenarbeitet, mit der Artefiera, der Biennale in Venedig und der Documenta, trennt sich von Manchem, lässt es versteigern wie vor Kurzem in London. Die Museen können sich Ankäufe wie die beispielweise von Righi angebotenen Werke von <b>Alighiero Boetti</b> oder <b>Etel Adnan</b> nicht mehr leisten, müssen auf die Großzügigkeit von privaten Sammlern bauen und sich deren Vertrauen erwerben. <h3> „Zwischen den unsichtbaren Fugen“ </h3>Zwischen Enea Righi und dem Museion besteht ein solches langjähriges Vertrauensverhältnis. Und wie Direktor <b>Bart van der Heide</b> im Gespräch sagt, fügen sich die Sammelschwerpunkte von Righi zudem außerordentlich gut in die inhaltlichen Schwerpunkte und Anliegen des Museion. Ein Museum wird von beiden als öffentliche Arena verstanden, wo die Werte der Zivilgesellschaft jeweils neu verhandelt werden können.<BR /><BR />„Among the Invisible Joins/Zwischen den unsichtbaren Fugen“ – der Ausstellungstitel ist der Schriftstellerin <b>Virginia Woolf</b> entlehnt – führt auf eine spannende Reise. Das Kuratorenteam <b>Bart van der Heide, Frida Carazzato, Brita Köhler</b> und <b>Leonie Radine</b> lässt den Besuchern viel (Zwischen)Raum, um in einen Dialog mit den Objekten einzutreten.<h3> Im Schwebezustand zwischen Auflösung & Lösung</h3> Es sind über 150; da versteht es sich von selbst, dass in den Dialog treten bedeutet, sich entweder radikal zu beschränken oder mehrmals wiederzukommen. Empfohlen sei das zweite. Wer nur kurz seine Fühler ausstrecken mag, ohne auf Antworten zu warten, kann sich an der Ausstellungsarchitektur (<b>Kollektiv Campomarzio</b>) erfreuen, sich durch die Räume treiben und im vierten Obergeschoss überraschen lassen. <BR /><BR /><embed id="dtext86-66749032_gallery" /><BR /><BR />Ein effektvolles Entree, ein silbern glänzender Himmel aus zeppelinähnlichen Formen, eigentlich Sprechblasen, von <b>Philippe Parreno</b>, und ein spiegelnder Durchgang nehmen die Besucher verheißungsvoll auf. Es weckt Erwartungen, spielt mit der Magie der Kunst, Alltagsräume hinter sich zu lassen, zu verwandeln oder sie zumindest zu erweitern. Hinter dem Durchgang im Erdgeschoss begibt man sich mit <b>Lawrence Weiners</b> großformatiger Wandschrift in den Schwebezustand zwischen Auflösung & Lösung in der Gegenwart.<h3> Bilder für das erlittene Unrecht der Vorfahren</h3> Man kann den Zustand erproben oder sich ihm entgegenstellen, je nachdem, wie lange man sich auf <b>Franz Erhard Walters</b> Halbkreis III Skulptural-innen (1975) stellen mag. Anlässlich der Eröffnung setzt sich der Performer dort sehr lange und tapfer den Blicken der Besucher aus. Ich ziehe es vor, die Skulptur zu aktivieren, sobald niemand anderes im Raum ist, im Blick ein Werk von <b>Thomas Hirschhorn</b>, eines seiner geliebten, einstürzenden architektonischen Gebilde. <BR /><BR />Weitere in Auflösung begriffene skulpturale Gebilde aus löchrigem Segeltuch, Eisenhaken, mit weißem Pulver überzogen, hängen frei im Raum. Mit „May you break free and outlive your enemy“ (2021) erzählt die junge Künstlerin <b>Dominque White</b> von Traumata. Eine kurze Recherche zeigt, dass sie, Angehörige der schwarzen Diaspora und 2023 Preisträgerin des Max Mara Art Prize, Bilder schafft für das erlittene Unrecht ihrer Vorfahren. <h3> Wenn Krieg und Gewalt in das eigene Leben hineinwirken</h3>Wer auf der diesjährigen Biennale war, erinnert sich vielleicht an die Installation mit den unzähligen, verschiedenartig geformten Tonwürstchen von Anna <b>Maria Maiolino</b>. Im Museion erfreut die brasilianische Künstlerin, der der diesjährige Goldene Löwe für das Lebenswerk zugesprochen wurde, mit den Förmchen als Relief und dem Video eines sich öffnenden und schließenden Munds. Die Installationen im zweiten Obergeschoss öffnen weite geographische und geschichtliche Räume mit Arbeiten von <b>Anna Boghiguian, Martha Rosler</b> oder <b>Walid Raad.</b> Sie erzählen davon, wie Krieg und Gewalt in das eigene Leben hineinwirken. <h3> Ob die Kunstwerke antworten?</h3>Am engsten mit dem Ausstellungstitel verbunden sind die Arbeiten im dritten Obergeschoss, die Stimmung dort ist geprägt von <b>Giorgio Morandis</b> Stillleben. Türen, Fenster und Spiegel zeigen und verhüllen. Spuren abwesender Personen verbergen sich in den aufgestapelten Koffern von <b>Zoe Leonard</b>, den Worten auf den Glasflaschen von <b>Shilpa Gupta.</b> Hier sollte man verweilen, sich einlassen auf das Spiel, in die Rottöne der Stühle, Teppiche, Kissen, Pullover eintauchen, mit denen <b>Tom Burr</b> an die Gegenstände der Intellektuellen Susan Sontag erinnert, darauf warten, ob die Kunstwerke antworten. <BR /><BR />Im vierten Obergeschoss begrüßen sie mit einem magischen Leuchten. <b>Bartolinis</b> sinnliches, funkelndes Glühbirnenfeld, das geheimnisvolle Spinngewebe von <b>Tomás Saraceno</b> verweisen gemeinsam mit den fragmentierten, hybriden, zerstückelten Körpern von <b>Neil Beloufa, Giulia</b><b>Cenci</b> oder <b>Shahryar Nashat</b> über die menschliche Spezies hinaus. Mag sich diese mit <b>Gino De Dominicis</b> D’io auch als gottgleich wähnen, die Conditio humana bleibt eine des Ausgesetzt seins und des Suchens. <BR /><BR /><b>Termin:</b> Bis 2.3., Museion Bozen