Zu seinem 75. Geburtstag am 1. Oktober ist es wieder soweit: Die Ausstellung „Skulpturen Modelle Zeichnungen“ im Wiener MAK gibt einen Einblick in das erratische Oeuvre dieses Grenzgängers zwischen Zeichnung, Bildhauerei und Architektur. Das wahre Zentrum für seine Kunst hat der Südtiroler jedoch im südburgenländischen St. Martin an der Raab errichtet, wo ein Ensemble aus Arbeits- und Ausstellungsstätten entstanden ist.Pichler, 1936 in Deutschnofen geboren, studierte an der Kunst- und Gewerbeschule in Innsbruck und an der Akademie für angewandte Kunst in Wien, längere Aufenthalte in Paris und New York ergänzten seine Studien. Österreichs junge Architekturavantgarde, Raimund Abraham, Coop Himmelb(l)au und Hans Hollein waren seine Mitstreiter in den 60er Jahren. Gemeinsam mit Hollein war Pichler 1967 auf einer folgenreichen Ausstellung im Museum of Modern Art New York präsent. Oswald Wiener war theoretischer Begleiter von Pichlers Skulpturenprojekten der 60er Jahre, den „Prototypen“, und widmete dem Künstler den Text zum „bio-adapter“. Das tragbare Wohnzimmer („TV-Helm“) oder das Telefonset zählte zu diesen Prototypen, die im Grenzbereich zwischen Architektur, Design und Skulptur angesiedelt waren und nach ihrer Präsentation in der Galerie nächst St. Stephan auf der documenta 4 in Kassel Furore machten.Zu Beginn der 70er Jahre begann der Künstler in einem Bauernhaus in St. Martin an der Raab für seine Skulpturen, von denen er keine mehr verkaufte, eigene Behausungen zu errichten: ein „Haus für den Rumpf und die Schädeldecken“, eines „für den Wagen“ oder „für die bewegliche Figur“. Ein fantastisches Architektur-Ensemble, ein geheimnisvoller Tempelbezirk und eine Kunstpilgerstatt ist so entstanden, finanziert durch die Zeichnungen des Künstlers, der viele Jahre das grafische Erscheinungsbild des Residenz-Verlages bestimmt hat und nun für den Jung und Jung Verlag Bücher gestaltet. Im Eggental hat Pichler für einen Cousin sein bisher einziges Menschen-Haus gebaut, ein 56 Quadratmeter großes, kompromiss- und fensterloses Einraumhaus mit Glasdach, errichtet unmittelbar neben dem Spielplatz seiner Kindheit.Nur in Ausnahmefällen mutet der Träger des Großen Österreichischen Staatspreises seinen Objekten, Stelen, Figuren, Transportbehältnissen, Betten, die wie Totems eines Kultes wirken, einen Ortswechsel zu. Dennoch war Pichler immer wieder durch große internationale Ausstellungen – etwa im Museum of Modern Art (1975), im Städel-Museum (1982), im Stedelijk Museum (1997) oder durch seine Teilnahme auf der Kunstbiennale Venedig (1982) – im Ausland präsent. Zuletzt war 2002 im Architekturzentrum Wien eine Ausstellung über sein „Haus neben der Schmiede“ und 2008 im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum die Ausstellung „Es ist doch der Kopf“ mit zwölf Skulpturen und über 100 Zeichnungen zu sehen. Im MAK macht er derzeit wieder „einen Test“, ob seine Kunstwerke auch außerhalb des für sie geschaffenen Kunstbezirks Bestand haben: „Sie machen eine Reise, bleiben eine Zeitlang da, und ich schaue mir an, ob sie unter diesen neuen Umständen auch funktionieren.“ Walter Pichler darf beruhigt sein. Es hat auch diesmal wieder geklappt. apa