Die September-Ausgabe der Monatszeitschrift für Südtiroler Landeskunde, „Der Schlern“, befasst sich mit einem Aspekt der Familiengeschichte. Autor Philip Tolloi beleuchtet die Entwicklung der Familie im 17. Und 18. Jahrhundert. Er ist auch Initiator der Tagung. Ein Gespräch. <BR /><BR /><b>Die Herren von Welsperg sind Inhalt der Tagung „Die Welsperg. Aspekte einer Familienbiographie“, zu der Anfang Oktober eine Reihe von namhaften Referentinnen und Referenten geladen sind. Was sind die Schwerpunkte?</b><BR />Philip Tolloi: Das Ziel ist es, einen möglichst umfassenden Eindruck von dieser Familie zu vermitteln, da trotz ihrer Bedeutung für die Tiroler Landesgeschichte doch vieles im Dunkeln liegt, angefangen bei ihrer Herkunft, ihren Ursprüngen und genealogischen Fragestellungen. Es sollen weiters Fragen zu ihrer wirtschaftlichen Basis, ihrer Rolle im Militär, Kirche, Verwaltung und Diplomatie beantwortet werden. Sähe man ihren Wirkungsbereich jedoch nur im Tirolischen, würde man dieser Familie nicht gerecht werden. Sie strahlte nämlich weit darüber hinaus, wenn man nur an ihr über Jahrhunderte währendes Engagement in der Valle di Primiero, das bis 1918 auch zu Tirol gehörte, im Hegau am Bodensee, im Salzburgischen oder später auch kurzzeitig in Österreich ob der Enns denkt. Weitere Aspekte, die auf der Tagung behandelt werden, sind schließlich ihr Bildungs- und Heiratsverhalten sowie die Äußerungen ihrer Selbstvergewisserung in Kunst und Familienmemoria. Ich erwarte mir, dass wir am Ende mit neuen Erkenntnissen zur Tiroler und allgemeinen Adelsgeschichte aufwarten können. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="811856_image" /></div> <BR /><BR /><b>Tirol ist reich an Burgen und Adelsgeschlechtern. Welche Bedeutung hatten die Herren von Welsperg im Kontext der Geschichte Tirols?</b><BR />Tolloi: Die Welsperg gehören zum älteren Görzer und Tiroler Adel. Im Dienste der Habsburger erleben sie vom 15. bis ins 19. Jahrhundert einen stetigen Aufstieg vom Ritter- bis in den Reichsgrafenstand, sie besetzen Ämter am landesfürstlichen Hof in Innsbruck, am fürsterzbischöflichen Hof in Salzburg und am fürstbischöflichen Hof zu Brixen, mit Wilhelm von Welsperg besteigen sie im 17. Jahrhundert selbst den Brixner Bischofsstuhl und mit Joseph Ignaz und Philipp von Welsperg stellen sie im 18. Jahrhundert Diplomaten, die den Wechsel vom Innsbrucker an den Wiener Hof wagen, um den Machterhalt der Familie zu sichern. Kurzum, die Welsperg gestalten über Jahrhunderte nicht nur Tiroler Politik, sondern im Auftrag ihrer Dienstherrn in gewisser Weise auch habsburgische Politik in Europa mit.<BR /><BR /><b>Sie haben schon mehrfach über die Geschichte dieser Familie gearbeitet. Der Aufsatz, der in der September-Ausgabe des „Schlern“ erscheint, ist mit dem Titel „Zwischen Prestige und Verschuldung. Die Grafen Welperg-Raitenau im 17./18. Jahrhundert“ überschrieben. Wie sind Sie auf dieses Thema gekommen?</b><BR />Tolloi: Durch die Verzeichnung des Familienarchivs und damit durch die Lektüre von mehreren Hundert Schriftstücken bin ich zunehmend in die Familiengeschichte eingetaucht. Dabei habe ich konkret, was den von Ihnen angesprochenen Aufsatz anbelangt, festgestellt, dass Geldgeschäfte und damit das Schuldenmachen ein elementarer Teil adeligen Wirtschaftens ist. Der Adel leiht und verleiht immerzu Geld, wie das im Übrigen auch andere soziale Gruppen tun. Nur so nebenbei angemerkt: Gläubiger sind dabei oftmals kaum in der besseren Lage als die Schuldner, wenn sie etwa gewährte Kredite nicht mehr abschreiben müssen. Die Welsperg waren jedenfalls, wie viele andere Familien auch, nach dem Untergang des Alten Reiches nicht mehr in der Lage, diese Schulden ohne Verkauf eines Teils des immobilen Familienvermögens zu tilgen. Dazu kam der steuerliche Druck der neuen Regierungen etwa im Großherzogtum Baden, wo nunmehr ihre Herrschaft Langenstein lag. Andererseits kam durch Heiraten und Erbfälle auch wieder frisches Vermögen dazu. Man denke etwa an die Erbschaften aus dem Primörer oder Spaurer Erbfall. Ein Stück weit haben sich die Welsperg von diesen schuldenbedingten Verkäufen auch wieder erholt, wenngleich das 19. Jahrhundert alles andere als adelsfreundlich war. Es ist allerdings auch noch hinzuzufügen, dass die Selbsteinschätzung des Adels zuweilen durchaus etwas zu pessimistisch war.<BR /><BR /><embed id="dtext86-56054244_quote" /><BR /><BR /><b>Im Jahr 1693 wurde die Familie in den Reichsgrafenstand erhoben und war danach in ganz Europa tätig. Welche Tätigkeiten führte sie aus?</b><BR />Tolloi: Durch den Raitenauer Erbfall 1671 setzten sie ihren Fuß zunächst in den Südwesten des Reichs. Sie erreichten als Inhaber des Reichsrittergutes Langenstein zwar nicht die Reichsstandschaft, aber vor allem dank ihrer Loyalität den habsburgischen Landesherrn gegenüber konnten sie sich in einem machtpolitisch sehr umstrittenen und zerstückelten Herrschaftsbereich etablieren. Es ist daher kein Zufall, dass sie regelmäßig als Landvögte von Nellenburg die habsburgischen Stellvertreter in dieser wichtigen vorderösterreichischen Landgrafschaft waren. Das war sozusagen das Exerzierfeld, auf dem sie sich erfolgreich bewährten, bevor sie zu noch höheren Weihen aufstiegen, wenn wir etwa den im Schlern-Artikel nebenbei behandelten Joseph Ignaz vor Augen haben. Bereits sein Sohn Philipp wurde als sogenannter „bevollmächtigter Minister“, also als Gesandter, an die Königshöfe in Lissabon, Kopenhagen oder Turin entsandt und stand mit wichtigen Politikern und Gelehrten seiner Zeit in Kontakt. Unter Kaiser Joseph II. wurde Philipp für einige Zeit zum Privatier degradiert. Erst unter dessen Nachfolger Leopold II. wurde er rehabilitiert und zumindest als Statthalter von Innerösterreich wieder in den Verwaltungsdienst aufgenommen. Seine Nachfolger konnten allerdings keine vergleichbaren Karrieren auf internationaler Bühne mehr bestreiten. Jedenfalls gehörten die Welsperg im 19. Jahrhundert zu den vom renommierten Adelsforscher William D. Godsey, der im Übrigen auf der Welsperg-Tagung den Eröffnungsvortrag halten wird, errechneten 474 hochadeligen Familien in der Habsburgermonarchie.<BR /><BR /><b>Schulden führten dann zum Abstieg. Was sind die Hintergründe dafür, und wie versuchte Graf Philipp Neri diese zu tilgen?</b><BR />Tolloi: Grundsätzlich sind die Mechanismen adeligen Wirtschaftens noch genauer zu erforschen. Was konkret das Beispiel Welsperg angeht, kann festhalten werden, dass Philipp durch seine Gesandtschaften und seinen Herrendienst, um einen Begriff aus der Mediävistik zu gebrauchen, sich nicht wirklich um die Abtragung der Schulden hat kümmern können. Auch seine Lebensweise und seine lange Abwesenheit von Gütern im Hegau oder auch im Pustertal haben nicht dazu beigetragen, den Schuldenberg zu verringern. So vererbte er diese undankbare Aufgabe an seinen Sohn Karl, der dabei nichts unversucht ließ, aber wie gesagt aufgrund der äußeren Umstände fast schon scheitern musste.<BR />Aber nicht die Schulden allein belasteten die Familienfinanzen, auch die Tatsache, dass mit der Auflösung der Ständeordnung bzw. den sozio-ökonomischen, politisch-rechtlichen Umwälzungen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts – Stichworte: Mediatisierung, Steuerreformen, Grundentlastung, Aufhebung der Patrimonialgerichtsbarkeit usw. – ein für den Adel ungünstiges gesellschaftliches Klima entstand, er also des Großteils seiner Vorrechte entblößt wurde, was vielfach sogar zur Pauperisierung des Adels führte. So schlimm traf es die Welsperg freilich nicht. Es ist aber ein bestimmter Rückzug ins Private bzw. Desinteresse am Öffentlichen, vor allem bei Graf Heinrich, festzustellen. <BR />Ihr faktischer Untergang ist allerdings eine Folge generativer Probleme. Heinrichs einziger Sohn Konrad verschied infolge einer Krankheit bereits mit 16 Jahren im Jahr 1898. <BR /><BR /><b>Termin:</b> Die Welsperg. Aspekte einer Familienbiographie – Internationale Tagung vom 5. bis 8. Oktober in Brixen (Bischöfliche Hofburg, Cusanus-Akademie, Priesterseminar)<BR />Buchtipp: Der Schlern, Heft 9 – Bestellen: www.athesiabuch.it<BR />