Dass sie darin eine Unruhe bewegen, gehört zur tiefen Berührung, zu der sie fähig sind. Das Romandebüt „Die Mittellosen“ von Szilárd Borbély gehört zu solchen Literaturen. Unerhört, wie es die Kindheit in einer grausamen ländlichen Welt in Ungarn der 1960er Jahre schildert, und unermesslich die leise Klage der Erniedrigten und Beleidigten, der Namenlosen und Betrogenen. Aber genauso eindringlich die Kunst, in der das Leid und Los des Unrechts poetisch eingelöst wird, beinahe als Akt der Gnade.Am 28. November wird der Roman, mit dem sich der Autor an die Spitze der ungarischen Gegenwartsliteratur geschrieben hat, in Lana vorgestellt: Als der Ladenbesitzer Mózsi von der Zwangsarbeit ins Dorf zurückkehrt, hat er keine Ähnlichkeit mehr mit einem Juden. Er wird nie wieder einen schwarzen Kaftan tragen. Auch kein weißes Hemd. Er fragt nicht, wohin seine Ware sich verflüchtigt hat: „Aus dem Haus sind die Möbel verschwunden, aus den Regalen die Bücher, aus den Herzen das Erbarmen.“Jahrzehnte später wächst hier ein Junge auf, der Erzähler des Romans. Früh lernt er, wie man Tiere tötet und sich mit halberfrorenen Fingern die Fußlappen bindet, was es heißt zu frieren, zu hungern und von den Leuten im Dorf voller Misstrauen betrachtet zu werden. Die Eltern sind keine Bauern, sondern Menschen, die „Fremdengeruch“ umgibt. Sie kommen anderswo her, wie der Zigeuner Messias, der den Bauern das Plumpsklo entleeren muss. Doch wer sind sie? Juden? Aus Rumänien vertriebene orthodoxe Christen? Ruthenen? Warum werden sie ausgegrenzt? „Wir gehen und schweigen. Dreiundzwanzig Jahre trennen uns. Die Dreiundzwanzig kann man nicht teilen. Die Dreiundzwanzig ist nur durch sich selbst teilbar. Und durch eins. So ist die Einsamkeit zwischen uns. Man kann sie nicht in Teile zerlegen. Man schleppt sie als Ganzes mit sich.“Termin Freitag, 28. November, 20 Uhr, Hofmannplatz 2, LanaSzilárd Borbély: Die Mittellosen. Aus dem Ungarischen von Heike Flemming und Laszlo Kornitzer. (Suhrkamp Verlag, 2014)Einführung und Übersetzung: Laszlo Kornitzer