Von der harten Arbeit am Schneeberg, von Lawinenunglücken und von Votivbildern: Der Heimatkundler Paul Felizetti erklärt im Interview die Beweggründe für seinen Aufsatz über das Bergwerk, der im aktuellen „Schlern“ erschienen ist – und von der besonderen Bedeutung eines Votivbildes. <i><BR /><BR /><BR />Interview: Beate Gatterer</i><Fett><BR /><BR />Der „Schneeberg“ und sein Bergwerk sind reich an Geschichten. Was ist der Grund, dass Sie sich für einen Beitrag über die Votivtafeln entschieden haben?</Fett><BR />Paul Felizetti: Eigentlich wollte ich für die Chronik der Freiwilligen Feuerwehr von Ridnaun einen Aufsatz über die Lawinenkatastrophen am Schneeberg, dem traditionsreichen Südtiroler Bergwerk am Übergang zwischen Passeier und Ridnaun, schreiben. In der Pfarrkirche von Moos hängt ein bekanntes Votivbild, das an die Lawine von 1693 erinnert. Direkt auf dem Bild ist folgende Inschrift gemalt: „Am Schneeberg kamen am 22. März 1693 unter einer Lawine u. liegen hier begraben.“ Eine Gruppe von 29 Bergleuten, die dabei ihr Leben verloren haben, knien zu Füßen der Bergbauheiligen Daniel und Barbara. 27 Knappen werden sogar mit Namen genannt. Dieses Votivbild wird in mehr oder weniger allen Arbeiten über den Schneeberg zitiert. Als ich mich dann aber näher mit diesem Bild auseinandersetzte, stieß ich bald auf allerlei Ungereimtheiten und Widersprüche. Schließlich und endlich kam ich zu einer Erkenntnis, die mich ziemlich erstaunte, obwohl ich mich als Führer im Bergbaumuseum und als Ortschronist von Ridnaun schon lange mit der Geschichte dieses Bergbaues befasst hatte.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="614897_image" /></div> <BR /><BR /><Fett>Welche These stellen Sie auf?</Fett><BR />Felizetti: Ich bin zum Schluss gekommen, dass sich die unzählige Male zitierte Lawinenkatastrophe von 1693 gar nicht am 22. März zugetragen hat und dass auch die in der gesamten Schneeberg-Literatur nach 1968 angegebene Opferzahl von 27 Lawinentoten ebenfalls nicht der Wirklichkeit entspricht. Das Lawinenunglück hat sich nämlich am 29. März 1693 ereignet und forderte nicht 27 oder 29, sondern „nur“ 19 Tote. Ich bin sogar zur Überzeugung gelangt, dass das Votivbild von Moos trotz der eigentlich mehr als eindeutigen Inschrift - und das direkt auf dem Bild - gar nicht in Erinnerung an die Lawinenkatastrophe von 1693 angefertigt worden ist.<BR /><BR /><Fett>An welche Lawine soll es dann erinnern?</Fett><BR />Felizetti: Nach Auswertung der mir bekannten Quellen bin ich zur Ansicht gekommen, dass dieses Votivbild älteren Datums ist. Ich glaube, dass es sich dabei um jenes Epitaphium handelt, das im Jahr 1670 in Erinnerung an eine Lawinenkatastrophe vom 25. Jänner 1500 angefertigt wurde, bei der 29 Schneeberger Bergwerksarbeiter den Tod gefunden haben. Auf dem Bild sind auch 29 Lawinenopfer abgebildet. Wann, aus welchem Grund und von wem die meiner Meinung nach irreführende Inschrift auf dem Votivbild angebracht wurde, kann ich mir allerdings nicht ganz erklären. <BR /><BR /><b>Gab es bereits Reaktionen auf Ihre Thesen?</b><BR />Felizetti: Es hat mich sehr gefreut, dass es bereits die ersten Reaktionen zu meinem Beitrag im „Schlern “ gerade aus dem Passeiertal gegeben hat. Ich erhoffe mir aber, wenn die Leser des „Schlern“, nachdem sie sich näher mit der Thematik beschäftigen konnten, vielleicht auch Hinweise liefern können, die eine endgültige Beantwortung einiger offener Fragen eben zu besagtem Votivbild in der Pfarrkirche von Moos, einem weiteren verschollenen Mooser Ex voto von 1737 oder beispielsweise zum ursprünglichen Herkunftsort eines weiteren Votivbildes ermöglichen, das zur Erinnerung an eine Lawine vom 27. Jänner 1752 angefertigt worden ist. Dabei hatte es nur Dank der Gnadenmutter „Maria vom Trost“ glücklicherweise keine Toten zu beklagen gegeben.<BR /><BR /><b>Wie waren die Lebensbedingungen am Schneeberg?</b><BR />Felizetti: Ich glaube, dass sich wenige Menschen heute eine Vorstellung machen können, wie hart die Arbeits- und Lebensbedingungen am Schneeberg gewesen sind. Beim Schneeberg spricht man ja oft sogar vom höchstgelegenen Bergwerk Europas. Die Bergwerkssiedlung von St. Martin am Schneeberg liegt auf über 2.350 m Meereshöhe, wo zeitweise ganzjährig ohne Winterpause durchgearbeitet worden ist. <BR />Der erste Teil des Aufsatzes ist ein volkskundlicher Blick auf diese wirklich unvorstellbaren Lebensbedingungen im endlos langen Schneeberger Winter und auf die Gefahren, denen die Bergleute in der kalten Jahreszeit ausgesetzt waren. Untermauert wird das Ganze mit einer ganzen Reihe von Zeitungsberichten über Unfälle, die sich auf dem Weg vom und zum Schneeberg sowohl auf Passeirer als auch auf Ridnauner Seite ereignet haben. Wir lesen eine Vielzahl von Berichten über kleinere und größere Lawinenabgänge, über im Schneesturm verirrte und erfrorene Bergleute, die trotz ihrer Tragik mitunter recht „unterhaltsam“ zu lesen sind. Den vielen oft namenlosen Schneeberger „Helden der Arbeit“ möchte ich diesen Beitrag widmen.<BR /><BR />