<b>Das Publikum in Südtirol kennt Sie sehr gut. Standen Sie doch im Rahmen der Theatergastspiele des Südtiroler Kulturinstituts hierzulande schon auf der Bühne. An welchen Auftritt erinnern Sie sich besonders?</b><BR />Peter Jordan: Natürlich der „Thalia Vista Social Club“. In Hamburg ist er garantiert ein Erfolg seit 25 Jahren, aber in anderen Städten und auch im Ausland ist es interessant zu schauen, wie das neue Publikum das findet.<BR /><BR /><b>Auch eine Ihrer Regiearbeiten war als Gastspiel in Bozen zu sehen: Die Inszenierung der „Dreigroschenoper“, gemeinsam mit Leonhard Koppelmann am St. Pauli Theater. Was lockt den Schauspieler immer wieder ans Regiepult?</b><BR />Jordan: Das lockt gar nicht soo sehr, ehrlich gesagt. Das ist mal entstanden, als wir angefangen haben, unsere von uns geschriebenen Komödien zu inszenieren. Aber ich spiele schon eher gerne selber.<BR /><BR /><b>Sie spielten 2008-2012 den Hamburger Tatort-Kommissar, man kennt Sie aus Serien wie „Solo für Weiss“ und Filmen wie z. B. „Die Wannseekonferenz“. Gibt es Rollen, die für Sie besonders prägend waren?</b><BR />Jordan: Prägend waren vor allem die frühen Theater-Erfahrungen. Man war jung und glaubte noch alles, und rannte auf Zuruf mit dem Kopf gegen die Wand.<BR /><BR /><b>Sie haben bereits Theaterstücke geschrieben, am 16. Oktober ist Ihr Buch „Kein schöner Land“ im dtv-Verlag erschienen. Worum geht es darin?</b><BR />Jordan: Ich verarbeite in gewisser Weise autobiografisch das bei mir entstandene Schuldgefühl, ein Deutscher zu sein, hinsichtlich der Verbrechen des Zweiten Weltkrieges und des Holocausts.<BR /><BR /><b>„Kein schöner Land“ kennen wir als Volkslied. Was hat es damit auf sich?<BR /></b>Jordan: Als ich meinem Sohn dieses Lied vorsingen musste, konnte ich nur die erste Strophe, und ich begann darüber nachzudenken, warum das so war.<BR /><BR /><b>Sie schreiben, dass deutsche Schauspieler in internationalen Filmen gerne für Nazi-Rollen besetzt werden. Wird der Widerstand, der auch Teil deutscher Kultur ist, im Ausland zu wenig wahrgenommen?</b><BR />Jordan: Ja, das wird er. Aber wie sollte es auch anders sein, wenn die Verbrechen so stark überwiegen. Die Verbrechen kennen alle, aber die Weiße Rose oder Stauffenberg sind weniger bekannt.<BR /><BR /><b>Ist das Buch auch eine Großvater-Vater-Sohn-Geschichte?</b><BR />Jordan: Eher eine Vater-Sohn-Geschichte. Aber die Teilnahme meines Vaters am Krieg ist nur der Anlass gewesen, mich als Jugendlicher auf die Suche nach der ganzen Geschichte zu machen.<BR /><BR /><b>Haben Sie dem Buch, trotz des ernsten Themas, eine Prise Leichtigkeit und Humor beigemischt?</b><BR />Jordan: Natürlich! Meiner Meinung nach geht das gar nicht anders. Immer im Leben.<BR /><BR /><b>In Ihrem Buch ringen Sie um ein passendes Verhältnis zur deutschen Kultur. Als Sie im „Thalia Vista Social Club“ im Bozner Waltherhaus auf der Bühne standen, haben Sie eine Zugabe in italienischer Sprache gegeben. Welches Verhältnis haben Sie zur italienischen Kultur?</b><BR />Jordan: Ein Prägendes! Essen, Musik, Schriftstellerei, Mode, Sprache, Filme! Das alles hatte, aus Italien kommend, immer einen großen Einfluss auf mein Leben.<BR /><BR /><b>Die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus ist ein schwieriges Thema. Wie reagiert das Publikum bislang auf das Buch?</b><BR />Jordan: Man gleitet schnell ab in die Weltpolitik und kommt dann, genau wie die Spezialisten in den Talkrunden im Fernsehen, nicht weiter. Aber wer weiß, vielleicht hat mal einer eine zündende Idee!<BR /><BR /><b>Ist es schwieriger geworden, Menschen für eine Lesung zu begeistern? Lassen sich junge Menschen noch für solche Literaturformate gewinnen?</b><BR />Jordan: Was nennen Sie jung? Die beiden 17-Jährigen in der letzten Lesung wurden von ihren Eltern mitgeschleppt, aber die haben beide tolle Sachen gesagt.<BR /><BR /><b>Unsere medialen Gewohnheiten verändern wohl auch unsere Aufmerksamkeitsspanne. Ist es schwieriger geworden, die Konzentration des Publikums im Theater oder bei einer Lesung zu halten?</b><BR />Jordan: Das ganz bestimmt! Wir werden ja auch alle im Durchschnitt immer übergewichtiger, weil das Verhältnis zwischen Nahrung essen und Nahrung beschaffen und den dabei verbrauchten Kalorien immer mehr ins Ungleichgewicht kommt. Genauso ist es mit dem Medien-Konsum. Wir verlernen Aufmerksamkeit, wenn wir sie nicht mehr einsetzen müssen. Ebenso wie Disziplin, und irgendwann macht uns das komplett abhängig. Kopfrechnen und Taschenrechner. Die Älteren unter uns erinnern sich.<BR /><BR /><b>Sie präsentieren Ihr Buch am 5. November in Bozen. Was erwarten Sie vom Publikum?</b><BR />Jordan: Ich hoffe, es wird ein nachdenklich unterhaltsamer <BR />Abend. (eva)<BR /><BR /><b>Zur Person</b><BR /><BR />Peter Jordan, 1967 in Dortmund geboren, studierte zunächst Medizin. 1991 absolvierte er eine Schauspielausbildung in Hamburg und war in festen Engagements am Schauspielhaus Bochum und am Thalia Theater Hamburg. Seit 2009 arbeitet er als Freiberufler. Jordan steht regelmäßig auf den großen Theaterbühnen Deutschlands und wirkt bei zahlreichen Film- und Fernsehproduktionen mit, etwa als Hamburger Tatort-Kommissar (2008-2011), in der Serie „Solo für Weiss“ oder zuletzt in Filmen wie „Die Wannseekonferenz“ oder „Und wer nimmt den Hund?“.<BR /><BR />Lesung: 5. November, 19 Uhr, Waltherhaus Bozen.<BR />Buchtipp: Peter Jordan, „Kein schöner Land. Papas Krieg, meine Nazis und die deutsche Kultur“, dtv Verlag, 2025, 160 Seiten<BR />Bestellen: www.athesiabuch.it