Der Vater, ein plebejisches Künstlergenie, führt das Wunderkind in die Kunst ein. Das Unmögliche geschieht: Sie wird nicht nur eine bedeutende Malerin, sondern auch die erste Frau, die einen prächtigen Palazzo nach eigenen Entwürfen plant und vollendet. Gegen alle Widerstände wird ihr Name in den Grundfesten der Villa Benedetta auf dem Hügel Gianicolo eingraviert. Autorin Melania Mazzucco hat nun ein Buch über sie verfasst...<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1081569_image" /></div> <BR />Plautilla Bricci, eine Wegbereiterin für Frauen in der Kunst, verblüfft ihre Zeitgenossen und zieht als erste Architektin in die Geschichte ein. Einer außergewöhnlichen Frauenfigur im barocken Rom ist der Roman von Melania Mazzucco „Die Villa der Architektin“ gewidmet, der im Folio-Verlag erschienen ist. Über das Leben von Plautilla Bricci in einer Welt, in der nur Männer, noch dazu Kirchenmänner, das Sagen hatten, hat die Autorin in Rom mit den Dolomiten gesprochen.<BR /><BR /><BR /><b>Mit diesem Roman haben Sie der lange in Vergessenheit geratenen Plautilla Bricci ein literarisches Denkmal gesetzt. Auch haben Sie ihn Ihrer vor Kurzem verstorbenen Mutter gewidmet...</b><BR />Melania Mazzucco: Ja, meine Mutter Andreina studierte in den 1950-er Jahren Architektur. Sie war eine der ersten Frauen an einer Architektur-Fakultät in Italien. Jedoch verließ sie die Universität vor dem Abschluss, als sie meinen Vater heiratete. Diesen Schritt hat sie aber nie bereut, denn damals war es für Frauen fast unmöglich, in den Architektenberuf einzusteigen. In diesem Sinne hatte sich vor 70 Jahren gegenüber der Zeit von Plautilla Bricci wenig geändert... Ich befasse mich immer in all meinen Werken mit dem sozialen Hintergrund, denn jede Generation wird von der Gesellschaft der eigenen Zeit zutiefst beeinflusst.<BR /><BR /><BR /><b>Ihre Werke haben, wie Sie sagen, häufig einen historischen Hintergrund und sind somit auch sehr an das Land, in dem der Roman spielt, gebunden. Wie glauben Sie wird „Die Villa der Architektin“ im deutschsprachigen Raum ankommen? Erste Rezensionen von Ö1 etwa sind sehr positiv.</b><BR /> Mazzucco: Italien ist immer ein Sehnsuchtsland. Menschen aus dem deutschsprachigen Raum havben meist eine enge Beziehung zur italienischen Kultur, zur Kunst und zum Barock. Ich bin froh, dass dank der Übersetzung meines Werkes Plautillas Name auch über die grenzen Italiens hinaus Bekanntheit erlangt. In Rom ist im Palazzo Venezia eine Ausstellung über 60 Frauen in der Kunst geplant, bei der auch die Rolle der Plautilla Bricci in der Architektur hervorgehoben wird. All meine Werke, angefangen von meinem ersten 1996 erschienenen Roman „Der Kuss der Meduse“ sind im deutschsprachigen Raum gut angekommen. Ich selbst habe eine Zeit lang in Deutschland gelebt und Deutsch gelernt, als ich über die Schweizer Schriftstellerin, Journalistin und Fotografin Annemarie Schwarzenbach recherchiert habe.<BR /><BR /><BR /><b>Sie waren auch die Jurypräsidentin des diesjährigen Strega-Preises, der wichtigsten literarischen Anerkennung in Italien. Italien ist auch Gastland der heurigen Buchmesse in Frankfurt. Welche Trends zeichnen sich im Literaturbetrieb ab?</b><BR />Mazzucco: Die Rolle der Jurypräsidentin ist anspruchsvoll, denn man muss bis zu 80 Werke lesen, um eine Wahl zu treffen. Diesmal hat mit „L'etá fragile“ von Donatella Di Pietrantonio – ein reiner Fantasie-Roman – gewonnen. Ich habe bemerkt, dass in den vergangenen Jahren sich verstärkt Biografien und Autobiografien profilieren.<BR /><BR /><BR /><b>Im Vorfeld der der Frankfurter Buchmesse vom 16. bis zum 20. Oktober ist es bereits zu verschiedenen Disputen gekommen. Sie und weitere 40 italienische Autoren haben in einem Schreiben vor politischer Einmischung in den Kulturbereich gewarnt...</b><BR />Mazzucco: Die Frankfurter Buchmesse ist weltweit das größte Event der Verlagsbranche, und Italien steht heuer nach 36 Jahren wieder als Gastland im Rampenlicht. Das ist eine großartige Gelegenheit, das die beste Literatur vorzustellen. Zwischen Kultur und Politik ist derzeit die Beziehung komplex. Einige italienische Schriftsteller sind zur Frankfurter Buchmesse nicht eingeladen worden und das hat für Wirbel gesorgt. Institutionen sind nicht immer neutral.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1081572_image" /></div> <BR /><BR /><BR /><b>Was glauben Sie, haben gedruckte Bücher im digitalen Zeitalter überhaupt noch eine Zukunft?</b><BR />Mazzucco: In Italien gibt es sei jeher einen sehr gebildeten Teil der Gesellschaft, der schon seit dem 19. Jahrhundert sehr viel liest. Dann gibt es aber auch einen großen Teil der Bevölkerung, der keine Bücher in die Hand nimmt. Auch die Massen-Alphabetisierung des Landes hat daran nichts geändert. In Italien gibt es im Gegenteil zu anderen Ländern keine Verlage, die für breite Schichten der Gesellschaft Werke drucken. Die Ursachen der geringen Verbreitung der Bücher in Italien wird seit Anbeginn untersucht. Dabei ändert sich im digitalen Zeitalter wenig.<BR /><BR /><BR /><b>Und was sind Ihre nächsten Pläne? Arbeiten Sie bereits an einem neuen Buch?</b><BR />Mazzucco: Ja, ich arbeite erneut an einem Roman mit einer Frauenfigur im Mittelpunkt. Es geht um eine Frau, die in Armut lebt. Das Thema des Exils spielt dabei wie bereits in anderen meiner Werke eine wichtige Rolle. Der Roman wird Ende dieses Jahres erscheinen. Mehr kann ich aber jetzt nicht enthüllen.<BR /><BR /><BR /><b>Wie Plautilla Bricci sind Sie eine gebürtige Römerin. Die Ewige Stadt bereitet sich auf das große Jubiläumsjahr vor, das 30 Millionen Pilger nach Rom führen wird. Was kommt auf Rom zu?</b><BR /> Mazzucco: Für die Römer sind die vielen Bauarbeiten in Hinblick auf das Jubiläum zermürbend. Wir sehen jedoch ein, dass Rom mit dem Jubiläumsjahr die Möglichkeit hat, sich zu verwandeln und seine Infrastrukturen zu modernisieren. Es ist jedenfalls wichtig, dass die Stadt nicht am Massentourismus untergeht. Sie muss ihre Identität bewahren.<h3>Zur Person Melania Mazzucco</h3>Die Autorin wurde 1966 in Rom geboren. 1992 promovierte sie in italienischer Literatur. Von 1995 bis 2004 war sie Redakteurin für Literatur am „Istituto dell'Enciclopedia Italiana Treccani“. Als Schriftstellerin und Essayistin debütierte sie 1996 mit dem Roman „Il bacio della Medusa“, dem weitere Romane folgten, die in 27 Sprachen übersetzt wurden. Für ihr Werk „Vita“ über das Schicksal italienischer Auswanderer nach Amerika gewann sie 2003 den wichtigsten italienischen Literaturpreis, den „Premio Strega“. Mazzucco lebt und arbeitet in Rom.<Rechte_Copyright></Rechte_Copyright><h3> Buchtipp:</h3> „Die Villa der Architektin“ von Melania G. Mazzucco, Folio Verlag 2024, 480 Seiten. Für das Buch wurde die Autorin mit vielen Preisen ausgezeichnet, darunter den renommierten Premio Strega und den Premio Manzoni. <BR /><BR /><BR />Italien auf der Frankfurter Buchmesse<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1081575_image" /></div> <BR /><BR />Ehrengast ist in diesem Jahr Italien, das 90 Autorinnen und Autoren nach Frankfurt bringt. Nicht alle sind Teil der offiziellen Delegation: Einige – wie der weltbekannte, von der Mafia verfolgte Schriftsteller <b>Roberto Saviano</b> – kommen auf Einladung ihres Verlages. Andere sind Teil des kuratierten Programms am Gemeinschaftsstand des Italienischen Verlegerverbandes – ein Novum in der Geschichte der Gastländer bei der Messe. Saviano wurde mit „Gomorrha“, einer literarischen Reportage über die Camorra in Neapel, berühmt. Seit der Veröffentlichung des Mafia-Enthüllungsbuchs im Jahr 2006 erhält er Todesdrohungen und steht unter Polizeischutz.<BR /><BR />Bereits einige Monate vor der Eröffnung kam es zwischen italienischen Autoren und Vertretern der Regierung in Rom zum offenen Streit. In einem offenen Brief drückten 41 Schriftsteller ihr Unbehagen über die vom Gastland verantwortete Programmgestaltung aus. Für Empörung sorgte jedoch vor allem, dass Saviano in der italienischen Delegation ursprünglich nicht berücksichtigt wurde. Der Vorgang führte in Italien zu einem Eklat.<BR /><BR /><BR />Der Regierung von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni wurde vorgeworfen, nicht genehme und regierungskritische Stimmen von der Buchmesse auszuschließen und sich zunehmend in den Kulturbetrieb einzumischen. Saviano gilt als einer der vehementesten Kritiker Melonis. Mehrere Autoren zogen sich aus Protest aus der offiziellen Delegation zurück. Saviano wurden dann doch noch eingeladen, verzichtete aber und kommt weiter nur für den Verlag.<BR /><BR /><BR />Dass es zwischen Buchmesse und dem Gastland einen Dissens gab, bestreitet Buchmessen-Chef Boos. Simone Bühler, die Leiterin des Ehrengast-Programms, drückt es so aus: „Viele Wege führen nach Rom. Und in diesem Jahr führen viele Wege Schriftsteller nach Frankfurt.“<BR />Das Programm auf der Messe selbst ist im Vergleich zu anderen Gastländern eher dürftig: Im Ehrengast-Pavillon gibt es zwischen antiken Säulen Ausstellungen über Geschichte und Kultur Italiens. In einem dieser Kabinette geht es um den Erfinder des Taschenbuchs, in anderen um Führung und Macht bei Machiavelli (1469-1527), das Design der Firma Kartell oder die Pirelli-Kalender. Im Begleitprogramm wird vor allem viel gesungen. Nur 64 Bücher wurden mithilfe eines Förderprogramms neu ins Deutsche übersetzt.<BR /><BR />Neben Saviano kommen weitere große Namen der italienischen Gegenwartsliteratur als Teil der offiziellen Delegation. Darunter <b>Nicola Lagioia</b> („Die Stadt der Lebenden“), <b>Donatella Di Pietrantonio</b> („Arminuta“), <b>Dacia Maraini</b> („Kinder der Dunkelheit“), <b>Susanna Tamaro</b> („Geh, wohin dein Herz dich trägt“) und <b>Melania G. Mazzucco</b> („Die Villa der Architektin“).