Die Welt braucht Träumer. Die Welt braucht Utopien! Wir haben mit Brigitte Knapp über ihr Werk gesprochen. <b>von Feruccio Delle Cave</b><BR /><BR />Brigitte Knapp hat dabei den Text gestaltet, Musikkommentare dazu erfunden und mit Gesang auf Audiodateien nachhörbar gemacht. Daniel Faranna hat das Instrumentarium dazu gestaltet, auf der Gitarre, Geige, dem Cello und dem Kontrabass. Die Audioaufnahmen besorgte und mixte Chris Kaufmann mit seiner „Blessville Musicproduction“. <BR /><BR /><i>Die Welt braucht Träumer. Die Welt braucht Utopien! Die Welt braucht Wolken, wenn sie nicht verglühen will! Aber, was manchmal strahlend weiß leuchtet und Hoffnung und Freude bringt, kann auch schnell grau und bedrohlich werden.</i> Diese Zeilen aus der Erzählung „Trixi“ sind gleichsam ein Motto dieses Buches, das in der Tat den Nerv unserer Zeit voll trifft, nichts ausspart, was unseren Alltag, unsere Probleme und unsere Alpträume ausmacht. <BR /><BR />Daneben aber finden wir Texte, die mit Migration und mit Verfremdung unseres Seins, mit Krieg und Unfrieden und dem Hinterfragen unserer geliebt gewordenen Gewohnheiten einhergehen. All den Texten ist aber eine Literarizität inne, die mit durchaus ästhetisch herausfordernden Stilmitteln wie Spiegelbild, Rede und Antwort in rascher Folge oder filmisch und dramaturgisch raffinierten Satzfolgen punkten, wie auch mit ehrlichen Metaphern. <BR /><BR />Und neben all dem Grauen, das unsere Welt erfüllt der Ruf nach dem Guten: <i>Man muss sich auf das Gute besinnen. Das Gute im Leben. Man muss die Schönheiten sehen, sonst wird man verrückt. Man muss sich ins Hier und Jetzt zurückholen, muss achtsam für die kleinen Dinge bleiben, sonst verliert man seine positive Lebenseinstellung und kann am Ende überhaupt nichts mehr ausrichten.</i> (aus: „Die Amalia“). Ein Buch, das uns unsere Träume vorführt und uns zugleich hilft, der Realität fest ins Auge zu schauen, ohne vor ihr zu erschauern; ein sehr schön zusammengestelltes Buch, in dem nichts zufällig oder banal wirkt und das durch die Audiodateien und der Stimme der Autorin lebendig und authentisch ist. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1099773_image" /></div> <h3> <b>Brigitte Knapp im Gespräch</b></h3><b>Sie betiteln Ihr neues Buch, ja Ihr Gesamtkunstwerk, „verwurzelt&versteinert“ – GsichterGschichtn. Was will der Titel aussagen? Sind Ihre neuen Texte, dazu auch die Musik von Daniel Faranna und die beigelegten Bildmotive, als Geschichten zu verstehen, die sich dem Leser/Leserin, dem Hörer/in wie ein Bild, ein Gesicht einprägen sollen?</b><BR />Brigitte Knapp: Ich beziehe mich damit in erster Linie auf die Inspirationsquelle für die Texte und Lieder, nämlich die Fotos von Gesichtern, die ich in Naturgebilden (vorwiegend Wurzeln, Bäume, Stein) entdeckt habe. Ich habe mich von den Ausdrücken, Momentaufnahmen, Zuständen, die ich glaube darin zu erkennen, leiten lassen. Aber natürlich sind auch Themen, die gerade in der Luft um meinen Schreibtisch hingen, mit eingeflossen. Für mich sind es von der Natur in Holz und Stein eingemeißelte Abdrücke unserer Gesellschaft. Für die Leser/Leserinnen eine Einladung manchmal genauer hinzusehen – im Wald, aber auch auf der Straße. <BR /><BR /><b>Sie alternieren im Buch Prosa und lyrische Prosa in Standard, aber auch in Ihrer Mundart. Die lyrischen Formen sind auch oft knappe Kommentare, die sich der je vorausgegangenen Prosa direkt anschließen. Was hat Sie bewogen und bestärkt, diese Form sprachlichen und formalen Textchangings zu versuchen?</b><BR />Brigitte Knapp: Auch dies ist aus der Beschäftigung mit den Gesichtern entstanden – ich wollte mich nicht mit formalen Vorgaben einschränken. Ich wollte es „dem Bild überlassen“, welche Textform es beim Erzählen seiner Geschichte „wählt“. Das war ein sehr intuitives Vorgehen. Außerdem habe ich das Schreiben manchmal fast als Dialog mit dem Bild empfunden und so kann man diese dialektalen musikalischen Kommentare auch wie meine Antworten auf die Erzählung sehen. Auf diese Weise ist ein sehr umfangreiches, für ein Buch fast zu heterogenes Gesamtwerk entstanden. In Zusammenarbeit mit Lektorin und Verlagsleiterin Birgit Holzner wurde dann entschieden, was ins Buch kommt und was ich für meine Projektbegleitende Hör-Bilderausstellung nutze. (Zum Beispiel GsichterGschichtn in Italienisch und Englisch…). <BR /><BR /><b>Man kann zu Ihren Texten in eigenen Audiodateien auch Ihre Rezitation, Ihren Sprachklang und Ihren Gesang wie auch die von Daniel Faranna komponierte Musik hören. Oft sind die krudesten Inhalte wie Gewalt an Frauen oder Krieg mit einer Musik begleitet, die sich vom Text in Ihrem Realitätsgehalt fast distanziert. War dies die Absicht, um das Ganze in seiner Aussage noch zu steigern oder zu verfremden?</b><BR />Brigitte Knapp: Ja, so ist es. Die Gesangsmelodien stammen alle von mir selbst – man kann die Lieder und Kurzhörspiele also auch als inneren Nachklang der Geschichte, als Vertiefung oder als Auflehnung – Antwort – Ermächtigung sehen. Ich weiß, dass in Gesang und Musik ein enormes Potenzial liegt – zum Beispiel, um sich gegen die eigene Ohnmacht zu wehren. <BR /><BR /><b>Sehr schön finde ich auch, wie sich in den einzelnen Texten die Themen und Motive beim Lesen vor den Augen des Lesers/der Leserin schier plastisch verändern. Haben Sie Ihren Geschichten und Gedichten einen bewusst dramaturgisch wirksamen thematischen Verlauf verpasst?</b><BR />Brigitte Knapp: Danke! Ich weiß nicht, wie bewusst das war. Da ich zunächst hauptsächlich fürs Theater geschrieben habe, verfolge ich wohl auch in der Prosa und sogar in Gedichten meist einen dramaturgisch wirksamen Verlauf. Bewusst suche ich auf jeden Fall das Haptische, das Malerische und Musikalische in der Sprache – und so braucht es manchmal eben auch etwas Phantastisches, fast absurdes und vor allem Unerwartetes in Geschichten, die das Leben schreibt, um uns aus unserer Reserve zu locken. <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1099776_image" /></div> <BR /><b>Zur Person: Brigitte Knapp</b><BR /><BR />Brigitte Knapp, geboren in Bruneck, arbeitet als Schauspielerin und Autorin mit Seitensprüngen in die Regie und zum Gesang. Sie publizierte in Zeitschriften, feierte Uraufführung von zahlreichen Theaterstücken und hielt Lesungen von Prosa und Lyrik im Rahmen von Konzerten, Autorentagen und Literaturfestivals. Bücher: 2023 Erzählband „Fischer am Berge“, Edition Laurin – 2015 Erzählband „Aurora“, Edition Laurin – 2014 Hörbuch im Traumfänger „Joachim Mustermanns Second Life“, Lagrind Noire.