Wer sich nun einlässt auf dieses uns allen so scheinbar nahe und doch so unbekannte Land zwischen den Karawanken im Norden, der ungarischen Tiefebene im Osten und dem italienischen Karst im Westen wird in diesem Buch ein Slowenien der vielen Gesichter und Figuren neu für sich entdecken. <BR /><BR />Da lässt uns Helmut Luther teilhaben an leidvollen Erinnerungen aus dem Zweiten Weltkrieg, an Pionierleistungen der Technik, der Mode, des Kinos und des Sports, zugleich aber auch an sprachlich ausgefeilten Landschaftsbeschreibungen, die aber nie für sich dastehen, sondern immer eingebunden sind in menschliche Geschicke. Nicht zuletzt aber in fast jedem Kapitel auch kulturelle und gastronomische Hochgenüsse.<BR /><BR /> Der Autor schafft es, wie in seinen (Reise)Büchern zuvor auch, uns neugierig zu machen auf Unbekanntes und Vergessenes, wie wir es auch aus dem folgenden Interview erfahren werden. <BR /><BR /><b>Als dritter Band Ihrer, im Amalthea-Verlag erscheinenden Reihe „Nostalgiereisen“, ist jetzt der Band „Slowenien“ erschienen. Warum gerade Slowenien?</b><BR />Helmut Luther: Meine persönliche Kompassnadel zeigt nun einmal hartnäckig nach Süden – wo die Macchia duftet, das Meer und der Himmel in lieblicher Bläue erstrahlen. Und dann ist es so: Italien und Kroatien kennen wir ja schon, bleibt also der schmale Landzipfel dazwischen: Slowenien. Nostalgie hat bei mir aus geschichtlichen Gründen mit der Habsburgermonarchie zu tun, zu welcher das heutige Slowenien bis zu ihrem Untergang gehörte. <BR />Begibt man sich dort auf die Spurensuche, ergeht es einem wie in einem barocken Schloss: Nachdem man eine Prachttreppe emporgestiegen ist, betritt man einen Vorraum, vielleicht einen Audienz- oder Warteraum. Ahnungsvoll öffnet man eine Tür und steht dann vor einer Zimmerflucht, einer Aneinanderreihung von Sälen, einer geheimnisvoller und prunkvoller als der andere, sodass man mit Staunen und Entdecken gar nicht mehr fertig wird.<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="898457_image" /></div> <BR /><BR /><BR /><b>In Ihrem Buch kommen Orte vor, die man kennt, wie Ljubljana, Bled, Maribor, Nova Gorica oder Piran auf Istrien, aber auch eine Reihe weniger bekannter, dafür aber nicht minder interessanter Orter. Was sind für Sie als Reisender und Kenner des Landes die vielen Gesichter Sloweniens?</b><BR />Luther: Slowenien, salopp gesagt, ist klein aber oho. Das Ländchen mit seinen 2 Millionen Einwohnern bietet eine große Vielfalt auf engem Raum: Da sind etwa in der Gorenjska im Norden die Karawanken mit ihren zackigen Kalkgipfeln – wie die Dolomiten, allerdings nicht überlaufen. Vielerorts stehen auf den Wiesen bunt bemalte Bienenhäuser – die Slowenen sind Imker-Weltmeister. Oft sieht man auch noch die alten „Kozolec“, Harpfen zum Trocknen des Heus, heute freilich kaum mehr gebraucht oder etwa als Holzunterstand zweckentfremdet. <BR />Dann gibt es die Städte mit alten Bürgerhäusern – durch Slowenien verlaufen wichtige Transitrouten. Eine der von Kaiser Karl der VI. in Auftrag gegebenen 5 Kaiserstraßen, die Wien mit der Welt verbanden, ist die vom Hofmathematiker Jovanni Jacopo Marinoni aus Udine erbaute Straße über den Semmeringpass nach Triest und Rijeka. Und dann sind da die Adria-Perlen Koper und Piran, wo man dem venzianischen Erbe auf Schritt und Tritt begegnet. Der kleine Hafen in Piran vor der Piazza Tartini, benannt nach dem aus der Stadt stammenden Violinisten und Musiktheoretiker Giuseppe Tartini, wird heute noch mit dem venezianischen Dialektwort „Madracio“ bezeichnet. <BR /><BR /><b>Sie erzählen Geschichten von Persönlichkeiten der Historie, der Kultur wie auch der modernen Technik und der Wirtschaft. Wie konnten Sie die zahlreichen Personen, deren Lebensgeschichten dieses Buch seine Lebendigkeit verdankt, aufspüren? Und welche haben Ihr Interesse am stärksten geweckt?</b><BR />Luther: Da möchte ich aus lokalpatriotischen Gründen Giovanni Antonio Scopoli aus Cavalese im Fleimstal nennen, der von Kaiserin Maria Theresia zum Physicus in Idria in Krain ernannt worden war, dem zweitgrößten Quecksilberbergwerk der Welt. Auf der Anreise zusammen mit seiner Frau sank das Schiff auf der Donau, wobei Scopoli und die Gattin mit ihrem nackten Leben davonkamen, alles Hab und Gut, auch die wissenschaftlichen Instrumente, waren verloren. Scopoli war ein bedeutender Wissenschaftler, seine Entomologia carniolica gilt heute als Hauptwerk der Insektenkunde. <BR />„Denke immer daran, lieber Leser“, schreibt er in seiner Autobiografie „Vitae meae vices“, „dass ich mich in das Leben der Natur nicht von Berufs wegen, sondern aus Neigung vertiefte, um die Widerlichkeiten eines allzu traurigen Lebens zu mildern.“ Und dann vielleicht Alma Karlin, in den 1930er Jahren die meistgelesene deutsche Reiseschriftstellerin. Für ihre Parteinahme gegen die Nazis und dann gegen die Kommunisten musste diese mutige, unabhängige Frau einen hohen Preis bezahlen. Den Partisanen, zu denen sie sich auf der Flucht vor den Nazis gesellte, galt sie als Klassenfeind, nur mit Glück entging sie der Liquidierung. Erst nach der Unabhängigkeit Sloweniens wurde die Autorin wiederentdeckt – heute steht ihr Name in slowenischen Schulbüchern. <BR /><BR /><embed id="dtext86-59657406_quote" /><BR /><BR /><b><BR />Auch in der Begegnung mit noch lebenden Zeitzeugen und wegweisenden Kulturträgern können wir auf eine ganz besondere Art und Weise in dieses Land eintauchen. Wie haben Sie selbst dieses Land (neu) kennengelernt?</b><BR />Luther: Einen ersten Eindruck vom Reichtum dieses Ländchens bekam ich vor etwa 10 Jahren in Görz/Gorizia/Nova Gorica. Durch einen Zufall entdeckte ich, dass das Geländer der Solkan-Brücke im gleichnamigen Dorf hinter der Stadt an der Strecke der Wocheiner Bahn ein Werk Otto Wagners war, des großen Architekten und Stadtplaners der Wiener Moderne. <BR />Görz, damals als das „Nizza Österreichs“ gerühmt, war eine dreisprachige Stadt. Nach 2 Weltkriegen und den ideologischen Verwüstungen des 20. Jahrhunderts ist von der kulturellen Blüte nichts mehr übrig. Deutsche (und Juden) gibt es hier keine mehr; das italienische Gorizia und das slowenische Nova Gorica sind einander fremde Welten. Hundert Meter hinter der Grenze versteht kaum einer die Sprache des Anderen. Wie in einem Brennglas zeigt sich in Görz, was das multikulturelle Kakanien und das Kronland Krain, in dem die meisten Slowenen lebten, gewesen sind. <BR />Langsam setzt eine Umbesinnung ein: Man bekämpft sich nicht mehr (Italiener gegen Slowenien, Faschismus-Nostalgiker gegen Kommunismus-Nostalgiker), sondern entdeckt das gemeinsame Erbe. 2025 werden Nova Gorica und Gorizia gemeinsam Kulturhauptstadt Europas sein. <BR /><BR /><BR />DAS BUCH<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="898460_image" /></div> <BR /><BR />SLOWENIEN. Eine Nostalgiereise gen Süden von Helmut Luther, Amalthea Verlag Wien, 2023, 272 Seiten<BR /> Weitere (Reise) Bücher: „Österreich liegt am Meer. Eine Reise durch die k. u. k. Sehnsuchtsorte“ (2017) – „Auf den Spuren des Doppeladlers“ (2020), immer Amalthea Verlag.<BR /><BR />Bestellen: <a href="www.athesiabuch.it" target="_blank" class="external-link-new-window" title="">www.athesiabuch.it</a><BR /><BR /><BR /><BR />DER AUTOR<BR /><BR />Helmut Luther, geboren in Meran, studierte Philosophie und Geschichte und unterrichtet an einem Meraner Gymnasium. Historische Recherchen und Reisen führen ihn häufig in den Süden des ehemaligen Habsburgerreiches. Zahlreiche Reisereportagen in „DIE ZEIT“, „FAZ“, „Die Welt“, „Süddeutsche Zeitung“ u. a. <BR />In seinem letzten Buch hat er die Lebensstationen der Tochter Ezra Pounds bereist: „Mary de Rachewiltz – Auf der Seite meines Vaters Ezra Pound. Eine biografische Annäherung“, Athesia Verlag 2021, 208 S. – In „Glücksfall Meran. Tourismus und Kultur 1945–2020“ (Athesia Verlag, 2020, 256.S.) hat er einen Beitrag verfasst.<BR />