„Ich denke, viele Menschen tragen ein Idealbild von einem Bauernhof in sich; so eins, wie es in der Butterwerbung oder in Kinderbüchern lebendig gehalten wird: Vom kleinen Hof, mit ein paar Stück gemischten Vieh, wo Menschen und Tier ein friedliches Miteinander leben“, sagt Jarka Kubsova. Sie erlebte und beschreibt, wie hart das Leben auf den Höfen sein kann – und warum die Leute trotzdem dort oben bleiben. <BR /><BR /><b>Wie kommt es dazu, dass Sie den ersten Roman ausgerechnet über das Bergbauernleben in Südtirol schreiben?</b><BR />Jarka Kubsova: Ich bin recht spät in meinem Leben – im Jahr 2014 – das erste Mal in Südtirol gewesen. Menschen und Landschaft haben sofort einen tiefen Eindruck bei mir hinterlassen. Auch die alten Höfe hatten es mir besonders angetan. Mich ließ nicht los, was sich darin für Geschichten abgespielt haben mögen und so entwickelte den Traum, wenigstens eine dieser Geschichten genauer ergründen und erzählen zu können. <BR /><BR /><b>Viele Menschen –auch in Deutschland – haben eine romantisch-verklärte Vorstellung vom Bergbauernleben: Wie war das bei Ihnen?</b><BR />Kubsova: Die hatte ich anfangs auch. Das ist nun mal bei vielen Höfen der erste Eindruck: Die Landschaft ist überwältigend, die Menschen sind freundlich, das Hofleben scheint zu prosperieren – und das obwohl nur 10 Kühe im Stall stehen. Ich denke, viele Menschen tragen ein Idealbild von einem Bauernhof in sich; so eins, wie es in der Butterwerbung oder in Kinderbüchern lebendig gehalten wird: Vom kleinen Hof, mit ein paar Stück gemischten Vieh, wo Menschen und Tier ein friedliches Miteinander leben. Im Hinterkopf weiß natürlich jeder um die Größe und Industrialisierung der meisten Höfe heute, aber sehnen tuen wir uns nach dem Idealbild, der „heilen Welt“ oder auch nach der „guten alten Zeit“. Ich selbst mag diese Vorstellung auch – und am Anfang dachte ich, in Südtirol scheint das offensichtlich noch zu funktionieren. Umso spannender war dann natürlich der Blick hinter die Kulissen, zu erfahren, wie es wirklich läuft und wo meine Vorstellungen falsch waren. Auch davon wollte ich dann gerne etwas im Buch erzählen.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="788993_image" /></div> <BR /><BR /><b>Sie haben für die Recherche zum Buch 7 Monate lang auf einem Hof in Ulten gelebt: Wie war diese Zeit?</b><BR />Kubsova: Das ist nun 3 Jahre her – und ich zehre immer noch davon. Denn die Zeit war sehr intensiv, vom Winter bis zu Sommer habe ich jede Nuance in der Veränderung der Jahreszeiten erleben können. Das ist in der Stadt so nicht möglich. Die Bilder der grandiosen Landschaft, die Gerüche, die Geräusche sind tief in mir abgespeichert. Ich habe in dieser Zeit sehr viel gelernt und erfahren und das hat auch meinen Blick auf viele Zusammenhänge verändert, vor allem bezüglich der Landwirtschaft, der Lebensmittelproduktion sowie die Veränderungen in Kulturlandschaften. <BR /><BR /><b>Werden Sie auch nach dem Buch auf dem Hof anzutreffen sein?</b><BR />Kubsova: Ich bedauere es sehr, dass ich seit 2019 nicht mehr in Südtirol gewesen bin. Das ist in erster Linie den Corona Einschränkungen geschuldet gewesen und in diesem Jahr dem Umstand, dass ich beruflich sehr eingespannt bin. Aber sobald ich kann, geht es auch wieder auf den Hof – meine Sehnsucht ist groß!<BR /><BR /><b>Wer hat Ihnen so anschaulich geschildert, wie die Menschen mehr als 80 Jahren auf einem Hof lebten und arbeiteten?</b><BR />Kubsova: Ich hatte das große Glück, viele offene Menschen kennengelernt zu haben, vor allem auf dem Hof in Ulten, auf dem wir die meisten Zeit verbracht haben. Dort leben 3 Generationen unter einem Dach, die mir sehr viel von heute und früher erzählt haben. Darüber hinaus habe ich sehr viele Bücher über das Bergbauernleben und die Region gelesen sowie Zeitzeugenberichte – die Bibliothek im Ultental hat eine sehr gut ausgestattete Heimatabteilung; auch Museen habe ich besucht und Dokumentationen geschaut. Insgesamt war es eine umfangreiche, langwierige und detaillierte Recherche.<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="788996_image" /></div> <BR /><BR /><b>Stress, Schulden, Bürokratie: Sie zeichnen nicht gerade ein idyllisches Bild vom Urlaub auf dem Bauernhof. Vergeht einem da nicht die Urlaubsfreude?</b><BR />Kubsova: Von vielen Leserinnen und Lesern habe ich bisher gehört, dass sie um diese Ergänzung des Bildes froh sind. Und die meisten verstehen auch, dass die Darstellung stellenweise etwas zugespitzt ist. Vielleicht – im besten Falle – kann diese Darstellung aber auch zum besseren Verständnis beitragen: Dass Gäste sensibilisierter dafür sind, wie viel harte Arbeit, Ängste, Sorge und wirtschaftliche Zwänge hinter dem vermeintlichen Idyll wirklich stecken. Dass auch diese Perspektive besser wahrgenommen wird.<BR /><BR /><b>Viele Bauernhöfe am Berg kämpfen heute ums Überleben, weil die Kosten für Energie, Treibstoffe und Futtermittel extrem steigen und den knappen Gewinn aus dem Verkauf von Produkten auffressen. Was denken Sie darüber?</b><BR />Kubsova: Das finde ich natürlich furchtbar traurig und es besorgt mich. Es zeigt aber auch einmal mehr, wie groß die Verwicklungen selbst kleiner Höfe mit riesigen Märkten sind. Das ist ja eine der fatalen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte. Auch das habe ich versucht, im Buch abzubilden: Möglichkeiten, die einst zunächst verheißungsvoll ausgesehen hatten, schlagen gnadenlos als Abhängigkeiten und Zwänge zurück. Das ist ein großes und grundsätzliches Problem daran, wie Landwirtschaft heute weitestgehend organisiert ist. Deswegen sollten wir das Idealbild vom kleinen, überschaubaren Hof auch nicht verwerfen oder vielleicht halten wir deshalb auch so daran fest: Weil Kleinbetriebe und Regionalität am Ende doch die größere Resistenz beweisen können. Ich würde das jedenfalls hoffen und ich weiß, dass viele Höfe auch wieder in diese Richtung denken. <h3> Und die Zukunft der Höfe?</h3><b>Ihr Roman erzählt von zwei starken Bäuerinnen: Rosa und Franziska. Was können wir uns von ihnen abschauen?</b><BR />Kubsova: Ich habe in der Figur der Rosa ein Bild von Frauen verschmolzen, die es gab und gibt, von denen mir viel erzählt wurde: zäh, unendlich arbeitsam, willensstark bis hin zur Sturheit, lebensklug und tief in die Natur hineinfühlend. Ich bewundere die Frauen für das, was sie in aller Bescheidenheit auf den Höfen geschaffen haben. Ich finde, sie haben ein Denkmal verdient. Die Herausforderungen an Bäuerinnen heute sind andere, gleichwohl sind es große Herausforderungen – und auch sie verdienen großen Respekt und Wahrnehmung. Es war mir wichtig, beides abzubilden – und wie beide Generationen trotz aller Ambivalenzen ihren Weg suchen. <BR /><BR /><b>Ihr Buch umfasst das Leben von 3 Generationen: Was wird die vierte Generation auf dem Hof machen – oder wird es sie nicht mehr geben?</b><BR />Kubsova: Doch, es wird sie geben. Man sieht sie bereits heranwachsen und viele Dinge neu denken. Wenn die Bedingungen es zulassen, werden sie Wege finden, dieses große kulturelle Erbe weiterzuführen. Ich hoffe das jedenfalls von Herzen.<BR /><BR />DER ROMAN<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="788999_image" /></div> <BR /><BR />Auf 1670 Meter Höhe gelegen ist der Innerleit der höchste Hof im Südtiroler Tiefenthal. Als dort im Jahr 1944 nach dem Tod des alten Josef Breitenberger dessen Tochter Rosa übernimmt, glaubt kaum einer im Ort, dass sie es schaffen kann. Doch im Leben von und mit der Natur findet Rosa ihre Bestimmung und hält an ihrem Hof in den Bergen fest, selbst als sich die Möglichkeit bietet, anderswo ein weniger einsames, leichteres Leben zu führen. <BR />Zwei Generationen später sind Rosas Enkel Hannes und seine Frau Franziska auf Feriengäste angewiesen, um das jahrhundertealte Erbe des Hofes zu erhalten. Doch auch wenn es für Touristen so aussehen mag: Das Leben auf dem Innerleit ist kein Postkartenidyll. Und mit den neuen Problemen taucht eine alte Frage wieder auf: gehen oder bleiben?<BR /><BR />Jarka Kubsova, Bergland. Roman. Goldmann Verlag, 2021, 288 Seiten, 22 Euro. Erhältlich bei www.athesiabuch.it<BR /><BR /><BR />DIE AUTORIN<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="789002_image" /></div> <BR />Jarka Kubsova ist 1977 in Tschechien geboren, seit 1987 lebt sie in Deutschland. Nach Studium und Volontariat in Hamburg arbeitete sie bei der „Financial Times Deutschland“, beim „Stern“ sowie bei der „Zeit“. Sie ist Ghostwriterin und Co-Autorin mehrerer erfolgreicher Sachbücher. Ihr Werk „I’m a Nurse: Warum ich meinen Beruf als Krankenschwester liebe – trotz allem“ war 2020 auf Platz 1 der SPIEGEL-Bestsellerliste (Sachbücher).Für ihr Romandebüt „Bergland“ lebte Jarka Kubsova 7 Monate lang auf einem Bergbauernhof in Südtirol.<BR /><BR /><BR /><BR />