Der Haupttitel „Auf der Seite meines Vaters“ des Buches über die Grande Dame auf der Brunnenburg allerdings entführt uns Leser auch in die Welt Ezra Pounds, die von der frühen Lyrik bis zu den späten Cantos vom Willen geprägt war, mit Hilfe von sprachgewaltigen Bildern die Welt so zu beschreiben und zu erkunden, wie er sie erlebt hat. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="709691_image" /></div> <BR /><BR /><BR />„Die biografische Annäherung“ ist, was nun den aufschlussreichen und präzis ausgearbeiteten Text, was die unzähligen und überaus kenntnisreich aufgeschlüsselten Zusammenhänge zu Kunst, Literatur und Musik von Mary de Rachewiltz' und Ezra Pounds Zeit betrifft, weit untertrieben. <BR /><BR /><BR />In ihrer Autobiografie „Discretions“ aus dem Jahr 1971 konzentrierte sich Mary de Rachewiltz noch auf einzelne Stationen ihrer Kindheit und Jugend bei ihren Pflegeeltern in Gais. Helmut Luther entdeckt nun in seiner Biografie die wichtigsten Orte im Leben dieser Grande Dame neu und lässt sie, ausgehend von den zahlreichen Gesprächen mit der heute 96-Jährigen auf der Brunnenburg, zu einer kongenialen Verbindung zwischen erlebter, persönlicher Vergangenheit und unserer heutigen Realität werden.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="709694_image" /></div> <BR /><BR />Das teilweise historische Bildmaterial wurde von <b>Ulrich Egger</b> künstlerisch ausgewählt und als Bildkommentar ins Buch eingebracht. Der Autor besucht die wichtigsten Orte im Leben der Mary de Rachewiltz: neben Gais und der Brunnenburg bei Meran, Venedig, wo Ezra Pound mit Marys Mutter <b>Olga Rudge</b> bis zu seinem Tod im Jahr 1972 lebte, oder die kurze Erfahrung in einem Kloster unweit von Florenz, nach Siena und Rapallo, als Schreibkraft nach Cortina und nach Sirmione, Pisa und Rom, nicht zuletzt auf den Fußstapfen des „Dolce stil novo“ und Dantes in Verona. <BR /><BR /><BR />Überall erinnert sich Pounds Tochter nicht nur an einzelne Orte und Begegnungen mit Persönlichkeiten, die Helmut Luther alle, so sie heute noch leben, aufgesucht und befragt hat. Beim Stichwort Dante, dessen „Canti“ aus der „Göttlichen Komödie“ die poetische Vorlage für das riesige Weltengedicht von Pounds „Cantos“ lieferte, ist die geistige Welt Mary de Rachewiltz' wie wachgerufen und sie verweist im Gespräch auf den zweiten Teil von Goethes „Faust“, in dem ihr Vater die bedeutenden Passagen über die Verfertigung von Papiergeld heutigen Bank- und Finanzkrisen vorgefunden hat: „Die Beschäftigung mit Pounds 'Cantos' ist eine Lebensaufgabe und nicht nur weil ich die Tochter bin, sondern weile es mich interessiert“, sagt Mary de Rachewiltz resolut. Darüber hinaus erinnert sie sich an die Instrumente des Vaters, vor allem an sein Fagott, auch an ein Amati zugeschriebenes Cello. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="709697_image" /></div> <BR /><BR />Helmut Luther hat auch den Enkel Pounds und Sohn Mary de Rachewiltz <b>Siegfried de Rachewiltz</b> befragt und Manches über seinen Vater, den Ägyptologen <b>Boris de Rachewiltz</b> zutage gebracht. Auf die Frage, ob die Zeit Ezra Pounds heute gekommen ist, antwortet er: „Die Zeit für eine Neuentdeckung Pounds ist sicherlich reif. Ob sie es wagt, ist eine andere Frage; es ist aber ganz klar, Pounds wie auch Dantes und Goethes Werk sind zu einem gewissen Teil prophetisch, es geht um Visionen und zum Teil Utopien. Die 'Cantos' sind ein globales Gedicht, der erste große Versuch, den nie jemand anderer gewagt hat, ein Gedicht des homo sapiens in all seinen möglichen Facetten, in das alles ineinander fließt. Alles ist eine Aufforderung, weiter zu lesen, weiter zu recherchieren. Es muss eine offene Struktur sein, es ist, wie Pasolini es in einem Interview gesagt hat, 'es ist Musik, eine endlose unvollendete Symphonie, die nicht vollendbar ist.' Es war vom Versuch her zum Scheitern verurteilt. Im Scheitern liegt dann aber schließlich auch die Bedeutung dieses Gedichtes.“ Ezra Pounds „Cantos“ sind ja einzigartig, auch die Verbindung unserer Welten, die abendländische und die orientalische, die Neue Welt: „Pound hat sich wie Odysseus auf etwas eingelassen, wo er nicht weiß, ob er je Ithaka wieder sehen wird… Pound hat für die Literatur des 20. Jahrhunderts Strukturen aufgebrochen, er ist ein Dichter für Dichter! Man muss in die letzten Fragmente hineinhören, wo er seine modernsten und heute erst gültigen Botschaften festgeschrieben hat.“<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="709700_image" /></div> <BR /><BR /><Fett>Buchtipp:</Fett><BR />„Mary de Rachewiltz: Auf der Seite meines Vaters Ezra Pound – Eine biografische Annäherung“ von Helmut Luther, Athesia Verlag 2021, 208 Seiten<BR /><b>Bestellen:</b><BR />www.athesiabuch.it<BR /><BR /><BR /><BR /><b>Gespräch mit dem Autor</b><BR /><BR /><BR /><b>Wie kamen Sie zu diesem Buchprojekt? Haben Sie sich schon vor dieser Annäherung mit Mary de Rachewiltz und Ezra Pound beschäftigt?</b><BR />Helmut Luther: In meiner Büchersammlung gibt es einen schmalen Band mit einer Auswahl von Pound-Texten, Auszügen aus den Cantos und von Prosatexten. Dort habe ich gelegentlich herum geschnuppert, die „Cantos“ in einem Zug durchlesen, das kann man, glaube ich, nicht – jedenfalls ich könnte das nicht. Die Cantos, das ist der Mount Everest, um dort herum zu spazieren, muss man schon sehr trainiert sein und die Höhenluft vertragen. Im Nachwort meines Poundbändchens sagt die vor 2 Jahren verstorbene Übersetzerin Eva Hesse, dass es Pound gefallen habe, wenn sie ihn kritisierte. „Dann schreiben Sie halt, was ich gemeint habe“, habe ihr der Dichter geantwortet, als sie einmal gar nicht wusste, was sie aus der Originalstelle machen sollte. Für mich bedeutet das, dass man die Cantos nicht im Detail verstehen muss, man kann sie auch als, ziemlich gehobenen, Reiseführer betrachten. In diesem Sinne habe ich mich auf die Spurensuche begeben.<BR /><BR /><BR /><b>Das Buch über Mary de Rachewiltz ist nicht nur eine „Annäherung“ am die Tochter des namhaften Dichters, sondern an Ezra Pound selbst. Dazu kommen auch Mary Sohn Siegfried und sein Vater und Marys Ehemann Boris de Rachewiltz. Um ein so objektiv wie mögliches Bild der Familie erzählerisch abzulichten, mussten Sie mehrere Orte aufsuchen und Personen ins Gespräch verwickeln. Wie ging diese Spurensuche vor sich und welchen Problemen sind Sie dabei begegnet?</b><BR />Helmut Luther: Ich hatte die „Cantos“ im Gepäck und vor allem Notizen von Gesprächen mit Mary. Auch Siegfried, ihr Sohn, hat mir weitergeholfen und wichtige Erläuterungen gegeben, zum Beispiel was seinen Vater, den Ägyptologen Boris de Rachewiltz, betrifft. In Rom, Florenz und Venedig, an vielen Orten, gibt es noch Leute, die Pound und Marys Mutter, die Geigerin Olga Rudge, gekannt haben. Ohne diese Zeitzeugen wäre es schwierig gewesen, ein lebendiges Bild von Pounds Italien zu zeichnen. So jedoch konnte ich in ihrem Palazzo in Venedig Irina Ivancich treffen. Pound war ein Freund der Familie, Irinas Tante Adriana war eine Freundin von Hemingway, am Familienwohnsitz sind alle zusammen gekommen, die Mauern erzählen viele Geschichten.<BR /><BR /><BR /><b> Entstanden ist ein vielschichtiges und für jeden Kulturinteressierten aufschlussreiches wie wichtiges und auch menschliches Buch über Persönlichkeiten und Kultur von den 1920er Jahren bis heute, dies vor dem Hintergrund eines sogenannten „Hypertexts“, des Gesprächs mit Mary de Rachewiltz, die mehr als eine Zeitzeugin fungiert. Wie war die Zusammenarbeit mit der Tochter Ezra Pounds?</b><BR />Helmut Luther: Die Zusammenarbeit war anfangs nicht ganz einfach. Mary de Rachewiltz wollte eigentlich nicht mehr öffentlich zu Pound Stellung nehmen, sie wollte ihre Ruhe haben. Sie hat sich dann doch auf diese Gespräche eingelassen, dabei immer betonend, ich solle Pound lesen und nicht mit „Fratscheln“ unsere Zeit vergeuden. Als sie merkte, dass ich keinen Schlüsselloch-Journalismus betreibe, ist sie langsam aufgetaut. Und dann sind die Geschichten aus ihr hervor gesprudelt, Mary verwandelte sich in ein aufgeschlagenes Buch. Sie hat so viele Kulturgrößen kennen gelernt, Eliot, Joyce, Marinetti, sie traf Pasolini und fand ihn nicht sehr sympathisch. Ich musste nur noch mitschreiben, was sie erzählte.<BR /><BR /><BR /><b>VITA</b><BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="709703_image" /></div> <BR /><BR /><b>HELMUT LUTHER</b>, Jahrgang 1961, arbeitet seit 30 Jahren als Lehrer für Deutsch und Geschichte an einer Meraner Oberschule. Er schreibt Reisereportagen u.a. für die FAZ, Die Welt, die Süddeutsche Zeitung und das Portal s+. Zuletzt erschienen beim Amalthea-Verlag „Auf den Spuren des Doppeladlers“ (2020). Zahlreiche Gespräche mit Mary de Rachewiltz auf der Brunnenburg bei Meran bildeten die Grundlage für vorliegendes Buch.<BR /><BR /><BR /><b>VITA</b><BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="709706_image" /></div> <BR /><BR /><Fett>ULRICH EGGER</Fett>, Jahrgang 1959, lebt in Meran. Er studierte von 1981 bis 1985 Bildhauerei an der Kunstakademie in Florenz. Während des Studiums widmete er sich ausschließlich der Bildhauerei. Nach Abschluss des Studiums begann er, sich neben der Bildhauerei intensiv mit der Fotografie auseinanderzusetzen. Aufmerksamkeit erregten vor allem seine Foto- und Materialcollagen. Die verschiedenen Motivgruppen zeigen Industrielandschaften, Stadtlandschaften, Abbruchbauten und Fassaden. Seit einigen Jahren beschäftigt er sich intensiv mit Porträtfotografie. <BR />www.ulrichegger.net<BR /><BR /><BR /><BR /><BR />